Klaus Schäfer im Interview "Bei Uniper fallen Stellen weg"

Düsseldorf · Klaus Schäfer ist seit Januar Chef des Eon-Ablegers Uniper. Beim Redaktionsbesuch sprachen wir mit ihm über Hartz IV für Kraftwerke, das Vorbild Russland und das Sparprogramm.

 "Bei Kostensenkungen geht es leider immer auch um Arbeitsplätze", sagt Klaus Schäfer, Vorstandsvorsitzender bei Uniper.

"Bei Kostensenkungen geht es leider immer auch um Arbeitsplätze", sagt Klaus Schäfer, Vorstandsvorsitzender bei Uniper.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Seit 1. Januar ist Uniper am Start und versammelt Problemgeschäfte wie die konventionelle Stromerzeugung oder Brasilien- Geschäft. Fühlen Sie sich als Chef von Eons Resterampe?

Schäfer Ganz und gar nicht. Ich fühle mich als Chef eines stolzen Unternehmens, das insbesondere mit der flexiblen und steuerbaren konventionellen Erzeugung und dem globalen Gashandel - der früheren Ruhrgas - die Energiewende erst ermöglicht.

Aber immer mehr Kraftwerke machen Verluste. Womit wollen Sie künftig Geld verdienen?

Schäfer Wir brauchen konventionelle Kraftwerke, um die Schwankungen der erneuerbaren Energien auszugleichen. Es gibt Tage, da decken sie nur einige Prozent des Bedarfs, an anderen 100 Prozent. Deshalb muss der Strommarkt in Deutschland so organisiert werden, dass nicht nur die tatsächliche Arbeit eines Kraftwerks vergolten wird, sondern auch dessen ständige Bereitschaft und schnelle Verfügbarkeit.

Das lehnt der Wirtschaftsminister als "Hartz IV für Kraftwerke" an.

Schäfer Hartz IV hilft sozial schwächeren Menschen. Ich finde es ihnen gegenüber nicht angemessen, den Begriff für politische Meinungsverschiedenheiten im Energiemarkt zu nutzen. Auch in der Sache trifft die Bezeichnung nicht zu: Es wird ja eine reale Leistung vergütet. Eine Reihe von Kraftwerken sind heute wie Fußballer auf der Ersatzbank zu betrachten. Sie werden ja auch nur bei Bedarf eingewechselt, müssen dann topfit sein und auf kurzfristigsten Zuruf Höchstleistung erbringen. Und: Sie werden dafür entlohnt wie Spieler, die die volle Spieldauer auf dem Platz stehen.

Aber diese so genannten Kapazitätsmärkte wird es mit der großen Koalition nicht geben.

Schäfer Es wird sie in nicht allzu ferner Zukunft in Deutschland geben müssen, wenn wir keine massiven Stromausfälle riskieren wollen — unsere Nachbarn in England, Frankreich oder Italien haben dies schon verstanden. Ohne auskömmliche Rendite wird hier auch niemand mehr in Kraftwerke investieren.

Bei Ihrem Kraftwerk Datteln geht es nach Jahren des Rechtsstreits nun voran. Wann kommt es ans Netz?

Schäfer Die Bauarbeiten laufen wieder auf Hochtouren und das Kraftwerk ist zu gut 80 Prozent fertig gestellt. Wir planen, dass Datteln im ersten Quartal 2018 ans Netz geht und dann mit gut 1 Gigawatt Leistung effizient erzeugten Strom und Fernwärme für die Region einspeisen kann.

Ihre größten Kunden sind Bahn und RWE, die sich vertraglich verpflichtet haben, Eon bzw. Uniper große Mengen abzukaufen. Um welche Mengen geht es da?

Schäfer Rund ein Drittel der Stromerzeugung geht an die Deutsche Bahn. Uniper stärkt seine Stellung als einer der größten Bahnstrom-Lieferanten. Insgesamt bestehen für etwa zwei Drittel der Stromerzeugung langfristige Abnahmeverträge.

Bahn und RWE verlangen Nachbesserung, weil die Strompreise weit unter das einst vereinbarte Niveau gefallen sind. Es heißt, mit der Bahn hätten Sie sich geeinigt, mit RWE noch nicht.

Schäfer Wir haben gültige Verträge über sehr lange Zeiträume. Wir sprechen selbstverständlich regelmäßig mit unseren Kunden, aber den Partnern in Datteln muss klar sein: Diese Verträge sind wie eine gemeinsame Beteiligung an einem Kraftwerk. Daher werden wir auch die aktuell niedrigen Strompreise gemeinsam schultern müssen.

In diesem Jahr soll Uniper an die Börse gehen. Läuft alles nach Plan?

Schäfer Ja, wir liegen voll im Zeitplan. Von der Hauptversammlung haben wir mit rund 99,7 Prozent eine überwältigende Zustimmung bekommen und seit Dienstag dieser Woche wissen wir, dass es keine Klagen von Aktionären gegen die Abspaltung von E.ON gibt. Damit ist klar, dass nach menschlichem Ermessen der Börsengang durch Rechtsstreitigkeiten nicht mehr aufgehalten wird. Wir gehen also fest davon aus, dass Uniper noch im September ein börsengelistetes Unternehmen sein wird. Der frühe Termin kommt uns sehr entgegen.

Wann ist der Börsengang ein Erfolg?

Schäfer Das kann man erst in einigen Monaten wirklich beurteilen. In den ersten Tagen und Wochen kann es bei Spin-offs durchaus zu erheblichen Verkäufen kommen. Abgesehen vom ersten Handelstag werden wir wohl kein DAX-30-Unternehmen sein. Also müssen sich beispielsweise Fonds, die nur DAX-30-Papiere halten dürfen, von der Uniper-Aktie trennen. Nach drei Monaten wird sich zeigen, ob der Börsenstart erfolgreich war, erst nach einem Jahr kann man wirklich beurteilen, ob das Unternehmen ordentlich im Kapitalmarkt angekommen ist.

Und in welche Dax-Liga wollen Sie?

Schäfer Das entscheidet der Markt und später nach sehr genauen Kriterien die relevanten Index-Gremien. Der MDAX wäre aber für uns ein attraktives Segment.

RWE spaltet mit Innogy sein modernes Geschäft ab, Eon mit Uniper sein altes Geschäft. Damit hat RWE es leichter am Kapitalmarkt.

Schäfer Wir müssen kein neues Kapital an der Börse einsammeln, sondern verbriefen ein Teileigentum der E.ON-Aktionäre für sie in einem neuen Wertpapier. Für jeweils zehn gehaltene Aktien wird eine neue Uniper-Aktie zusätzlich ins Depot eingebucht. Damit behält der Aktionär Chancen und Risiken aus beiden Geschäften und kann unabhängige Anlageentscheidungen treffen.

Können Sie künftig Ihrer Mutter Eon Konkurrenz machen und selbst Offshore-Windparks bauen?

Schäfer Nach der Spaltung sind wir rechtlich völlig selbstständige Unternehmen. Theoretisch könnten wir Eon jederzeit auch bei Offshore-Windparks Konkurrenz machen. Praktisch wird es dazu erstmal nicht kommen, da der Bau und Betrieb solcher Anlagen nicht unsere Kernkompetenz ist und wir auch nicht über die dafür notwendigen Investitionsmittel verfügen. Dies gilt aber nicht unbedingt für andere Aktivitäten im Bereich der Erneuerbaren; mit gut 4 Gigawatt Wasserkraftkapazität in Europa spielt Ökostrom bereits heute eine große Rolle in unserem Portfolio.

Sie haben den Anlegern für 2016 eine Dividende von 200 Millionen Euro versprochen. Die Strompreise sind weiter gefallen. Werden Sie die Dividende notfalls aus der Substanz zahlen?

Schäfer Die Aussage zur erwarteten Dividende für 2016 gilt. Der aktuelle Strompreisverfall wird sich ja erst in ein, zwei Jahren voll auf unser Zahlenwerk auswirken, da der meiste Strom auf Termin verkauft wird.

Was heißt das für die künftige Dividende?

Schäfer Darüber kann und darf ich nicht spekulieren. Klar ist, dass sich der Vorstand bei den Dividendenplanungen für 2016 etwas gedacht hat. Uniper soll ein attraktiver Börsentitel werden und dazu gehört in der Regel eine Basisdividende, die sich durch positive Entwicklungen künftig auch verbessern kann.

Sind Sie zufrieden mit der Kapitalausstattung, die Eon Ihnen mitgegeben hat? Ein paar Schulden weniger hätten es schon sein können.

Schäfer Wir gehen mit 4,7 Milliarden Euro Nettoschulden an den Start. Das reicht für ein "Investment Grade" mit derzeit stabilem Ausblick als Bonitätsnote, ist aber auf Dauer zu viel. Deshalb haben wir bereits Veräußerungen von Unternehmensteilen im Wert von mindestens zwei Milliarden Euro und drastische Sparmaßnahmen in Aussicht gestellt.

Wie viele Arbeitsplätze werden wegfallen?

Schäfer Bei Kostensenkungen geht es leider immer auch um Arbeitsplätze. Die genauen Zahlen ermitteln wir gerade und sind hierzu natürlich auch in regelmäßigen Gesprächen mit den Vertretern der Mitbestimmung. Klar ist: Es werden Stellen in einer nennenswerten Größenordnung wegfallen. Andernfalls sind wir in dem schwierigen Marktumfeld nicht wettbewerbsfähig.

Wird es betriebsbedingte Kündigungen geben?

Schäfer Wir wollen den Stellenabbau sozialverträglich gestalten und betriebsbedingte Kündigungen vermeiden, ausschließen können wir sie als letztes Mittel nicht.

RWE will 25 Prozent der Gehälter kürzen und einen Notlagen-Tarif abschließen. Uniper auch?

Schäfer Was andere Unternehmen wollen, kann ich nicht kommentieren. Für Uniper gilt: Wir müssen unsere Kosten deutlich senken und prüfen deshalb alle möglichen Optionen.

Welche Veräußerungen planen Sie denn?

Schäfer Klar ist, dass wir keines unsere drei Segmente — Europäische bzw. Internationale Stromerzeugung oder den Energiehandel in Summe verkaufen werden. In Frage kommen nur Teile daraus, deren Verkauf nicht die Gesamtstrategie in Frage stellen würde und für die man derzeit einen vernünftigen Preis erzielen könnte.

Das Brasilien-Geschäft zum Beispiel.

Schäfer Gerne, nur sehe ich derzeit keinen Käufer, der bereit ist, uns dafür nennenswerte Summen zu bezahlen.

Und das Russland-Geschäft?

Schäfer In Russland leiden wir unter dem schwachen Rubel, operativ ist das Geschäft gesund. Russland ist für Uniper ein wesentlicher Markt.

Leidet Uniper unter der politischen Eiszeit zwischen Russland und dem Westen?

Schäfer Nein, unser Vorgänger Ruhrgas hat schon zu schwierigeren Zeiten wie beispielsweise im Kalten Krieg erfolgreich Geschäfte mit russischen Partnern gemacht. Wir haben hier stets verlässliche Geschäftsbeziehungen gehabt; wichtig ist, dass der Dialog nicht abreißt und wir auch wieder Schritte aufeinander zu machen. Und in der Energiepolitik kann sich Deutschland sogar einiges von Russland abschauen: Hier hat der Staat längst einen Kapazitätsmarkt organisiert, der Versorgungssicherheit und Rendite sichert.

Eon und Uniper sind auch in der Türkei aktiv. Was bedeutet die Krise für die Unternehmen?

Schäfer Für Uniper ist das Türkei-Geschäft überschaubar. Es gibt eine Pipeline durch das Land, über die wir in wenigen Jahren Gas aus Aserbaidschan beziehen werden. Wie jeder verantwortungsvolle Arbeitgeber haben wir am Tag des Putsches umgehend geprüft, ob Mitarbeiter vor Ort konkret in Gefahr sind. Zum Glück war das nicht der Fall.

Wären Sie eigentlich lieber Finanzchef der großen Eon geblieben statt nun die kleine Uniper zu führen?

Schäfer Nein, ich habe eine tolle Aufgabe und Verantwortung für 14.000 Mitarbeiter in gut einem Dutzend Ländern.

Eon-Chef Teyssen ist jetzt 56, Sie sind 49 Jahre. Vielleicht können Sie ihn eines Tages beerben?

Schäfer Darüber wollen wir nicht spekulieren. Über Nachfolgen entscheidet in jedem Unternehmen allein der jeweilige Aufsichtsrat.

Eon hat Düsseldorf mit dem Wegzug der Zentrale enttäuscht. Bleibt wenigstens die Uniper-Zentrale in Düsseldorf?

Schäfer Ja, die Uniper-Zentrale bleibt in Düsseldorf. Allerdings werden wir die Arbeitsplätze in wenigen Jahren am Hafen konzentrieren, das erleichtert die tägliche Zusammenarbeit. Die bisherige Zentrale neben dem Museum Kunstpalast werden wir auf Dauer nicht selber nutzen. Aber bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein herunter.

DAS GESPRÄCH FÜHRTEN ANTJE HÖNING, REINHARD KOWALEWSKY UND STEFAN WEIGEL.

(RP)
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