Paris und Frankreich kämpfen um den Euro Und noch ein EU-Gipfel nächste Woche

Brüssel (RPO). Ein Kontinent steht unter Stress: Seit mehr als anderthalb Jahren lässt die Schuldenkrise der europäischen Politik keine Zeit zum Durchatmen. Am kommenden Wochenende treffen sich die EU-Staats- und Finanzminister, um über den Euro-Rettungsschirm zu beraten. Entschieden wird dort aber wohl nichts. Nun soll es schon am nächsten Mittwoch ein weiteres Gipfeltreffen geben.

 Die Zeit des Lächelns ist vorerst vorbei: Berlin und Paris streiten über die Euro-Rettung.

Die Zeit des Lächelns ist vorerst vorbei: Berlin und Paris streiten über die Euro-Rettung.

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Zur Eindämmung der Eurokrise wollen die europäischen Staats- und Regierungschefs spätestens am kommenden Mittwoch auf einem weiteren Gipfel Beschlüsse fassen. "Frankreich und Deutschland haben sich darauf verständigt, dass das gesamte umfassende und ehrgeizige Maßnahmenpaket auf dem Gipfel am Sonntag im Einzelnen geprüft wird, damit die Staats- und Regierungschefs es bei einem zweiten Treffen spätestens Mittwoch beschließen können", teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstag in Berlin mit. Dieses Vorgehen hätten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy am Donnerstag in einem Telefonat vereinbart.

Paris und Frankreich kämpfen um den Euro: Und noch ein EU-Gipfel nächste Woche
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Inzwischen vergeht kaum ein Tag ohne Proteste gegen Banken oder Sparpolitik, ohne schlechte Nachrichten für Griechenland, die Börsen oder die europäische Wirtschaft. "Wir befinden uns in einem einschneidenden Augenblick, entscheidend für die Zukunft des Euro und die Zukunft Europas", ist sich EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sicher. Nicht nur der Portugiese hofft, dass Krisenberatungen in Brüssel am Wochenende die Wende bringen.

Gipfelbeschluss am Sonntag wird immer unwahrscheinlicher

Diese starten am Freitag mit einem Treffen der Euro-Finanzminister, der mit Spannung erwartete Höhepunkt ist ein Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs am Sonntag. Doch im Vorfeld überschlagen sich die Ereignisse, ein umfassender Gipfelbeschluss ist inzwischen unwahrscheinlich. Grund sind anhaltende Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden wichtigsten Euro-Ländern: Deutschland und Frankreich.

Der französische Staatschef Nicolas Sarkozy flog für Krisenberatungen am Mittwoch sogar überstürzt nach Frankfurt am Main - obwohl sich seine hochschwangere Frau Carla Bruni-Sarkozy gerade in der Pariser Klinik La Muette befand, um das erste gemeinsame Kind des Präsidentenpaares zur Welt zu bringen. Das Mädchen wurde geboren, während der Vater bis in die Abendstunden in der deutschen Finanzmetropole mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) um die Euro-Rettung stritt, offenbar ohne einen Durchbruch zu erzielen.

Umgehend rutschten am Morgen die Börsen in Frankfurt, Paris und London ins Minus und Barroso richtete einen flammenden Appell an Deutschland und Frankreich, jedoch ohne sie beim Namen zu nennen: "Europa braucht Kompromiss-Bewusstsein", forderte der Portugiese. "Wenn ein Punkt wichtiger ist als alle anderen, dann ist das die Notwendigkeit, die Brandschutzmauer zu stärken."

Streit um die "Brandschutzmauer"

Doch um diese Brandschutzmauer hat sich ein Streit entwickelt, der in Brüssel für Beunruhigung sorgt. Es geht um die Frage, wie die Schlagkraft der Mittel im Euro-Rettungsfonds gestärkt werden kann, um ein Übergreifen der Krise auf Italien und Spanien zu verhindern, ohne dass die Euro-Länder weitere Milliarden als Garantien zusagen müssen. Frankreich will dem Fonds eine Banklizenz verleihen, damit dieser sich für seine Rettungsmaßnahmen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) bedienen kann. Das lehnt neben der EZB auch Merkel strikt ab. Nachdem bereits über eine Absage des Gipfels spekuliert wurde, hieß es später aus Berliner Koalitionskreisen, dass es dort wohl keine Einigung über den "Hebeltrick" geben werde.

Weitere Knackpunkte sind eine höhere Beteiligung der Banken an der Griechenland-Rettung sowie Kapitalspritzen für Finanzinstitute in Schwierigkeiten. Die Banken sollen nach dem Willen Deutschlands auf mehr nach Athen verliehenes Geld verzichten als bisher vereinbart, von 50 Prozent ist die Rede. Weil dadurch aber französische Finanzinstitute in Schwierigkeiten geraten können, stellt sich in diesem Punkt Sarkozy stur. Angesichts der vielen Probleme sagte Merkel eine für Freitag geplante Regierungserklärung zum Gipfel ab.

Zur Nebensache wird dabei, dass Merkel auch einen Umbau der Euro-Finanzarchitektur vorantreiben will, um kommende Krisen zu verhindern. Dabei sind für die Kanzlerin auch "Vertragsveränderungen kein Tabu", obwohl sich die EU erst vor zwei Jahren eine neue Vertragsgrundlage gegeben hat. Doch die größte Sorge gilt zunächst der Herausforderung, für die drängenden Fragen eine dauerhafte Lösung zu finden. Denn kaum hatten sich die Euro-Länder in den vergangenen Monaten zusammengefunden, um eine Gefahr für ihre Währung abzuwehren, zeigte sich die nächste offene Flanke.

EU-Wirtschaftskommissar Rehn ermahnt große Euro-Staaten

EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn hat Deutschland und Frankreich ermahnt, ihre Meinungsverschiedenheiten über die Bewältigung der Euro-Schuldenkrise beizulegen. "Es ist sehr wichtig, dass Deutschland und Frankreich gut zusammenarbeiten und Fortschritte machen", sagte Rehn dem "Handelsblatt". Zugleich forderte er Italien auf, sein Spar- und Reformprogramm konsequent umzusetzen.

Im deutsch-französischen Streit um die Hebelung des Euro-Rettungsfonds schlug sich Rehn laut Zeitung indirekt auf die Seite Deutschlands. Er habe erkennen lassen, dass er die von Frankreich geforderte Bank-Lizenz für den EFSF für problematisch hält.

(AFP/felt)
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