Milliardenaufträge stehen an So bringt sich die deutsche Rüstungsbranche in Stellung

Düsseldorf · Auch wenn der Anlass denkbar entsetzlich ist: Für die deutschen Rüstungsfirmen könnte der Ukraine-Krieg das Startsignal für florierende Geschäfte sein. Insbesondere nach der Ankündigung der Ampelkoalition, Milliarden in den Ausbau der Bundeswehr stecken zu wollen.

 Das Logo des Rüstungskonzerns Rheinmetall (Symbolbild).

Das Logo des Rüstungskonzerns Rheinmetall (Symbolbild).

Foto: dpa/Federico Gambarini

Rüstungsmanager haben es nicht leicht in der Öffentlichkeit. Wer Waffen entwickelt oder verkauft, geht einem fragwürdigen Geschäft nach - so sehen es viele Bürger. Das Unbehagen war zuletzt so stark, dass sogar Banken auf Distanz gingen zu Firmenkunden aus der Rüstungsbranche und Kredite, Bürgschaften oder Devisengeschäfte verweigerten. Dass zwei Landesbanken gar die Geschäftsbeziehung mit dem Panzer-Hersteller Rheinmetall beendeten, nannte Konzernchef Armin Papperger sehr enttäuschend. Die Branche, so war von diversen Firmenvertretern immer wieder zu hören, bekomme kaum Wertschätzung - obwohl ihre Produkte doch immens wichtig seien, um Freiheit und Demokratie abzusichern.

Nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine könnte sich das Stimmungsbild ändern. Nun sei deutlich geworden, dass die lange Zeit vernachlässigte heimische Rüstungsindustrie unverzichtbar sei für den deutschen Staat, sagt ein Manager, der namentlich nicht genannt werden will. Er fügt mit Blick auf den Ukraine-Krieg hinzu: „Es ist traurig, dass so ein Schock nötig ist für diese Erkenntnis.“

100 Milliarden Euro will die Bundesregierung bereitstellen, um die Bundeswehr besser auszurüsten als bisher. Außerdem sollen dauerhaft zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigung fließen - das Milliarden-Paket soll also keine Eintagsfliege sein. Viel Geld für eine Branche, deren Wachstumsmotor in den vergangenen Jahren doch eher das europäische Ausland oder andere Nato-Staaten waren. Nun bringen sich die Firmen für Extra-Aufträge in Stellung. Zwischen der Industrie und dem Verteidigungsministerium fanden bereits Gespräche statt, um eine Ausweitung des Angebots zu erörtern.

Noch ist es ein frühes Stadium. Klar ist aber: Der Bedarf zieht an, eine Erhöhung der Produktion ist nötig. So hat Rheinmetall im Inland bisher 8000 Beschäftigte in seinem Sicherheitsbereich, bis zu 3000 könnten nach den Worten von Firmenchef Papperger hinzukommen. Das Unternehmen hat dem Bund eine auf einen längeren Zeitraum ausgerichtete Projektliste vorgelegt, die 42 Milliarden Euro kosten soll und Panzer, Munition, Militär-Lkw, Flugabwehr-Türme und andere Güter umfasst. Hierbei geht es teilweise um Neuprodukte und teilweise um die Modernisierung von Bundeswehr-Beständen.

„Wir könnten sofort anfangen zu produzieren, unsere Lager sind gut gefüllt“, sagt Firmenchef Papperger. Bis die benötigten Waffen und Fahrzeuge fertig wären, dauert es aber: Die ersten Munitionschargen könnten in einem Jahr geliefert werden, Radpanzer in eineinhalb und Kettenpanzer in zwei Jahren. Die Projektliste versteht der Manager als „Signal an den Bund, dass wir bereitstehen“. Die Erlöse, die mit den auf der Liste befindlichen Gütern gemacht würden, flössen nicht vollständig in die Kassen von Rheinmetall: 229 Puma-Schützenpanzer für angedachte 3,7 Milliarden Euro kämen von einem Konsortium aus Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann (KMW).

Vergangenes Jahr machte Rheinmetall vorläufigen Zahlen zufolge global 5,66 Milliarden Euro Umsatz. Mit Blick auf den Ukraine-Effekt für die Verteidigungsgeschäfte seiner Firma sagt Papperger: „Mittelfristig sehen wir in Deutschland ein jährliches Potenzial von bis zu zwei Milliarden Euro an zusätzlichem Umsatz, wenn die entsprechenden Beauftragungen erfolgen.“

Andere Firmen hoffen ebenfalls auf mehr Geschäft, sind aber nicht so konkret wie Rheinmetall. Man sei im ständigen Austausch mit Beschaffungsamt, Streitkräften und Bundesregierung, sagt ein Sprecher von Diehl, dessen Verteidigungssparte Werke in Überlingen am Bodensee, im fränkischen Röthenbach und in Nonnweiler im Saarland hat. Die Firma stellt Flugkörper her - also lenkbare Raketen für Kampfflugzeuge und Marineschiffe - sowie Munition für Artillerie und Infanteriewaffen. „Wir arbeiten an ersten Vorschlägen, die mit dem Beschaffungsamt abgestimmt werden“, sagt der Sprecher.

Auch der Rüstungselektronik-Konzern Hensoldt aus Taufkirchen bei München hat dem Bund eine Liste mit Produkten zugesandt, die kurz- oder mittelfristig verfügbar wären. Der Panzerfaust-Hersteller Dynamit Nobel Defence aus Burbach in Nordrhein-Westfalen könnte ebenfalls Extra-Aufträge bekommen, auch der Munitionsfabrikant Ruag Ammotec aus dem fränkischen Fürth und MEN aus Nassau in Rheinland-Pfalz können sich Hoffnungen auf mehr Order machen.

Bei Heckler & Koch könnten ebenfalls zusätzliche Bestellungen eingehen. Seit Russlands Krim-Annexion 2014 habe man die eigenen Produktionskapazitäten bereits „an die erhöhte Nachfrage zahlreicher Nato-Staaten angepasst“, sagt ein Sprecher. „Sollte es kurzfristig einen größeren Bedarf unserer Streitkräfte oder anderer Nato-Länder geben, sind wir in der Lage, mit Industriepartnern in Deutschland und Europa auch kurzfristig Kooperationen einzugehen.“

Ein Thema, das die Branche umtreibt, sind die bisher langwierigen Vergabeverfahren. Der Beschaffungsprozess müsse beschleunigt werden, heißt es in einem Positionspapier von Rheinmetall. „Es müssen in erster Line Direktvergaben an die deutschen Anbieter zum Zuge kommen.“ Europaweite Ausschreibungen würden hingegen Verzögerungen mit sich bringen, „die in der aktuellen Lage nicht tragbar sind“. Andere Firmen argumentieren ähnlich.

Dass sich die wirtschaftlichen Perspektiven der Rüstungskonzerne aufgehellt haben, zeigt ein Blick auf die Börse: Nach dem Beginn des russischen Angriffs schnellte Rheinmetalls Kurs binnen einer Woche um rund 60 Prozent nach oben, bei Hensoldt ging es 80 Prozent rauf. Warburg Research erhöhte das Rheinmetall-Kursziel am vergangenen Montag von 119 auf 150 Euro und zwei Tage später auf 200 Euro. Am Donnerstag lag der Kurs bei 155 Euro. Das Geschäftspotenzial sei viel größer geworden, sagt Analyst Christian Cohrs. „100 Milliarden als Sondervermögen und eine Verstetigung der Rüstungsausgaben auf zwei Prozent der Wirtschaftleistung, das ist eine substanzielle Steigerung.“

(felt/dpa)
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