Thyssenkrupp und Tata Stahlfusion mit Indern rückt näher

Düsseldorf · Tata und Thyssenkrupp loten verschiedene Modelle für einen Zusammenschluss aus. Es wäre der größte Deal in der deutschen Stahlindustrie seit 17 Jahren. Auch am Werk in Brasilien besteht Interesse.

 Das Stahlwerk von ThyssenKrupp in Duisburg (Archiv).

Das Stahlwerk von ThyssenKrupp in Duisburg (Archiv).

Foto: dpa, obe sv dha tmk

Die Gespräche in der Stahlindustrie über einen möglichen Zusammenschluss von Thyssenkrupp Steel mit Teilen der indischen Tata Steel nehmen konkretere Formen an. Nach Informationen unserer Redaktion spielen die Konzerne auf höchster Ebene verschiedene Szenarien für eine Kombination durch.

Eine Variante sieht vor, die europäischen Stahlgeschäfte jeweils ihrem Wert entsprechend an einem Gemeinschaftsunternehmen zu beteiligen und diese Gesellschaft an die Börse zu bringen. Sollte einer der beteiligten Konzerne dann weitere Anteile verkaufen, könne dies über die Börse geschehen, heißt es. Zudem habe Tata Steel auch großes Interesse an dem defizitären brasilianischen Werk von Thyssenkrupp.

Ein Zusammenschluss von Tata Steel Europe mit dem Stahlgeschäft von Thyssenkrupp würde nicht nur den Essener Traditionskonzern von Grund auf verändern, das Geschäft hätte auch Auswirkungen auf die gesamte deutsche Industrie. Von einem Stahlarbeitsplatz hängen einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts RWI zufolge in Deutschland 6,5 weitere Jobs in anderen Branchen ab. Die Folgen wären aber auch europaweit spürbar. In Großbritannien, wo Tata Steel die Werke der früheren British Steel gehören, und in den Niederlanden wären mehr als 10.000 Jobs betroffen. Im Nachbarland betreibt Tata ein profitables Stahlwerk in Ijmuiden, das mit Thyssenkrupp in Duisburg Synergien realisieren könnte.

Thyssenkrupp und Tata Steel wollten sich zu den Gesprächen nicht äußern. "Wir haben diese Berichte gegenüber den Medien nicht kommentiert, weil dazu aus unserer Sicht kein Anlass besteht", heißt es in einem Brief von Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger an die Mitarbeiter. Es sei aber kein Geheimnis, dass "in der derzeitigen Situation eine Konsolidierung der europäischen Stahlindustrie ein möglicher Schritt nach vorne sein kann."

Eine Einigung steht nach Informationen unserer Redaktion nicht unmittelbar bevor - das Geschäft könne jederzeit noch scheitern, heißt es in informierten Kreisen. Eine Option wäre auch eine Dreier-Allianz mit Salzgitter, die Branchenkreisen zufolge noch in die Gespräche einbezogen werden könnte.

Tata Steel und Thyssenkrupp schaffen bereits Fakten für eine Konsolidierung. Dazu zählt der Verkauf der britischen Tata-Werke, die so marode sind, dass Thyssenkrupp dem Vernehmen nach an ihnen kein Interesse hat. Für den Langstahl hat Tata jetzt einen Abnehmer gefunden, und auch der Verkauf des Standorts Port Talbot in Wales ist angelaufen. Der Metallhändler Liberty House soll interessiert sein.

Auch Thyssenkrupp räumt Hindernisse beiseite: Vor wenigen Tagen sicherte sich der Konzern den alleinigen Zugriff auf das Werk in Brasilien. Die Inder kennen die Hütte sehr gut: Tata-Steel-Europe-Chef Hans Fischer war zuvor bei Thyssenkrupp für das Brasilien-Geschäft zuständig.

Gewerkschafter und Politiker sind in die Vorgänge eng eingebunden. Aus Sicht der IG Metall muss es Garantien für Standorte, Arbeitsplätze und die Mitbestimmung geben. Ähnlich äußerten sich Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (beide SPD). "Die Politik tut gut daran, unternehmerische Entscheidungen nicht zu beeinflussen", fügte Kraft jüngst hinzu.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort