Traditionsunternehmen ThyssenKrupp-Hauptsitz wechselt nach Essen

Essen/Düsseldorf (RP). Morgen kehrt Deutschlands traditionsreichster Industriekonzern zu seinen Wurzeln zurück: ThyssenKrupp bezieht seine neue Zentrale in Essen. Es wird der größte Umzug Europas – und er fällt ausgerechnet in die schwerste Krise des Konzerns. Trotzdem hat Essen Grund zum Jubeln.

August Thyssen - ein Globalisierer und sein Werk
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Essen/Düsseldorf (RP). Morgen kehrt Deutschlands traditionsreichster Industriekonzern zu seinen Wurzeln zurück: ThyssenKrupp bezieht seine neue Zentrale in Essen. Es wird der größte Umzug Europas — und er fällt ausgerechnet in die schwerste Krise des Konzerns. Trotzdem hat Essen Grund zum Jubeln.

Große Geschichten erzählt die Weltliteratur gerne als Kreis: Homers Odyssee handelt von einer Heimkehr auf Umwegen. In Wagners Nibelungen kehrt der geraubte Goldschatz am Ende als Ring zu den Rheintöchtern zurück. Morgen weiht ThyssenKrupp in Essen seine neue Konzernzentrale ein. Keinen Steinwurf entfernt von exakt dem Gelände, auf dem Friedrich Krupp vor knapp 200 Jahren mit seiner Gussstahlfabrik den Grundstein für den heutigen Weltkonzern gelegt hat.

Die Rückkehr des Industriegiganten, der das Ruhrgebiet bis in die Wurzeln geprägt hat, in dessen Auf und Ab sich deutsche Wirtschaftsgeschichte spiegelt und dessen Stahl in Form von Kanonen, U-Booten, Rolltreppen, Autos und Aufzügen auch Kulturgeschichte erzählt, diese Rückkehr nach Essen ist von solcher Symbolkraft, dass man in ihr auch die eigentliche Morgengabe der Wirtschaft an die "Kulturhauptstadt Europas" sehen kann, wie Essen sich in diesem Jahr nennen darf.

Düsseldorf bewertet den Weggang des Dax-Riesen freilich anders. Schließlich residierten ThyssenKrupp und Vorgänger schon seit Anfang der 1960er Jahre im Dreischeibenhaus. Wie sehr die Stadt unter dem Weggang von ThyssenKrupp leidet, verriet der grimmige Kommentar, mit dem der damalige Oberbürgermeister Joachim Erwin den 2006 verkündeten Abschied quittierte: Als Gewerbesteurzahler sei der Stahlkonzern kaum wichtiger als eine Pommesbude, was natürlich völlig übertrieben war.

Zehn Jahre lang suchte Essen nach einem Nutzer für die hässliche Brache nördlich des Zentrums, jetzt formten die aus mehr als 100 Bewerbungen ausgewählten Architektenbüros JSWD (Köln) und Chaix&Morel (Paris) daraus einen neuen Stadtteil: 17 Hektar umfasst die Fläche des neuen ThyssenKrupp-Quartiers, weitere 22 Hektar der Krupp-Park daneben — eine Fläche von fast 60 Fußballfeldern. Im Zentrum das Hauptgebäude: Ein Wahrzeichen aus Stahl und Glas. Gebaut als 14-stöckiger Würfel mit einer acht Stockwerke hohen Öffnung in der Mitte. Flankiert wird der Quader von zwei Gebäuden, die weitere Teile der Dreischeibenhaus-Verwaltung aufnehmen. Zusammen mit dem Forum, das neben Gruppenräumen auch einen "Raum der Stille" anbietet, soll das Ensemble der neuen ThyssenKrupp-Zentrale Campus-Charakter haben. In einem möglichen zweiten Bauabschnitt könnte der Campus noch um eine Akademie und ein Hotel ergänzt werden.

ThyssenKrupp betont, dass der 300 Millionen Euro schwere Neubau durch den Verkauf des Dreischeibenhauses in Düsseldorf und weiterer Immobilien gegenfinanziert sei. Ein Signal an die Investoren, denn das vergangene Geschäftsjahr schloss ThyssenKrupp mit einem Milliardenverlust ab.

Wie sich die Zeiten ähneln: Als ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz 1992 — damals war er noch einfacher Vorstand bei Thyssen — eine millionenschwere Rechnung für die Modernisierung des Dreischeibenhauses auf den Tisch bekam, schrieb Thyssen auch gerade seinen ersten Milliarden-Verlust. Damals allerdings noch in D-Mark. Im Nachhinein betrachtet war es aber genau diese Investition, die den Wert des inzwischen denkmalgeschützten Dreisscheibenhauses gerettet hat: Die Käufergruppe, zu der auch die Deutsche-Bank-Tochter Reef gehört, soll seinen Wert auf rund 100 Millionen Euro taxiert haben. Also trug der Verkauf des Dreischeibenhauses allein schon ein Drittel zur Finanzierung des neuen Campus in Essen bei.

(DDP/felt)
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