Stahlbranche Thyssenkrupp ohne Stahl ab 2025 möglich

Essen · Von einem „historischen Meilenstein“ sprach Thyssenkrupp-Chef Hiesinger am Montag, als er Details zur Stahl-Fusion nannte. Drei Aufsichtsräte stimmten aber nicht für Hiesingers Pläne. Der Druck wächst.

„Historischer Meilenstein“ - in der Tat: Der Thyssenkrupp-Chef stellt die Weichen, um ein Kapitel über 200-jähriger Industriegeschichte zu beenden. 1811 wurde Krupp als Gussstahl-Fabrik in Essen gegründet. Seither waren Krupp und Stahl eins. Nun lagert Hiesinger den Stahl mit 27.000 Mitarbeitern in ein Joint Venture aus, in das Tata 21.000 Mitarbeiter einbringt. Die Eigentümer können es an die Börse bringen und versilbern. Thyssenkrupp hat sich nur verpflichtet, die Mehrheit sechs Jahre zu halten. Thyssenkrupp ohne Stahl - früher undenkbar, nun absehbar.

Auf Krisen hat die deutsche Stahlbranche stets mit Fusionen reagiert, bis nur noch wenige übrig blieben. 1973 fusionierten Thyssen und Rheinstahl, 1992 schluckte Krupp den Rivalen Hoesch. 1999 kam es nach einer dramatischen Schlacht zur Megafusion Thyssen und Krupp. Mit Salzgitter kam man nicht zusammen, nun fusionieren die Essener mit den Indern zur neuen Nummer zwei in Europa.

Bei einem Börsengang der „Thyssenkrupp Tata Steel“ sollen die Deutschen 55 Prozent der Erlöse erhalten, Tata 45 Prozent. Das ist das Ergebnis von Nachverhandlungen, die Thyssenkrupp auf Druck des Großaktionärs Cevian erreicht hat. Dies soll der Schwäche der Werke Rechnung tragen, die Tata in die Ehe einbringt (Port Talbot, Ijmuiden). Die geplanten Einsparungen fallen mit 500 Millionen Euro geringer aus als geplant, als von bis zu 600 Millionen Euro die Rede war. Das verstimmte am Montag die Anleger. Die Thyssenkrupp-Aktie fiel um ein Prozent.

Auch für Hiesinger, der 2011 das Steuer in Essen übernommen hat, wird es nicht leichter. Zwei Jahre hat er gebraucht, um den Deal durchzubringen. In der langen Aufsichtsratssitzung am Freitag haben gleich drei der zehn kapitalseitigen Aufsichtsräte nicht für seine Pläne gestimmt: Jens Tischendorf, Vertreter der Großaktionärs Cevian, der 18 Prozent der Thyssenkrupp-Aktien hält, und Ex-Telekom-Chef René Obermann waren dagegen, wie es in Konzernkreisen heißt. Carola Gräfin von Schmettow, Chefin der Düsseldorfer Bank HSBC Deutschland, hat sich demnach enthalten. Die drei sollen unter anderem Zweifel an der Nachhaltigkeit der Pläne haben. HSBC und Thyssenkrupp wollten dazu keine Stellung nehmen. Klar ist: Hiesinger hat seine Pläne nur mit Hilfe der Arbeitnehmerbank durchsetzen können. Die hat im Gegenzug eine Beschäftigungs- und Standortsicherung bis 2026 herausgehandelt. Bis dahin darf es keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Im Joint Venture können mittelfristig bis zu 4000 Stellen wegfallen. Details dazu gibt es noch nicht.

Hiesinger verteidigte seine Pläne: „Wir schaffen etwas Großes.“ Das Joint Venture sei eine Antwort auf die Probleme der Branche: große Überkapazitäten weltweit, US-Schutzzölle, die auch in Europa Arbeitsplätze bedrohten.

Cevian reicht das alles nicht. Die Schweden fordern, auch den Restkonzern (137.000 Mitarbeiter) zu zerschlagen und die Industriesparten (Aufzüge, Anlagenbau, Werften, Wertstoffhandel) auf Effizienz zu trimmen. „Jetzt ist es dringend notwendig, die Gelegenheit zu nutzen, um die erhebliche und andauernde Underperformance der Industriesparten zu beseitigen“, so Cevian. Für jede Sparte müsse konsequent geprüft werden, welche Struktur und Eigentumsverhältnisse am besten seien. „Maßgabe für die Restrukturierung muss die industrielle Logik sein – und nicht Tabus, geschichtliche Entwicklung, Emotionen oder persönliche Ambitionen.“

Und nicht nur Cevian heizt dem Konzernchef ein. „Herr Hiesinger muss schleunigst den Konzernumbau vorantreiben, damit Thyssenkrupp noch vor dem nächsten Konjunkturabschwung wetterfest gemacht wird“, sagte Ingo Speich, Fondsmanager bei Union Investment. Nächste Woche kommt der Aufsichtsrat erneut zusammen, um Hiesingers Pläne für den Restkonzern zu beraten. Es wird erwartet, dass der 58-Jährige ein Sparprogramm auflegt. Laut Konzernkreisen soll es vor allem die Zentrale in Essen treffen. Im Restkonzern sollen nochmal einige Hundert Millionen eingespart werden. Zugleich sucht Thyssenkrupp Käufer - für die Werftentochter und womöglich auch für den Werkstoff-Handel (19.000 Mitarbeiter).

(anh)
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