Düsseldorf Thyssen prüft Teilverkauf von Duisburg

Düsseldorf · ThyssenKrupp prüft einen Teilverkauf der europäischen Stahlsparte, zu der auch die 14.000 Mitarbeiter des Duisburger Stahlwerkes gehören. Derweil machen Gerüchte über einen Einstieg der RAG-Stiftung bei ThyssenKrupp die Runde.

Das ist Gerhard Cromme
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Der angeschlagene Industriekonzern ThyssenKrupp prüft einen Teilverkauf der europäischen Stahlsparte an einen Investor. "Entsprechende Möglichkeiten werden gerade sondiert", heißt es in Aufsichtsratskreisen des Unternehmens. Ein Konzernsprecher wollte sich zu diesem Thema auf Anfrage nicht äußern.

Zur europäischen Stahlsparte von ThyssenKrupp gehört unter anderem das Stahlwerk in Duisburg mit 14.000 Mitarbeitern. Gerüchte über einen bevorstehenden Einstieg der RAG-Stiftung bei ThyssenKrupp wurden gestern hingegen sowohl in Kreisen der Landesregierung als auch von Entscheidern der RAG-Stiftung dementiert.

Konzern braucht Geld

ThyssenKrupp braucht dringend Geld. Nach einem Verlust von fünf Milliarden Euro im Vorjahr, einem kaum noch profitablen Stahlgeschäft in Europa und anhaltenden Verlusten im amerikanischen Stahlgeschäft verdichten sich die Zeichen für eine Kapitalerhöhung. Der Verkauf der amerikanischen Stahl-sparte soll zwar noch in diesem Jahr abgeschlossen werden und Linderung bringen, stockt aber wegen immer neuer Pannen im brasilianischen Stahlwerk und des kleinen Kreises der Interessenten.

Außerdem muss ThyssenKrupp hohe Millionen-Rückstellungen für die Schadensersatzforderungen von den geprellten Kunden des Schienenkartells sowie möglicherweise für einen neuen Kartellskandal im Bereich Autostahl bilden.

Zwar signalisierte Konzernchef Heinrich Hiesinger zuletzt, an der europäischen Stahlsparte festhalten zu wollen. Allerdings sieht er in anderen Konzernbereichen wie etwa dem Anlagen- und Aufzugsbau mehr Entwicklungspotenzial. Sein Problem: Der Konzern hat derzeit weder die Mittel für eine Sanierung der Stahlgeschäfte, noch für größere Investitionen in die Technologie-Sparten.

19 Millionen Euro ein

Das Vorsteuerergebnis (Ebit) der europäischen Stahlsparte brach im ersten Halbjahr um rund 85 Prozent auf 19 Millionen Euro ein. Hiesinger beziffert die Kapitalkosten der Sparte auf 500 bis 600 Millionen Euro im Jahr — laut seiner Strategie muss künftig jede Konzerneinheit zumindest die eigenen Kapitalkosten erwirtschaften. Mit dem Verkauf eines Minderheits-Anteils an der europäischen Stahlsparte — etwa an einen russischen Investor — könnte Hiesinger frisches Geld einsammeln, ohne das Stahlgeschäft komplett abzugeben, was im Konzern als "politisch nicht durchsetzbar" gilt.

Die "Süddeutsche Zeitung" zitierte gestern zu einem möglichen Einstieg der RAG-Stiftung bei ThyssenKrupp einen Vertrauten von RAG-Stiftungs-Chef Werner Müller mit den Worten: "Wenn wir von ThyssenKrupp oder von der Politik zu diesem Schritt gebeten werden, denken wir darüber nach." Die RAG-Stiftung wurde 2007 gegründet, um den Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau und dessen Folgeschäden zu finanzieren.

Engagement der RAG-Stiftung

Ein Einstieg der Stiftung bei ThyssenKrupp würde die Zustimmung der Bundesregierung voraussetzen. Laut Bundeswirtschaftsministerium liegen bis dato keine Anfragen zu einem Engagement der RAG-Stiftung bei ThyssenKrupp vor. Auch in Kreisen der NRW-Landesregierung und bei der RAG-Stiftung weiß man nichts von entsprechenden Gesprächen. Was nicht heißt, dass sie für immer ausgeschlossen sind — es gibt derzeit nur keine Anzeichen dafür.

RAG-Stiftung, Teilverkauf oder Einstieg eines russischen Großinvestors — wie auch immer ThyssenKrupp sein Geldproblem bewältigt: Solange Hiesinger sein Übersee-Problem nicht gelöst hat, wird der Konzern keine strategischen Entscheidungen verkünden. Denn vor der Kulisse des Milliardendebakels in Übersee würde jede auch noch so gute Nachricht verpuffen.

(RP)
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