Schulden setzen Unternehmen unter Druck Thyssen-Krupp verkauft ein Viertel des Konzerns

Düsseldorf (RPO). Drei Monate nach dem Führungswechsel bei Thyssen-Krupp hat der neue Vorstandschef Heinrich Hiesinger einen tiefgreifenden Konzernumbau begonnen. Der frühere Siemens-Manager will die schwächelnde Edelstahlsparte und weitere Bereiche mit einem Umsatz von insgesamt zehn Milliarden Euro abstoßen. Betroffen ist unter anderem das Werk in Krefeld mit 2350 Mitarbeitern. Insgesamt sind rund 35.000 der fast 180.000 Mitarbeiter betroffen.

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Analysten sprachen von einer Revolution bei dem traditionsreichen Mischkonzern, der auch der größte deutsche Stahlkocher ist. Der Aktienkurs schoss am Freitag zeitweise um sieben Prozent in die Höhe.

Die IG Metall fordert von ThyssenKrupp bei dem angekündigten Groß-Umbau einen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen. Das sagte der NRW-Chef der IG Metall, Oliver Burkhard, gegenüber unserer Redaktion. Die Umbaupläne selbst sieht Burkhard derzeit "relativ gelassen". Der in der Nacht zu gestern angekündigte Verkauf von großen Unternehmensteilen sei für die betroffenen Mitarbeiter vor dem Hintergrund der angespannten Schulden-Situation bei ThyssenKrupp auch eine Chance. "ThyssenKrupp selbst ist derzeit nicht zu allen notwendigen Investitionen in der Lage", sagte Burkhard, "deshalb kann ein Eigentümerwechsel auch eine Verbesserung für die Mitarbeiter bedeuten."

Verkäufe sollen Schulden eindämmen

Vorstandschef Hiesinger hatte Ende Januar die Führung vom langjährigen Vorstandschef Ekkehard Schulz übernommen. Der 50-Jährige hatte umgehend angekündigt, alle Bereiche unter die Lupe zu nehmen. Neben den nun geplanten Verkäufen will er das Wachstum in den Schwellenländern vorantreiben und die Schulden zurückfahren.

Nach einer Kostenexplosion bei den von Schulz auf den Weg gebrachten neuen Stahlwerken in den USA und Brasilien steht Thyssen-Krupp mit fast sechs Milliarden Euro in der Kreide. Hiesinger will seine Pläne am 13. Mai dem Aufsichtsrat vorlegen. An demselben Tag veröffentlicht Thyssen-Krupp seine Zahlen zum zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2010/11 (per Ende September).

Nun will sich der Konzern unter anderem von der Edelstahlsparte trennen, zu dem auch das Krefelder Werk Thyssen-Krupp Nirosta gehört. Im Krefelder TKN Werk sind zurzeit 2350 Mitarbeiter beschäftigt. Der Betriebsrat plant eine außerordentliche Belegschaftsversammlung im Seidenweberhaus, erklärte Betriebsratsmitglied Norbert Kalwa auf Anfrage unserer Redaktion. Zuletzt plante Thyssen-Krupp Nirosta seinen Produktionsstandort von Düsseldorf-Benrath nach Krefeld zu verlagern.

Außerdem will der Konzern bestimmte Aktivitäten im Autozuliefergeschäft verkaufen und plant die Zusammenlegung der Fahrwerk-Geschäfte der Bilstein-Gruppe und der Presta Steering mit Niederlassungen unter anderem in Düsseldorf.

Arbeitnehmervertreter sehen Chancen für Edelstahlgeschäft

Bei der Edelstahlsparte will Thyssen-Krupp alle Optionen für eine Weiterführung außerhalb des Konzerns prüfen. "Mit der Trennung von Thyssen-Krupp soll der europäische Markt- und Qualitätsführer im Edelstahlgeschäft eigenständig werden", hieß es. Die unter starken Preisschwankungen leidende Sparte hatte mehrfach das Ergebnis von Thyssen-Krupp verhagelt.

Das Geschäft mit 11.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von knapp sechs Milliarden Euro hatte zuletzt wieder schwarze Zahlen geschrieben. Seit längerem wird eine Konsolidierung des Edelstahlgeschäfts erwartet. "Jeder spricht mit jedem", hatte Schulz stets erklärt. Der weltgrößte Stahlkonzern Arcelor-Mittal hat seine Edelstahltochter Aperam an die Börse gebracht. Weitere Konkurrenten sind Acerinox aus Spanien und die finnische Outokumpu.

Bei Arbeitnehmervertretern stießen die Pläne für die Sparte keineswegs auf Ablehnung. "Es gibt gute Chancen, das in eine gute Richtung zu bringen", sagte ein Mitglied des Aufsichtsrats der Edelstahltochter der Nachrichtenagentur Reuters. "Das Geschäft ist ein gutes Asset."

Analysten: Das ist eher eine Revolution als eine Evolution

Die Pläne Hiesingers gingen weit über das hinaus, was erwartet worden war, erklärten Analysten. "Das ist eher eine Revolution als eine langsame Evolution, die wir erwartet hatten", hieß es in einem Marktkommentar von Credit Suisse. "Weitere Schritte zum Umbau des Unternehmens waren von den Analysten zwar erwartet worden, aber sicherlich nicht in dem Ausmaß", sagte auch ein Börsianer.

Hiesinger kündigte unter anderem an, die US-Eisengusstochter Waupaca, das Geschäft mit Spezialblechen (Tailored Blanks) sowie mit Autoteilen in Brasilien zu verkaufen. Die Fahrwerkgeschäfte der Bilstein-Gruppe und der Tochter Presta Steering sollen gebündelt und möglicherweise veräußert werden.

Thyssen-Krupp hat sich bereits in den vergangenen Jahren von diversen Geschäfte mit Autoteilen getrennt. Zudem hat sich Thyssen-Krupp weitgehend aus dem zivilen Schiffbau zurückgezogen. Es wird erwartet, dass Hiesinger nun dem Technologiegeschäft gegenüber dem Stahlgeschäft eine stärkere Rolle zuweist. Das hoch profitable Geschäft mit Aufzügen will er durch Zukäufe vorantreiben.

(RP/RTR/rm)
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