Nach zahlreichen Unfällen bei Tesla Woidke fordert von Tesla Aufklärung zu Arbeitsunfällen und Havarien

Update | Berlin/Grünheide/Potsdam · Nach einem Bericht über zahlreiche Arbeitsunfälle und Umwelt-Havarien bei US-Autobauer Tesla äußert sich Brandenburgs Regierungschef Woidke in bisher ungewohnt deutlicher Form. Auch über einen Untersuchungsausschuss im Landtag wird diskutiert.

Dietmar Woidke (l, SPD), Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD) und Elon Musk nehmen an der Eröffnung der Tesla-Fabrik Berlin Brandenburg am 22. März teil.(Symbolbild)

Dietmar Woidke (l, SPD), Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD) und Elon Musk nehmen an der Eröffnung der Tesla-Fabrik Berlin Brandenburg am 22. März teil.(Symbolbild)

Foto: dpa/Patrick Pleul

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat US-Elektroautobauer Tesla nach einem Bericht über gehäufte Arbeitsunfälle und Umwelt-Havarien zu mehr Transparenz aufgerufen. „Tesla muss diese Vorwürfe aufklären, und zwar restlos. Tesla muss Transparenz herstellen“, sagte Woidke dem „Tagesspiegel“ (Freitag/online). „Die Kommunikation muss besser werden, die Transparenz.“

In der Tesla-Fabrik in Grünheide bei Berlin ereigneten sich seit 2021 nach Angaben des Brandenburger Sozialministeriums sieben schwere Arbeitsunfälle. Das Ministerium stufte die Zahlen nicht als ungewöhnlich ein und verwies auf regelmäßige Kontrollen. Der „Stern“ berichtete von auffallend vielen meldepflichtigen Arbeitsunfällen zwischen Juni und November 2022. Seit der Eröffnung im März 2022 gab es nach Angaben des Landesumweltamts außerdem 26 Umwelt-Havarien. Das Unternehmen hatte Bedenken zurückgewiesen.

Woidke wies den Vorwurf mangelnder Kontrollen zurück, sieht aber noch Potenzial für eine Steigerung. „Wir haben ein engmaschiges Kontrollnetz. Es ist nicht so wie suggeriert, dass es irgendwelche Sonderregelungen gäbe, angeblich kaum Kontrollen. Das Gegenteil ist der Fall“, sagte der Regierungschef. „In den letzten Wochen und Monaten hat sich da schon einiges getan. Dass noch mehr getan werden muss, liegt offensichtlich auf der Hand.“ Tesla hat nach jüngsten Angaben des Unternehmens derzeit rund 11 000 Beschäftigte.

 Der Haupteingang zur Fabrik der Tesla Gigafactory Berlin Brandenburg in Grünheide (Archivfoto).

Der Haupteingang zur Fabrik der Tesla Gigafactory Berlin Brandenburg in Grünheide (Archivfoto).

Foto: dpa/Patrick Pleul

Die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtags hat derzeit keine Aussicht auf Erfolg. Obwohl sich die AfD und die Freien Wähler grundsätzlich offen für den Vorschlag von Linksfraktionschef Sebastian Walter zeigen, lehnen die beiden weiteren Oppositionsfraktionen einen Ausschuss vor der Landtagswahl 2024 ab.

Brandenburgs Sozialministerium hält die Zahl schwerer Unfälle im Vergleich der Arbeitsschutzkontrollen nicht für ungewöhnlich. „Gerade vor dem Hintergrund der Betriebsgröße – dem größten Industriestandort von Brandenburg – ist das für uns ein normales Geschehen“, sagte Ministeriumssprecher Gabriel Hesse der Deutschen Presse-Agentur. „Wir haben keine Hinweise, dass hier übermäßig viele Arbeitsschutzverstöße vorfallen.“ Tesla werde regelmäßig kontrolliert. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte dem „Stern“ auf die Frage nach den Unfällen, dies sei ihm nicht unbekannt, er verwies aber auf Tesla.

Nach Angaben der Berufsgenossenschaft Holz und Metall traten 2022 statistisch bei Auto- und Autoteilherstellern 16 meldepflichtige Unfälle bei 1000 Beschäftigten auf. Tesla meldete im Mai 2022 mehr als 4000 Beschäftigte. Für diese Mitarbeiterzahl läge die statistische Zahl meldepflichtiger Unfälle der Branche bei 64 – deutlich weniger als im „Stern“-Bericht. Die Genossenschaft nannte keine Zahlen und betonte, nicht alle Unfälle könnten dem Unternehmen zugeordnet werden. Auch seien die Betriebe unterschiedlich groß.

Die Gewerkschaft IG Metall sprach von Missständen. „Wir sind schon seit längerem besorgt über die Arbeitssicherheit bei Tesla in Grünheide“, sagte der Bezirksleiter für Berlin, Brandenburg und Sachsen, Dirk Schulz. Dem „Stern“ sagte er: „Ich habe die größte Sorge, dass irgendwann jemand zu Tode kommt.“

Ein schwerer Arbeitsunfall liegt bei Verletzungen mit voraussichtlich mehr als sechs Wochen stationärer Behandlung oder bleibendem Körperschaden mit Anspruch auf Unfallrente vor. Meldepflichtig ist ein Arbeitsunfall, wenn Beschäftigte mehr als drei Tage arbeitsunfähig sind oder getötet werden.

Zu den 26 Umwelt-Havarien zählen ausgetretene Stoffe wie 15 000 Liter Lack, 13 Tonnen Aluminium sowie 50 und 150 Liter Diesel. Das geht aus Daten des Landesamts für Umwelt hervor, über die der „Stern“ berichtete und die auch der dpa vorliegen. Bei den Vorfällen handelt es sich laut Behörde um Betriebsstörungen, nicht um Störfälle im Sinn der Störfallverordnung. Ein Teil des Geländes liegt im Wasserschutzgebiet.

Tesla räumte ein, dass es auf dem Fabrikgelände während der Bauarbeiten und seit der Inbetriebnahme mehrere Vorfälle gegeben habe. Bei keinem Vorfall habe es sich aber um einen Störfall nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz gehandelt, bei keinem Vorfall sei es zu Umweltschäden gekommen, heißt es bei dem Unternehmen. Wenn nötig, seien Korrekturmaßnahmen umgesetzt worden.

Der Leiter Ökosysteme am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Martin Pusch, sprach von einer grundsätzlich hohen Gefährdung mit Blick auf das Trinkwasser. „Es ist ein hohes Risiko der Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung aufgrund der geringen Rückhaltekapazität des Untergrunds“, sagte Pusch der dpa.

Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) räumte auf Anfrage des „Stern“ ein, dass Probleme auf dem Werksgelände aufgetaucht seien, sah aber keine Gefahr. Auf die Frage, ob er ausschließen könne, dass das Grundwasser unter der Fabrik verseucht ist, sagte er laut „Stern“: „Kann ich ausschließen. Die Überwachung funktioniert.“

Tesla stellt seit März 2022 in Grünheide Elektroautos her. Umwelt- und Naturschützer sehen Gefahren. In der Fabrik arbeiten nach Angaben des Unternehmens rund 11 000 Mitarbeiter, die hochgerechnet etwa 250 000 Fahrzeuge im Jahr herstellen. Tesla will das Werk ausbauen.

Dieser Artikel wurde aktualisiert.

(kalux/clv/AFP/dpa)
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