Vermisster Tengelmann-Chef Familie sieht keine Überlebenschance mehr für Haub

Mülheim an der Ruhr · Fast eine Woche wurde in einem Skigebiet am Matterhorn fieberhaft nach Karl-Erivan Haub gesucht - ohne Ergebnis. Nun geht seine Familie nicht mehr davon aus, den Tengelmann-Chef noch lebend zu finden.

 Karl-Erivan Haub (Archivbild von 2015).

Karl-Erivan Haub (Archivbild von 2015).

Foto: dpa, rwe lof wst

Die Familie Haub hat die Hoffnung aufgegeben, den vermissten Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub noch lebend zu finden. Nach mehr als sieben Tagen "in den extremklimatischen Bedingungen eines Gletschergebietes" bestehe keine Überlebenswahrscheinlichkeit mehr, teilte Tengelmann am Freitag im Namen der Familie mit. "Daher wurde mit dem heutigen Tage die Überlebendensuche auf eine Bergungssuche umgestellt." Tengelmann-Sprecherin Sieglinde Schuchardt sagte: "Dieses Unglück ist sowohl für die Familie Haub, als auch das gesamte Familienunternehmen eine furchtbare und für alle unfassbare Tragödie."

In einem Brief wandte sich Christian Haub, der zusammen mit seinem vermissten Bruder das Unternehmen führt, an die Mitarbeiter: "Auch wenn wir die Hoffnung nicht aufgegeben haben, ihn zu finden, müssen wir uns inzwischen leider auf das Schlimmste einstellen", heißt es in dem Schreiben vom Freitag, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. "Ihnen dies sagen zu müssen, fällt mir sehr schwer, denn mir ist sehr bewusst, dass auch Sie der Situation fassungslos und persönlich betroffen gegenüberstehen." Sorgen wolle Christian Haub den Mitarbeitern aber nehmen: "Unser Familienunternehmen ist solide aufgestellt und verfügt über ein stabiles und erfahrenes Führungsteam."

Haub war am vergangenen Samstagmorgen allein zu einer Skitour am Klein Matterhorn in der Schweiz aufgebrochen und am Nachmittag nicht wie verabredet in ein Hotel in Zermatt zurückgekehrt. Mit einer Seilbahn war der Manager am Morgen zur Bergstation gefahren, die auf 3820 Metern liegt. Von dort aus gibt es Abfahrten Richtung Zermatt und Italien. In welche Richtung er aufbrach, ist unbekannt. Gegen 8.30 Uhr sendete sein Handy das letzte Signal. Seine Spur verlor sich.

Seine Familie hatte am nächsten Morgen Alarm geschlagen und den Rettern unbegrenzte finanzielle Mittel für die Suche zur Verfügung gestellt. Die gestaltete sich vor allem wegen des Wetters allerdings schwierig. Zeitweise waren 60 Rettungskräfte auch mit Hubschraubern in dem schwierigen Terrain auf Schweizer und italienischer Seite im Einsatz. In der Region gibt es Tausende Gletscherspalten, teils Hunderte Meter tief. Die Einsatzkräfte seilten sich in die bekanntesten Spalten ab und leuchteten sie aus. Doch von Haub gab es zunächst keine Spur.

Bereits nach vier Tagen sah der leitende Rettungsarzt Axel Mann nur noch eine minimale Überlebenschance. Haub war nur leicht bekleidet. Er wollte für ein Skirennen trainieren. Die Familie betonte am Freitag, die Suche werde fortgesetzt, um Karl-Erivan Haub unbedingt zu bergen. Das Familienunternehmen übernehme auch dafür alle anfallenden Kosten. Das Vermögen der Unternehmerfamilie wurde zuletzt vom "Manager-Magazin" auf rund 4,2 Milliarden Euro geschätzt. Zu dem Familienimperium gehören unter anderem Deutschlands größter Textil-Discounter Kik und die Baumarktkette Obi.

"Jetzt ist der Zeitdruck weg"

Eine Bergungssuche unterscheidet sich von einer Suche nach Überlebenden vor allem im Bezug auf das Risiko, das die Retter eingehen, wie der Zermatter Rettungschef Anjan Truffer erläuterte. "Wir waren in den vergangenen Tagen sicher oft am Limit unterwegs", sagte Truffer. "Jetzt ist der Zeitdruck weg. Wenn das Wetter schlecht ist, riskiert man nichts. Dann wartet man, bis die Lage sich gebessert hat." Bei einer Bergungssuche kommen auch nur noch vereinzelt Hubschrauber zum Einsatz, etwa um Suchtrupps in abgelegene Regionen zu transportieren.

"Wir haben das gesamte Gebiet ja bei inzwischen bestem Wetter mehrmals abgeflogen und keine Spur gefunden", sagte Truffer weiter. "Man muss jetzt eher in die Tiefe gehen." Beispielsweise würden weitere Gletscherspalten in Augenschein genommen. Die größten waren in den vergangenen Tagen bereits abgesucht worden. Dabei haben sich Retter unter teils prekären Bedingungen in die Spalten abgeseilt und mit Taschenlampen und Lawinensuchgerät nach Lebenszeichen geschaut.

(wer)
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