Nach US-Flop Telekom vergeht die Lust aufs Abenteuer

Frankfurt (RPO). Die Deutsche Telekom verabschiedet sich mit einem Paukenschlag aus den USA: Für 28 Milliarden Euro verkauft der Bonner Konzern seine kriselnde Tochter T-Mobile USA an den Mobilfunkriesen AT&T. Telekom-Chef Rene Obermann will die einstige Behörde nun auf Europa konzentrieren und stabiler machen.

Mit dem Ende des vor zehn Jahren von Ex-Chef Ron Sommer gestartet US-Abenteuers beseitigt Obermann einen großen Unsicherheitsfaktor. Die Telekom-Aktie legte daraufhin am Montag kräftig zu, Analysten zeigten sich erleichtert: "Eine kleinere Telekom ist mir lieber als eine große, die den Bach runter geht", sagte Commerzbank-Telekomanalystin Heike Pauls.

Rückläufige Kundenzahlen und eine lange Zeit schlechte Netzabdeckung hatten aus dem einstigen Wachstumsmotor T-Mobile USA in den vergangenen Jahren einen Sanierungsfall gemacht, den die Telekom nun los ist. Anleger griffen deshalb begeistert zur T-Aktie - durch den Kurssprung um bis zu 16 Prozent auf 11,15 Euro wuchs der Wert des Konzerns um fast sieben Milliarden Euro. Das entspricht in etwa dem gesamten Börsenwert der Lufthansa. Die T-Aktie verbuchte das größte Tagesplus seit dem Börsengang 1996. "Der Deal kam überraschend, jedoch im positiven Sinne", sagte Fondsmanager Stephan Thomas von Frankfurt Trust, der den FT Frankfurt-Effekten Fund verwaltet, der 8,5 Millionen Telekom-Aktien hält.

Telekom schrumpft sich "glücklich"

Die Konzernspitze will nach dem Ziehen der Reißleine in den USA nun auf sicherem Terrain bleiben. Mit einer wesentlich kleineren Telekom kann Finanzchef Timotheus Höttges nach eigenen Angaben gut leben: "Schiere Größe allein ist kein erstrebenswertes Ziel für ein Unternehmen." Im US-Markt erzielte die Telekom bislang ein Viertel des Gesamtumsatzes.

Der Finanzchef kündigte an, dass sich der Konzern auf Europa beschränke und keinen Sprung in wachstumsstarke Schwellenländer plane. "Wir haben keine Pläne, nach Afrika oder Asien vorzustoßen." Vielmehr wolle der Konzern den neu gewonnenen finanziellen Spielraum nutzen, um seine Position in seinen 14 europäischen Märkten zu verteidigen, sagte Höttges in einem Interview mit Reuters Insider TV. Ganz oben auf der Agenda stehe dabei der Ausbau der Infrastruktur, sowohl im Mobilfunk als auch im Festnetz. Zudem wolle die Telekom beispielsweise mit neuen Anwendungen wie Speicher- und Rechendiensten im Internet - dem sogenannte Cloud Computing - punkten. "Das alles werden wir vorantreiben und da wird der Schwerpunkt unserer Investitionen liegen", erläuterte der Manager.

Gute Wachstumschancen sieht Höttges darüber hinaus in Süd- Osteuropa aus. Die Telekom hat dort bereits Töchter, die allerdings unter der angespannten Wirtschaftslage in der Region leiden. Vor allem im Griechenland-Geschäft von OTE läuft es nicht gut. Hier könnte die Telekom ihren neuen Spielraum nutzen und ihre Position in Märkten stärken, in denen sie bereits vertreten ist, sagte Analystin Pauls.

Mit dem Geld von AT&T - "offensichtlich hat man einen guten Preis erzielt", erklärte Fondsmanager Thomas - will die Telekom ihre Schulden um etwa 13 Milliarden Euro verringern. Rund fünf Milliarden Euro sind für den Rückkauf eigener Aktien eingeplant. Mehr Dividende sollen die Aktionäre nicht erhalten, auch an der Geschäftsprognose für dieses Jahr ändern die Bonner nichts. Gleichzeitig will die Telekom als AT&T-Teilhaber weiter am stark wachsenden US-Geschäft mit dem mobilen Internet teilhaben.

180-Grad-Wende

Mit dem Verkauf vollzieht die Telekom eine 180-Grad-Wende. Noch im Dezember hatten Telekom-Vorstände beteuert, T-Mobile USA aus eigener Kraft wieder flottmachen zu wollen. Noch im Januar hatten Obermann und sein neuer US-Chef Philipp Humm Journalisten und Analysten versammelt und ihnen ihre neue Strategie für die USA vorgestellt: Kostensenkungen und vielleicht sogar Allianzen mit anderen Netzbetreibern sollten die Wende bringen. Dass die Telekom mit dem Verkauf der Geschäfte nun alle überrascht hat, freut Höttges: "AT&T hatte keiner auf dem Radar."

Auf dem einstigen Boommarkt USA kämpfte der deutsche Branchenprimus seit einigen Jahren mit Gegenwind. Mit rund 33 Millionen Kunden rangierte T-Mobile USA abgeschlagen an vierter Stelle, während die großen Konkurrenten wie AT&T mit exklusiven Handys wie dem iPhone von Apple und kleinere Anbieter mit Discount-Preisen neue Kunden gewinnen. Schmerzlich war auch, das T-Mobile USA ihr Netz zu spät für schnelle Datenübertragungen aufgerüstet hatte - darunter litt der Ruf bis heute erheblich. Zudem stand ein milliardenteurer Netzausbau an, der die Telekom-Aktionäre auf die Barrikade trieb. Großaktionär DWS, eine Fondstochter der Deutschen Bank, hat die Ausbaupläne vor einem Jahr als zu riskant und teuer kritisiert.

Die Wettbewerbsbehörden in den Vereinigten Staaten müssen dem Deal noch zustimmen, weshalb das Geschäft erst in einem Jahr abgeschlossen sein dürfte. Die Telekom wurde bei dem Geschäft von der Deutschen Bank, der Credit Suisse und Morgan Stanley beraten.

(RTR/felt)
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