Entwurf von Ministerin Nahles zur Tarifeinheit Ein Gesetz gegen Weselskys Lokführer

Berlin · Künftig soll in einem Betrieb für eine Berufsgruppe nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft gelten, der die meisten Beschäftigten angehören. Kleinere Gewerkschaften klagen gegen das Tarifeinheits-Gesetz vor dem Verfassungsgericht.

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Foto: dpa, rwe htf

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will Macht und Einfluss kleinerer Spartengewerkschaften wie der Lokführer-Vertretung GDL durch ein Gesetz zur Wiederherstellung der Tarifeinheit eindämmen. Im Streitfall wie derzeit bei der Deutschen Bahn soll für eine Berufsgruppe nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gelten. Zwei konkurrierende Tarifverträge in einem Betrieb für dieselbe Berufsgruppe solle es künftig nicht mehr geben, sagte Nahles am Dienstag in Berlin. Ihr Gesetzentwurf geht in dieser Woche in die Abstimmung mit den anderen Ministerien und am 3. Dezember ins Kabinett. Der Bundestag soll den Entwurf bis spätestens Mitte 2015 verabschieden.

Für die Bahn kommt das Gesetz im aktuellen Konflikt mit der GDL zwar voraussichtlich zu spät. Doch bei späteren Streiks hätte die GDL durch das neue Gesetz schlechtere Karten: Sie könnte dann nicht mehr mit der Begründung in den Ausstand ziehen, sie wolle auch für die bei ihr organisierten Zugbegleiter bessere Bedingungen in einem eigenen Tarifvertrag erstreiten. Denn in der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG sind mehr Zugbegleiter organisiert als in der GDL. Nach dem neuen Mehrheitsprinzip hätte die GDL damit keinen Anspruch mehr auf einen eigenen Tarifvertrag für die Zugbegleiter.

Kleinere Gewerkschaften sehen Grundrecht auf Streiks gefährdet

Der Grundsatz der Tarifeinheit, der bedeutete, dass in einem Betrieb für eine Berufsgruppe nur ein Tarifvertrag gelten kann, hatte in Deutschland jahrzehntelang Bestand. Er war jedoch Mitte 2010 vom Bundesarbeitsgericht gekippt worden, weil die Richter in der Tarifeinheit eine unzulässig starke Einschränkung der Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmervertreter sahen.

Nach dem Urteil nahm die Zahl der Streiks von mächtigen Spartengewerkschaften deutlich zu. Vor allem die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) forderte daraufhin von der Bundesregierung die Neufassung der Tarifeinheit. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte den Arbeitgebern ein solches Gesetz bereits 2011 versprochen, wegen verfassungsrechtlicher Probleme war das Projekt bislang aber nicht zustande gekommen. Zusammen mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund hatte die BDA das Mehrheitsprinzip schon vor Jahren vorgeschlagen. Hintergrund: Die neue Regel stärkt die großen gegenüber den kleinen Gewerkschaften.

Die sehen nun ihr Grundrecht auf Streiks durch das Gesetz gefährdet. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund kündigte eine Verfassungsbeschwerde an. "Wenn nur der Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft gültig ist, dann sind alle Beschäftigten im Betrieb an die Friedenspflicht dieses Tarifvertrages gebunden", sagte Marburger-Bund-Chef Rudolf Henke.

Nahles hält Entwurf für verfassungskonform

Es spiele keine Rolle, ob diese Konsequenz der Tarifeinheit explizit im Gesetz stehe oder nicht. "Ein Arbeitskampf darf sich nach oberster Rechtsprechung immer nur auf die Durchsetzung eines tariflich regelbaren Ziels richten, also den Abschluss eines Tarifvertrages", sagte Henke, der zugleich CDU-Bundestagsabgeordneter ist. "Ich gehe davon aus, dass ein Arbeitsgericht beim ersten Konfliktfall das Bundesverfassungsgericht anrufen wird", sagte auch Klaus Dauderstädt, Chef des Beamtenbundes, der Dach-Organisation der GDL.

Nahles dagegen hält ihren Gesetzentwurf für verfassungskonform. Er sei eingehend vom Justiz- und vom Innenministerium geprüft worden. Im Konfliktfall müsse ein unabhängiger Notar prüfen, welche Gewerkschaft bezogen auf eine Berufsgruppe in einem Betrieb die meisten Mitglieder habe, sagte Nahles. Auch die Frage, was überhaupt ein Betrieb sei, sei oft strittig. Hier sei die Struktur maßgeblich, die sich ein Unternehmen selbst gibt. Die Bahn etwa sei mit rund 1500 Einzelbetrieben sehr zersplittert. Es sei am Konzern selbst, die Betriebe zu "Konglomeraten" zusammenzufassen, um weniger streikanfällig zu werden.

(mar)
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