Neue Studie Fachkräftemangel in Deutschland wird bedrohlich

Berlin · Laut Studie fehlen im Jahr 2030 den Betrieben drei Millionen Beschäftigte. Für die Hälfte der Firmen gehört der Mangel bereits zu den "größten Geschäftsrisiken". Die Industrie appelliert an die Schulen.

 In der Pflege fehlen schon 70.000 Kräfte.

In der Pflege fehlen schon 70.000 Kräfte.

Foto: dpa

Deutschland steuert auf eine für die Wirtschaft gefährliche Fachkräftelücke zu. Den Mangel an geeignetem Personal sieht mittlerweile die Hälfte der Unternehmen als eines ihrer "größten Geschäftsrisiken", sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, unserer Redaktion. Nach einer Studie des Basler Forschungsinstituts Prognos wird die Fachkräftelücke bis 2030 auf drei Millionen wachsen, bis 2040 sogar auf 3,3 Millionen.

Gesucht würden Arbeitskräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung und Hochschulabsolventen, ungelernten Kräften droht dagegen das Abrutschen in die Arbeitslosigkeit. Als Hauptgrund für den drohenden Mangel führt Prognos die zunehmende Überalterung der deutschen Gesellschaft an. Umgekehrt würden auf einfachen Berufsfeldern Arbeitsplätze durch Digitalisierung und Automatisierung ersetzt.

Extreme Personalprobleme

"Die Herausforderung bleibt riesengroß", sagte Arbeitsministerin Andrea Nahles zu den Ergebnissen eines Regierungsberichtes zur Fachkräftesicherung. Danach können in Gesundheits-, Pflege- und technischen Berufen in einzelnen Regionen offene Stellen heute schon nicht mehr besetzt werden. Auf dem Feld der Mechatronik ist NRW das einzige Bundesland ohne drohende Engpässe. Alle anderen Bundesländer weisen Anzeichen oder schon akuten Fachkräftemangel aus.

Wie aus dem Fachkräftemonitor der IHK NRW hervorgeht, werden im Jahr 2030 vor allem der Dienstleistungssektor sowie das Gesundheits- und Sozialwesen extreme Personalprobleme bekommen. Bei wirtschaftsnahen Dienstleistungen wie Ingenieurbüros, Anwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften könnten die Arbeitgeber 2030 demnach 21,5 Prozent ihrer Stellen nicht besetzen. Die durchschnittliche Vakanz bis zur Neubesetzung einer Stelle stieg binnen zwei Jahren von 90 auf 100 Tage. Wenn 140 Tage lang keine geeignete Fachkraft zu finden ist, spricht die Arbeitsagentur von erkennbaren Engpässen. Bei Programmierern in NRW liegt die Vakanz bei 164 Tagen.

Prognos empfiehlt eine Bildungsoffensive für mehr Berufsabschlüsse und effektive Weiterbildung. Eltern sollten nach der Babypause leichter in den Beruf zurückkehren können, Ältere zum längeren Arbeiten motiviert werden. Bei jährlich 200.000 Zuwanderungen ließe sich die Lücke damit um zwei Millionen verringern.

70.000 Pflegekräfte fehlen bereits

Verdi-Chef Frank Bsirske warnte vor einem enormen Fachkräftemangel in Sozial- und Erziehungsdiensten. Es fehlten bereits 70.000 Pflegekräfte. "Deshalb kommt es darauf an, dass Arbeitgeber für die Mangelberufe gute Arbeitsbedingungen schaffen und tariflich abgesicherte und angemessene Löhne zahlen", sagte der Gewerkschaftsvorsitzende unserer Redaktion.

Zur Fachkräftesicherung müssten alle - auch die Wirtschaft selbst - mehr unternehmen, unterstrich DIHK-Präsident Schweitzer. "Wir müssen Schulabgängern noch attraktivere Angebote machen, damit sich weniger Menschen in ein Studium verirren, die in einem praktischen Beruf mit tollen Aufstiegsmöglichkeiten bessere Perspektiven hätten", erklärte Schweitzer. Schweitzer appellierte zudem an die Schulen. Gerade Lehrer sollten nicht nur Chancen des Studiums aufzeigen, sondern auch für eine duale Ausbildung begeistern. Insbesondere Gymnasien müssten noch stärker Kooperationen mit Betrieben eingehen und ihren Schülern frühzeitig Praktika ermöglichen.

(may-, qua)
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