Milliarden-Überschüsse Streit um Krankenkassen-Reserven

Berlin · Viele gesetzliche Krankenkassen haben hohe Überschüsse angehäuft, doch ihren Versicherten wollen sie keine Prämien auszahlen. Während Ökonomen nun eine Beitragssenkung fordern, will der Bundesfinanzminister lieber den Steuerzuschuss für die Krankenversicherung kürzen.

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Foto: AOK Mediaservice

Trotz schlechterer Konjunktur wird die gesetzliche Krankenversicherung nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) auch im laufenden und im kommenden Jahr weitere Milliardenüberschüsse anhäufen. Im laufenden Jahr dürfte der Überschuss 5,7 Milliarden Euro, im kommenden Jahr nochmals 1,8 Milliarden Euro betragen, errechnete IfW-Finanzexperte Alfred Boss. Insgesamt verfügten die Kassen Ende 2013 dann über deutlich mehr als 20 Milliarden Euro an Rücklagen. Allein in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres hatten die Kassen bereits 10,6 Milliarden Euro Überschuss erwirtschaftet. Experten rechnen mit einem Gesamtüberschuss 2011 von 16 Milliarden.

Die hohen Reserven wecken Begehrlichkeiten. In einem Interview mit unserer Zeitung hatte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) die Kassen aufgefordert, häufiger von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch zu machen, den Versicherten Beiträge zurückzuerstatten. Bislang tun dies nur sieben eher kleine Kassen, insgesamt wären nach Experteneinschätzung jedoch 30 Kassen dazu in der Lage. Die Kassen wiesen die Aufforderung Bahrs umgehend zurück: Sie müssten sich für eine unsichere Zukunft wappnen, schlechtere Zeiten stünden ihnen bevor.

Eher unfreiwillig machte Bahr den Bundesfinanzminister auf den Geldspeicher Krankenversicherung aufmerksam: Wolfgang Schäuble (CDU) will nun schon im laufenden Jahr einmalig den Steuerzuschuss für die Krankenversicherung um zwei bis vier Milliarden Euro kürzen. Bisher sollten 14 Milliarden Euro aus dem Steuersäckel in den Gesundheitsfonds fließen, aus dem die Kassen ihr Geld bekommen. "Der Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung hat sich in den vergangenen Jahren in einem Maße entwickelt, der ordnungspolitisch schwer zu vertreten ist", sagte Schäuble. Die Milliardenüberschüsse kommen ihm gerade recht, um zu kürzen.

Der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle plädierte dafür, den Steuerzuschuss für die Krankenversicherung nicht nur einmalig, sondern dauerhaft zu kürzen. "Es ist nicht sinnvoll, wenn der Fonds über deutlich mehr Reserven als gesetzlich erforderlich verfügt und diese über eine höhere Neuverschuldung des Bundes finanziert werden", sagte Barthle.

CDU-Fachpolitiker wie Jens Spahn sehen das anders. Der Steuerzuschuss sei für die versicherungsfremden Leistungen da, etwa für Leistungen für Schwangere oder die kostenlose Familienmitversicherung. "Wer da kürzen will, muss auch sagen, welche dieser Leistungen er streichen will", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Er unterstützte dagegen den Vorstoß Bahrs: "Viele Krankenkassen schwimmen derzeit im Geld. Sie sollten ihre Versicherten an der guten Entwicklung teilhaben lassen und Prämien ausschütten." Diese könnten bei einigen Kassen 30, 50 oder 60 Euro pro Jahr betragen.

IfW-Ökonom Boss fordert dagegen ebenso wie die Wirtschaftsverbände, den Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung zu senken. Eine Senkung des Satzes von derzeit 15,5 auf 15 Prozent wäre "durchaus möglich", sagte Boss dem "Handelsblatt". Dadurch würden die Beitragszahler um 5,5 Milliarden Euro pro Jahr entlastet.

(RP/jre/top)
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