Behörden müssen Millionen erstatten Steuerbescheid: Jeder zweite Einspruch lohnt

Berlin (RP). Das Steuerrecht wird immer komplizierter. Die unklare Rechtslage und Fehler in den Finanzämtern führen zu nachträglichen Korrekturen von Steuerbescheiden. Eine Überprüfung des Steuerbescheids kann bares Geld wert sein: Fast jeder zweite Einspruch gegen einen Bescheid des Finanzamts war im vergangenen Jahr rechtens.

Steuerberaterverband: "Grundsätzlich ist beim Steuerbescheid Misstrauen angebracht."

Steuerberaterverband: "Grundsätzlich ist beim Steuerbescheid Misstrauen angebracht."

Foto: ddp

Das geht aus einer Statistik des Bundesfinanzministeriums hervor. Demnach wurden 2008 von den mehr als 5,5 Millionen von den Finanzämtern bearbeiteten Einsprüchen 42 Prozent zugunsten der Steuerzahler entschieden. Nach internen Schätzungen mussten die Behörden mehrere Millionen Euro erstatten.

Die Statistik belegt allerdings nicht unbedingt, dass die Behörden falsch rechnen. Außerdem protestieren etliche Steuerzahler "vorsorglich” gegen ihren Steuerbescheid, um Gerichtsurteile abzuwarten oder Belege und Nachweise später einzureichen. In NRW wird laut der Oberfinanzdirektion Münster lediglich gegen zehn Prozent der Steuerbescheide überhaupt Einspruch eingelegt.

Steigende Unsicherheiten im Steuerrecht

Steuerberaterverbände kritisieren indes steigende Unsicherheiten im Steuerrecht und die Überlastung der Behörden. "Grundsätzlich ist beim Steuerbescheid Misstrauen angebracht”, sagt Wolfgang Wawro vom Steuerberaterverband. "In den Ämtern wird stärker auf Technik gesetzt und Personal abgebaut. Dadurch geht manches schief.” Wie viele Steuerbescheide wegen Rechenfehlern nachträglich korrigiert werden müssen, lässt sich nicht ermitteln.

Innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids muss der Steuerzahler Einspruch einlegen, will er seine Rechte geltend machen. "Die Bürger sollten zunächst immer die Zahlen des Bescheids mit denen aus der Steuererklärung vergleichen”, sagt der Duisburger Steuerberater Volker Humeny. Die komplizierteren Berechnungen etwa bei abzugsfähigen Aufwendungen könne aber meist nur ein Experte überprüfen.

Maximal 20 Minuten

Dieter Ondracek, Chef der Steuergewerkschaft, sieht die Statistik als Beleg für die Überlastung der Finanzbehörden. "Wir haben zu wenig Personal für zu viele Steuererklärungen”, sagte er. Im Schnitt könne sich ein Beamter maximal 20 Minuten mit einer "normalen” Steuererklärung eines Arbeitnehmers befassen. Die Stellenstreichungen in NRW hätten die Lage in den vergangenen Jahren verschlechtert, kritisiert der oberste Vertreter der Finanzbeamten. 2008 sind in den NRW-Finanzbehörden 1000 Stellen weggefallen.

Das Düsseldorfer Finanzministerium weist das zurück und betont, dass landesweit 26.000 Mitarbeiter in der Finanzverwaltung arbeiteten und mit leistungsfähigen IT-Systemen und einem Risikomanagement ausgestattet seien. Ein Großteil der Einsprüche sei zudem der rechtlichen Unsicherheit bei der Pendlerpauschale geschuldet gewesen, heißt es.

Viele Steuerzahler hätten automatisch Einspruch gegen den Steuerbescheid eingelegt, um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. Tatsächlich kippten die obersten Richter später die noch von der großen Koalition durchgesetzte Kürzung der Entfernungspauschale.

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