Stahlriese in der Krise Steinmeier macht bei ThyssenKrupp Stimmung

Duisburg (RP). Angeblich wackeln beim Stahlriesen Tausende von Stellen. Aber das Management schweigt. Der Betriebsrat will am Freitag im Aufsichtsrat die Machtfrage stellen. Und Kanzlerkandidat Steinmeier macht schon mal Stimmung. Für sich.

 Besuch in der Duisburger Mercatorhalle: Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier mit dem Vostandsvorsitzenden Ekkhard Schulz.

Besuch in der Duisburger Mercatorhalle: Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier mit dem Vostandsvorsitzenden Ekkhard Schulz.

Foto: AP, AP

Immer wieder beschwor der Vizekanzler die 500 Betriebsräte von ThyssenKrupp: "Die Politik kann die Krise nicht lösen. Das schaffen nur alle zusammen.” Das war immerhin ehrlich. Denn Frank-Walter Steinmeier, SPD-Spitzenkandidat im Kampf um das Kanzleramt, hatte außer Mutmacher-Parolen wenig zu bieten, was die aufgewühlte Stimmung in der Duisburger Mercator-Halle hätte beruhigen können. Keine einzige neue Information.

Und Zusagen der Bundesregierung schon gar nicht. Insofern war die Flasche Champagner billig erkauft, die Betriebsratschef Thomas Schlenz "dem lieben Frank-Walter” nach dessen Rede überreichte. Nicht wegen des Inhalts. Wegen der begleitenden Worte: "Zu deinem baldigen Umzug ins Kanzleramt.” Eine indirekte Wahlempfehlung für die 85.000 deutschen ThyssenKrupp-Mitarbeiter, die Schlenz vertritt?

3000 Stellen hat der Dax-Riese wegen der weltweiten Wirtschaftskrise schon abgebaut. Dem vorige Woche angekündigten Konzernumbau werden weitere folgen. Wie viele, sagte Konzernchef Ekkehard Schulz auch gestern nicht. So blieb die durch die Medien kursierende Zahl von 3000 unwidersprochen. Auch Gerüchte zu anstehenden Kündigungen ließ Schulz unkommentiert. "Schlimm genug, wie wenig unsere Arbeit noch wert ist”, schimpfte ein Teilnehmer nach der Rede von Schulz, "aber das Schlimmste ist, dass wir die Wahrheit scheibchenweise erfahren.”

Während Steinmeier und ­ anders als gewohnt ­ Schulz inhaltlich blass blieben, langte Gastgeber Thomas Schlenz zu. "1,5 Milliarden Euro Mehrkosten. Das ist eine ungeheuerliche Summe” wetterte er gegen die Fehlplanungen des geschassten Chefs der Stahlsparte, Karl-Ulrich Köhler. Dessen Stahlwerksbau in Brasilien kostet fast drei mal mehr als ursprünglich veranschlagt.

"Damit hätte man 15 Prozent aller ThyssenKrupp-Beschäftigten ein Jahr finanzieren können”, so Schlenz unter tosendem Beifall. Außerdem kritisierte er die Vergabepraxis im Konzern: "Es kann doch nicht angehen, dass wir 1000 Tonnen Spundwände für das Stahlwerk in Alabama bei Arcelor bestellen.” Und dass Köhler seinerzeit eine nagelneue Kokerei bei der Konkurrenz in China gekauft hat und nicht bei der ThyssenKrupp Technologies, nimmt Schlenz ihm heute noch übel.

Trotzdem nannte Schulz die Versammlung gegenüber unserer Zeitung "an den Umständen gemessen harmonisch”. Die Kritik der Arbeitnehmer an Ex-Stahlchef Köhler sei "in dieser Form übertrieben” gewesen. Schulz räumte Management-Fehler ein: "Das gilt auch für mich.”

Morgen wird die angebliche Harmonie auf eine harte Probe gestellt. IG-Metall-Vorstand Bertin Eichler und Schlenz wollen in einer Sondersitzung des Aufsichtsrates zum angekündigten Konzernumbau auf drei Punkten bestehen: keine Betriebsbedingten Kündigungen, keine Einkommenseinbußen und voller Erhalt der Montanmitbestimmung bei ThyssenKrupp.

"Unsere Zustimmung zum Umbau hängt nicht von möglichst vielen, sondern von allen drei Punkten ab”, machte Eichler, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates, den Standpunkt der Arbeitnehmerseite deutlich. Und sonst? Eichler: "Wenn der Konzern einen solchen Umbau gegen die Arbeitnehmer durchboxen will, wünsche ich ihm dabei viel Spaß.”

(RP)
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