Start-up-Gründerin Verena Pausder hat ein Buch geschrieben Von Bielefeld ins Neue Land

Bielelfeld/Berlin · Verena Pausder hat erfolgreich ein Start-up gegründet und kämpft seit Jahren leidenschaftlich für mehr digitale Bildung. Lange war es ein Kampf gegen Windmühlen. Dann kam das Coronavirus.

 Die Gründerin Verena Pausder hat ein Buch geschrieben "Das Neue Land".

Die Gründerin Verena Pausder hat ein Buch geschrieben "Das Neue Land".

Foto: Verena Pausder/Kim Keibel

Als Stefan Raab seine Gäste hereinbittet, begrüßt er die Politiker mit Spitznamen wie Mr. Marktwirtschaft, Reichenschreck und Drill-Sergeant, Verena Pausder hingegen mit den Worten, nun käme „eine junge, attraktive Unternehmerin“. 2012 versuchte der frühere Pro-7-Moderator mit der Sendung „Absolute Mehrheit“ ein Politik-Format für das Privatfernsehen zu machen. Es war ein Fernsehabend zum Abgewöhnen – und das nicht nur, weil Raab wohl kaum einen Mann mit diesen oberflächlichen Worten begrüßt hätte.

Wenig später sagte Verena Pausder: Sie wäre sogar für eine Reichensteuer, wenn das Geld zweckgebunden in die Verbesserung der Bildung in Deutschland investiert würde. Denn das sei überfällig. In der Männerrunde bekam Pausder dafür Zustimmung von allen Seiten, von „Mr. Marktwirtschaft“ Wolfgang Kubicki (FDP), dem „Reichenschreck“ Jan van Aken (Linke) und dem „Drill-Sergeant der SPD“ Thomas Oppermann.

Acht Jahre sind seitdem vergangen, in denen so gut wie nichts derartiges passiert ist. Pausders wichtige Botschaft ist einfach verhallt. Und sie sagt rückblickend: „Ich habe mich schon mal besser präsentiert, aber das muss man eben auch erstmal üben.“ Und sie hat geübt.

Verena Pausder kämpft für Veränderungen in Vorständen

Inzwischen ist sie eines der bekanntesten Gesichter in Deutschland, wenn es um das Thema digitale Bildung geht. Doch aus ihrem Einsatz für eine bessere Schulausstattung ist inzwischen ein Kampf für eine bessere, fortschrittlichere Gesellschaft geworden, für ein „Neues Land“, wie sie es in ihrem gerade erschienenen Buch bezeichnet. Zuletzt sorgte sie für Aufsehen, als sie die Kampagne „#stayonboard“ ins Leben rief. Diese will eine Gesetzesänderung erreichen, damit Frauen auch während einer Schwangerschaft nicht aus Vorständen börsennotierter Unternehmen ausscheiden müssen, so wie es zuletzt der Gründerin des Online-Möbel-Händlers Westwing widerfahren ist.

Pausder ist damit eine Pionierin, denn in der deutschen Gründerszene gibt es zwar viele erfolgreiche Köpfe, aber nur wenige, die sich über ihren Job hinaus auch politisch engagieren. Verena Pausder hingegen ist inzwischen quasi allgegenwärtig, der Einstieg in die Politik wird ihr von vielen zugetraut, aber sie selbst sagt: „Klar brauchen wir mehr Gründerinnen in der Politik. Ich habe mich aber bislang noch nicht dazu durchringen können.“

Sie entstammt einer Unternehmerfamilie aus Bielefeld

Die 41-Jährige ist gerade dabei, ihre zweite Karriere zu erspüren, nachdem sie in den vergangenen Jahren erfolgreich Unternehmen wie Fox & Sheep aufgebaut hat, die sich mit Digitalinhalten für Kinder beschäftigen.

Das Unternehmertum wurde ihr dabei quasi in die Wiege gelegt. Sie ist in Bielefeld aufgewachsen und entstammt der Industriellenfamilie Delius, die dort noch heute das gleichnamige Textilunternehmen betreibt. Heute ist sie nur noch drei bis vier Mal im Jahr in Bielefeld, um ihre Eltern zu sehen und als Gesellschafterin des Unternehmens zu wirken. Ihren Lebensmittelpunkt hat sie mit ihrem Mann und ihren vier Kindern inzwischen in Berlin. Doch der Traditionsbetrieb hat sie geprägt.

„Beim Mittagessen musst du still sein, weil im Radio die Börsenkurse genannt werden“, schreibt Verena Pausder in ihrem Buch über ihre Kindheit: „Beim Abendessen geht es um die Firma und am Wochenende wird der Tisch frei geräumt, weil Rechnungen gestapelt und abgearbeitet werden.“ Das könne man blöd finden, weil man als Kind häufig zu kurz komme. Es könne einen aber auch mitreißen, weil es als Unternehmer keine Routinen gebe und man immer alles geben müsse.

Sie wollte eine Salatbar-Kette aufmachen - das misslingt

Nach einem Studium im schweizerischen St. Gallen beginnt sie zunächst ein Trainee-Programm bei der Münchener Rück, versucht dann aber, sich mit der Idee einer Salatbar-Kette selbstständig zu machen – was misslingt. Statt aufzugeben, steht sie wieder auf, probiert sich erneut aus. Und hat letztlich Erfolg. Ihr Unternehmen Fox & Sheep verkauft sie zunächst an den Spielzeughersteller Haba, der für den Kinder-App-Entwickler einen Millionenbetrag gezahlt haben soll. Anschließend baut sie für das Unternehmen die Haba Digitalwerkstätten auf, mit denen Kindern spielerisch digitale Bildung vermittelt werden soll.

Doch sie hat auch die Schattenseiten bereits kennengelernt. Im Sommer 2019 geriet Pausder öffentlich in den Fokus, als bekannt wurde, dass sie der FDP 2017 mehr als 50.000 Euro gespendet hatte – und die Haba Digitalwerkstatt zwei Jahre später einen Auftrag in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro vom FDP-geführten Schulministerium in NRW erhielt, um dort mit einer mobilen Digitalwerkstatt auf Schulhöfe zu fahren. Schulministerin Yvonne Gebauer geriet öffentlich unter Druck, weil man ihr vorwarf, den Auftrag ohne Ausschreibung vergeben zu haben. Einen Zusammenhang zu der Spende hat die Ministerin stets zurückgewiesen. Und auch Verena Pausder sagt rückblickend: „Es wird immer Leute geben, die Unternehmern nicht abnehmen, sich gesellschaftlich engagieren zu wollen. Das wird mich aber nicht davon abhalten, es weiter zu tun, denn die Spende hatte nichts mit dem Auftrag zu tun.“

Johannes Rau war Verena Pausders Onkel

Im vergangenen Jahr hat Pausder ihre verbleibenden Anteile an Haba abgegeben und sich nach acht Jahren entschlossen, etwas Neues zu machen. Sie kümmert sich um ihren Verein, „Digitale Bildung für Alle“ – und hat die eigentlich in diesem Jahr geplante Auszeit genutzt, um ihr erstes Buch zu schreiben.

Mit diesem will sie eine Debatte anstoßen, aufrütteln. Denn Verena Pausder, die mit dem Gründer des Heizungs-Start-ups Thermondo, Philipp Pausder, verheiratet ist, kommt nicht nur aus einer unternehmerischen, sondern auch einer politischen Familie. Im Stammbaum der Delius tauchen mit Gustav Heinemann und Johannes Rau gleich zwei Bundespräsidenten auf. Der eine war Verena Pausders Urgroßvater, der andere ihr Onkel. Rau habe mal gesagt, schreibt sie in ihrem Buch, dass Demokratie nur in Bewegung bleibe, wenn Menschen bereit seien, sich politisch einzumischen. Und genau das will sie weiterhin tun.

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