Milliarden-Hilfen für Schüler Start-ups wollen Schülern bei Bildungslücken helfen

Köln · Mit 430 Millionen Euro wollen Bund und Land in NRW die Lernlücken von Schülern schließen. Klassische Nachhilfeinstitute könnten den Bedarf nicht decken, heißt es bei Start-ups. Doch die jungen Anbieter fühlen sich übergangen.

 Das österreichische Start-up Gostudent bietet Online-Nachhilfe für Schüler an.

Das österreichische Start-up Gostudent bietet Online-Nachhilfe für Schüler an.

Foto: GoStudent

Felix Ohswald ist einer, der rechnen kann: Schon mit 14 Jahren hat er erste Mathe-Vorlesungen in Wien besucht. Für Zahlen und Statistiken, so kann man sagen, hat er früh ein Verständnis entwickelt. Ohswald wird daher auch ernst, wenn er über die Zahlen spricht, die ja in Wahrheit menschliche Schicksale sind: „Untersuchungen in den Niederlanden zeigen, dass sich die Schulschließungen ausgewirkt haben wie Sommerferien“, sagt er. Und: „Wir merken auch bei unseren Kunden, dass die Frustration groß ist.“

Der Österreicher ist Gründer von Gostudent, einer digitalen Nachhilfe-Plattform. Das Start-up bekam zuletzt von Investoren mehr als 200 Millionen Euro. Sie glauben an die Idee. Und wenn man Ohswald zuhört, weiß man auch, warum: „Ich glaube, dass es in den nächsten Monaten und Jahren zu einem massiven Anstieg bei der Nachhilfe kommen wird, weil viele Eltern erst langsam merken, was bei ihren Kindern an Wissen alles verloren gegangen ist.“

Land und Bund stellen 430 Millionen Euro für Schüler bereit

Gemessen an dem, was Investoren in ein einzelnes Start-up stecken, wirken die 430 Millionen Euro beinahe mickrig, die Land und Bund in NRW bis Ende 2022 bereitstellen, um Schülern beim Aufholen von Lernrückständen zu helfen. Mit dem Geld sollen beispielsweise pensionierte Lehrer eingestellt oder Nachhilfe­institute beauftragt werden. Die Details sind noch nicht ganz klar; das NRW-Schulministerium arbeitet an einem Gesamtkonzept.

Doch gerade unter jungen Bildungsanbietern gibt es Sorgen, dass dabei Start-ups keine Berücksichtigung finden. Bei Gostudent heißt es, man wisse aktuell nicht, ob in Deutschland auch Online-Nachhilfeanbieter in dem Plan vorgesehen seien. Im April hatte man der Bundesregierung fünf Millionen Nachhilfe-Einheiten zum Selbstkostenpreis angeboten. Angenommen wurde das Angebot bislang nicht. Lena Spak wird deutlicher: „Im Zweifel setzt man lieber auf Microsoft Teams als auf die Angebote von Start-ups.“ Viele Politiker hätten „Angst, etwas falsch zu machen“.

Soll nach der Pandemie alles weiter geht wie vorher?

Lena Spak ist eine der beiden Gründerinnen von Scobees. Das Kölner Start-up hat eine Lernplattform entwickelt, über die Schüler individueller lernen können. „Wir sind kein Corona-Produkt. Wir stehen nicht für Distanzlernen; uns geht es darum, dass Kinder selbstständig lernen können. Da ist es egal, ob das zu Hause oder in der Schule stattfindet“, sagt Lena Spak. Damit stehe man für eine neue Lernkultur, über die aus ihrer Sicht zu wenig gesprochen wird: „Viele Schulen fragen sich ja gerade: Ist es überhaupt richtig, dass nach der Pandemie alles so weitergeht wie vorher?“

Im Mai hat sich Scobees mit anderen Start-ups zur Initiative deutscher digitaler Bildungsanbieter zusammengeschlossen. In einem Brief hatte man sich an Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und die Kultusministerkonferenz gewandt. Man wolle gemeinsam überlegen, welchen Beitrag Digitalfirmen leisten könnten. Die Gründer schlugen einen digitalen Runden Tisch vor. Passiert ist bislang nichts.

Es ist offenbar schwer, ins Gespräch zu kommen – auch in NRW. „Die stationären Nachhilfeinstitute könnten allein aufgrund ihrer Kapazitäten gar nicht alle Kinder in Deutschland auffangen. Da braucht es andere Lösungen“, ist Lena Spak überzeugt. Man habe mehrmals das Gespräch mit Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) gesucht. „Bisher hat es mit einem persönlichen Termin leider noch nicht geklappt.“

Gründern würden andere Rahmenbedingungen helfen

Teilweise würden aus Sicht der Gründer allein schon andere Rahmenbedingungen helfen. „Schulen haben ein Budget, um Schulbücher zu kaufen“, sagt Lena Spak: „Sie dürfen laut Lernmittelfreiheitsgesetz vieler Bundesländer aber keine Software davon kaufen. Das ist absurd.“ Auch in NRW können Schulen mit ihrem Budget nur digitale Lernmittel erwerben, die den Unterrichtsstoff abbilden, heißt es im Schulministerium. Mit dem neuen Förderprogramm von Bund und Land erhalten Schulen aber dazu ein Budget, um Lizenzen für digitale Förderprogramme einzukaufen.

Gostudent-Gründer Felix Ohswald könnte sich auch andere Anreize vorstellen: „2020 sind wir in Frankreich gestartet. Dort gibt es einen Steuervorteil für Nachhilfe. Man kann sich bis zu 50 Prozent der Kosten erstatten lassen.“ In Deutschland ist das bis auf wenige Ausnahmen bisher nicht möglich.

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