Versicherer HDI steigt bei Start-up ein Wie Troy Inkasso-Prozesse freundlich machen will
Lippstadt · Inkasso klingt für viele Konsumenten erstmal nach Ärger. Das Start-up Troy aus Lippstadt will den Prozess daher freundlicher machen. Denn das ist nicht nur für die säumigen Zahler angenehmer, sondern hilft auch den Unternehmen.
Inkasso – für viele Menschen klingt das erstmal nach Ärger, nach einem Schritt, mit dem ein Unternehmen weiter Druck aufbaut, nachdem Rechnungen trotz Mahnungen nicht beglichen wurden. Wenn man in der Suchmaschine Google nach Begriffen sucht, werden oft auch häufig gestellte Fragen angezeigt. Im Fall von Inkasso lautet die erste: „Ist ein Inkasso schlimm?“
Philip Rürup kennt diese Sichtweise – und will sie ändern. Troy heißt das 2017 von Till Völzke und Rürup gegründete Start-up, das nach eigenen Angaben das Geschäft neu erfinden und kundenfreundlicher machen will. Die beiden Unternehmer haben lange in der Inkasso-Branche gearbeitet und kennen das Geschäft daher gut.
„Für Kunden fühlt sich Inkasso im schlimmsten Fall bedrohlich an
„Für Kunden fühlt sich Inkasso im besten Fall bürokratisch und im schlimmsten Fall bedrohlich an – das wollen wir ändern“, sagt Rürup. Zumal eine Studie gezeigt habe, dass 60 Prozent der Menschen einfach nur vergessen hätten zu bezahlen oder lediglich temporär einen finanziellen Engpass hätten. „Unternehmen mit Geschäftsmodellen, die auf langfristige Kundenbeziehungen ausgelegt sind, sollten daher alles daran setzen, solche Kunden zu halten“, ist der 43-Jährige überzeugt.
Daten des Bundesverbands deutscher Inkasso-Unternehmen bestätigen diese Sichtweise – zumindest mit Blick auf die aktuelle Corona-Krise. In einer Umfrage des Verbands waren die häufigsten Gründe für offene Rechnungen Kurzarbeit (83 Prozent der Befragten), Liquiditätsengpässe aufgrund der Krise und Arbeitslosigkeit. Jeder zehnte Befragte zahlte zudem nicht pünktlich aufgrund von Vergesslichkeit oder unvorhergesehen Lebensereignissen, wie dem Tod eines Angehörigen oder Krankheit.
Der Versicherer HDI ist bei Troy als Investor eingestiegen
Mit der Technologie des Start-ups sollen Kunden daher so angesprochen werden, dass sie den Inkasso-Prozess nicht als Belastung empfinden. Denn genau daran mangelte es aus Sicht von Rürup, der genau wie sein Mitgründer vorher in der Inkasso-Branche tätig war, vielen aktuellen Angeboten. „Wenn man den Inkassoprozess nutzerfreundlicher macht, bezahlen die Kunden auch schneller, haben wir herausgefunden. Das hat uns selbst überrascht“, sagt Rürup. Die Unternehmen, soll das heißen, behalten also nicht nur einen Kunden, sondern bekommen auch ihr Geld schneller. Große Kunden aus der Energie- oder Telekommunikationsbranche konnte das Start-up schon gewinnen. Insgesamt arbeiten die Lippstädter schon für rund 50 Unternehmen, pro Monat erhält Troy im Schnitt 10.000 neue Fälle.
"Die Technologie von Troy ist ein vielversprechender, innovativer Ansatz, das Forderungsmanagement kundenorientiert zu digitalisieren", sagt Martin Weldi, der für die HDI-Gruppe den Bereich Corporate Development leitet. Die zum Talanx-Konzern gehörende Versicherung hat sich nun im Rahmen einer Finanzierungsrunde bei dem Inkasso-Start-up beteiligt. Insgesamt soll bei der Finanzierungsrunde, an der sich auch Altgesellschafter beteiligten, ein einstelliger Millionenbetrag investiert worden sein. Für Troy war es bereits die dritte Finanzierungsrunde, an der sich auch die bereits zuvor gewonnenen Investoren wie der Bonner Hightech-Gründerfonds (HTGF) und eCapital aus Münster beteiligten. Der HTGF hält nun knapp zehn Prozent der Anteile an Troy, eCapital kommt auf rund 20 Prozent. HDI, das über die Hannover Digital Investments GmbH bei dem Start-up eingestiegen ist, kommt auf knapp acht Prozent. Rürups Mitgründer Völzke schied im Rahmen der Runde aus dem Unternehmen aus.
Lieber Lippstadt als Berlin
Der Standort Lippstadt hat sich für Troy bislang nicht als Nachteil erwiesen. „Ein Inkasso-Unternehmen muss man nicht in einer Großstadt aufbauen“, sagt Rürup. Knapp die Hälfte der 40 Mitarbeiter sitzt in Lippstadt, dazu kommt ein Büro mit Entwicklern, das Troy in Hamburg aufbaut. Die deutsche Start-up-Hauptstadt Berlin kam für die Gründer hingegen nicht infrage. „Für uns war klar, dass wir nicht nach Berlin wollen“, sagt Rürup: „Berlin ist ein spannendes Pflaster, aber die Entwickler kriegen dort überspitzt gesagt bei jedem Kaffee holen einen Job angeboten und sind dann oft schon wieder weg, bevor sie eingearbeitet wurden.“