Start-up Pixel Photonics aus Münster Helle Köpfe nutzen das kleinste Lichtteilchen

Münster · Physiker aus Münster forschen daran, einzelne Photonen zu erkennen. Auf die komplexe Technologie sind gleich mehrere Branchen neugierig. Das Start-up muss nun den Sprung aus der Wissenschaft in die Wirtschaft meistern.

 Das Gründerteam von "Pixel Photonics" (von links): Christoph Seidenstücker, Fabian Beutel, Nicolai Walter, Martin Wolff und Dr. Wladick Hartmann.

Das Gründerteam von "Pixel Photonics" (von links): Christoph Seidenstücker, Fabian Beutel, Nicolai Walter, Martin Wolff und Dr. Wladick Hartmann.

Foto: Thomas Mohn

Und es werde Licht – zumindest ein winziges bisschen: Das Start-up Pixel Photonics entwickelt Anlagen, die einzelne Photonen erkennen und zählen können. Diese kleinstmöglichen Lichtteilchen spielen in einigen Zukunftsbranchen eine entscheidende Rolle. Seit vielen Jahren forschen Wissenschaftler daran, sie zuverlässig und kostengünstig zu erkennen. Auch das Münsteraner Gründerteam arbeitete im Fachbereich Physik der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) an dieser Aufgabe. 2020 entschlossen sich die Wissenschaftler dann, aus einem Forschungsprojekt ein Start-up zu machen. Neben dem physikalischen Wissen sind dabei auch andere technologische Entwicklungen, etwa bei Halbleitern, unerlässlich. „Wir haben den Dreh gefunden, wie man mehrere Tausend Detektoren auf einen Chip packen kann – so lässt sich die Technologie skalieren“, sagt Wladick Hartmann, Mitgründer und Chef-Technologie des Start-ups.

Das große Ziel: Einen Detektor zu entwickeln, der vergleichsweise kompakt in seinen Ausmaßen ist und vergleichsweise günstig verkauft werden kann. Aktuell ist die Anlage der Münsteraner etwa so groß wie ein kleiner Kühlschrank – und kostet mehrere Hunderttausend Euro pro Exemplar. Ein erster Kunde hat sich bereits gefunden, weitere sollen bald folgen. Dabei sehen sich die Gründer mit ihrer Lösung gut für einen kommerziellen Erfolg aufgestellt: „Es ist eine Stärke unserer Technologie, dass sie mit nur wenigen Anpassungen viele verschiedene Aufgaben abdecken kann“, sagt Mitgründer und Vorstandschef Nicolai Walter.

Lichtteilchen anstatt Passwortschutz

In gleich drei Bereichen sieht das Start-up besonders großes Potenzial: Erstens in der verschlüsselten Quantenkommunikation. Viele Forscher legen große Hoffnungen in Quantencomputer, die ganz anders arbeiten als heutige Rechner – und in viel größeren Geschwindigkeiten Daten verarbeiten können. Das Problem: Auch Passwörter oder andere Verschlüsselungen werden so in Windeseile geknackt. Einzelne Lichtteilchen könnten in Zukunft als Kontrollsignal mitgesandt werden – Detektoren wie die von Pixel Photonics stellen so fest, ob eine Botschaft von einer zuverlässigen Quelle stammt.

Zweitens könnten Photonen auch in Quantencomputern selbst zum Einsatz kommen. In diesen Fällen würden die Detektoren von Pixel Photonics ein Bauteil dieser neuen Superrechner werden. „Unsere Vision ist, dass wir in jedem künftigen Quantencomputer mit drinstecken“, sagt Walter. Drittens lassen sich die Detektoren für die Lichtteilchen auch in der Medizin einsetzen. Dort helfen sie beispielsweise dabei, dass Ärzte bis auf die Zellebene erkennen, wo schädliches Gewebe sitzt. „Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg“, schränkt Hartmann ein.

Von der Wissenschaft hin zur Wirtschaft

Die Herausforderung für das Start-up ist es nun, die passenden Partner in den jeweiligen Industrien zu finden, um ihre Anlagen auf den Markt zu bringen. Dieser sogenannte „Product-Market-Fit“ ist eine klassische Hürde für sogenannte Deeptech-Start-ups. Das sind Gründungen, die häufig als komplexes Forschungsvorhaben an einer Universität – etwa in Informatik, Biochemie oder Physik – begonnen haben. Diese Start-ups können ihre Innovationen oft nicht so sehr zu Geld machen, wie es Online-Verkaufsplattformen gelingt – bergen aber großes Potenzial für den High-Tech-Standort Deutschland.

Eine erste Starthilfe ist in vielen Fällen das sogenannte Exist-Forschungstransfer-Stipendium. Damit unterstützt der Bund Gründer dabei, ihre Idee aus der Wissenschaft in die Wirtschaft zu transportieren. Auch Pixel Photonics wurde auf diese Weise unterstützt. Das Projekt entstand in den Arbeitsgruppen der WWU-Professoren Wolfram Pernice und Carsten Schuck, zum Gründerteam gehören neben Walter und Hartmann auch Fabian Beutel, Martin Wolff und Christoph Seidenstücker.

Die Verbindung zur Wissenschaft ist auch knapp zwei Jahre nach der Gründung noch eng. Hartmann wurde im Frühjahr mit dem Innovationspreis des Landes ausgezeichnet – in der Kategorie Nachwuchs. Rund um den Jahreswechsel hatte das Start-up zudem gemeinsam mit der Münsteraner Heimatuni sowie der Universität der Bundeswehr in München einen Forschungsförderung über 2,6 Millionen erhalten. In dem Projekt geht es um hochsichere Verschlüsselungsverfahren, die über Glasfaserstrecken auf längere Distanzen übertragen werden.

1,45 Millionen Euro von Investoren

Die erfolgreiche Bewerbung für die Fördergelder half auch bei der Suche nach privaten Geldgebern für das Start-up: „Dadurch hatten wir gewissermaßen eine Validierung unserer Technologie von staatlicher Seite“, sagt Seidenstücker, „das reduziert das Risiko für die Investoren.“ Im Frühjahr konnte Pixel Photonics eine Finanzierungsrunde über 1,45 Millionen Euro abschließen. Dabei floss Geld vom halbstaatlichen High-Tech Gründerfonds (HTGF) mit Hauptsitz in Bonn. Auch der auf Quantentechnologie spezialisierte Fonds Quantonation aus Frankreich stieg mit ein. Zudem beteiligte sich Unternehmer, Berater und Photonik-Spezialist Hendrik Sabert.

Das frische Kapital nutzt das Pixel-Photonics-Team nun neben der weiteren Entwicklung auch dafür, um Marketing und Vertrieb voranzubringen. Das Team will keine eigene Fertigung für die sensiblen Chips aufbauen – das würde mindestens 20 Millionen Euro verschlingen, vermuten die Gründer. Stattdessen nutzen sie vorerst die Kapazitäten der universitären „Münster Nanofabrication Facility“, in der auch Reinräume bereitstehen. Hier haben die Gründer Heimvorteil: Vier der fünf Gründer waren während ihrer Promotion am Aufbau der Anlagen beteiligt.

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