Start-up Kid Coins aus Düsseldorf Mehr Familien-Zeit per App
Düsseldorf · Ein Gründer aus Düsseldorf möchte Eltern ermöglichen, schöne Erlebnisse mit ihren Kindern zu teilen – und das digital. Doch sollten die Kleinen wirklich noch mehr am Handy hängen? Wie ein Medienpädagoge die Geschäftsidee einschätzt.
Es ist ein langweiliger Abend mitten in der Pandemie. Phillipe Münzenmaier und sein achtjähriger Sohn Lukas sitzen auf der Couch und wissen nicht so recht, was sie mit ihrer gemeinsamen Zeit anfangen sollen. Sie zappen durch die Streamingdienste, können sich aber nicht für einen Film entscheiden. Bis Münzenmaier anfängt, von früheren Kino-Abenden zu schwärmen. Mit allem Drum und Dran – Eis, Nachos, Dips und Gummibärchen, Tickets und Filmplakat. Und diesem Duft nach frischem Popcorn. Das wäre jetzt was. Aber weil Kinos ja pandemiebedingt noch geschlossen sind, basteln sie die Tickets kurzerhand selbst, malen ein Filmplakat und rühren Dips an. Die Küche sperren sie mit einem Band mit der Aufschrift „Staff only“ (dt. Nur Personal) ab. „Die Vater-Sohn-Zeit hätte nicht kreativer und schöner sein können“, sagt Münzenmaier.
Zwei Jahre später, im März 2023, bringt der Düsseldorfer mit seinem Start-up Kid Coins eine App auf den Markt. „Family Missions“ heißt sie und enthält rund ein Dutzend Missionen und Erlebnisse, die Eltern und Kinder im Grundschulalter einander näherbringen sollen. Eine davon ist die „Family Movie Night“ (dt. Familien-Filmnacht), inspiriert vom Vater-Sohn-Abend. Wer sie in der App anklickt, erfährt in mehreren Schritten, wie man so ein Erlebnis perfekt vorbereitet. Jeder bekommt eine Aufgabe. Es gibt eine Bastelanleitung für die Kinotickets, ein Rezept für die Nacho-Sauce, eine Einkaufsliste für die Naschereien. Selbst die Filmauswahl ist eine Mission. Alle Familienmitglieder nennen ihren Favoriten und wenn sie sich nicht einigen können, losen sie.
Bei einer anderen Mission geht es ums Campen im eigenen Haus. „Vergangenes Jahr wollten wir gerne mit den Kindern im Garten zelten, aber vom einen auf den anderen Moment regnete es in Strömen“, sagt Münzenmaier. Also stellte er das Zelt im Wohnzimmer auf und las seinen Kindern mit der Taschenlampe eine Gute-Nacht-Geschichte vor. Später kam ihm die Idee, das in die App zu integrieren.
Doch die Missionen sind teilweise auch digital ausgelegt – es gibt ein Memory-Spiel über Gebärdensprache, ein Quiz zu den Jahreszeiten und kurze Audio-Einheiten von der beliebten Sachbuchreihe „Was ist was?“ des Tessloff-Verlags. Mit dem Verlag arbeitet Münzenmaier seit Kurzem zusammen. Ein großer Erfolg für den Gründer. Er ist aber auch sehr gut vernetzt. Deshalb konnte er auch schon mehrere namhafte Unternehmen als Sponsoren gewinnen – und die App so kostenlos halten. Die Volksbank macht zum Beispiel mit, genauso wie die Tonies aus Düsseldorf. Mit seinen Partnern hat der Familienvater spezifische Missionen ausgearbeitet, die zu den jeweiligen Firmen passen. Bei der Volksbank zum Beispiel geht es um das Thema Sparen, das inklusive Start-up Talking Hands hat gemeinsam mit Münzenmaier und seinem Team eine Einheit über Gebärdensprache entwickelt.
Doch auch, wenn der Gründer immer wieder betont, dass seine App Familien nicht nur digitalen Spaß biete, sondern sie sie auch „in die reale Welt holen“ wolle – sollten Kindern wirklich noch mehr Zeit am Handy verbringen? Und dann auch noch in den kostbaren Stunden mit der Familie? Medienpädagoge Matthias Felling von der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NRW (AJS) gibt Entwarnung: „Es kommt nicht unbedingt darauf an, wie lange und oft Kinder Medien nutzen, sondern darauf, wie sinnvoll und nachhaltig die Beschäftigung mit dem Handy ist“, sagt er. Konsumieren die Kleinen nur? Oder lernen sie etwas? Werden sie kreativ? Bei Apps wie „Family Missions“ sieht Felling kein großes Gefahrenpotenzial. „Zwar würde ich hier nicht zwischen realer und digitaler Welt unterscheiden – schließlich fühlen sich für das Kind auch digitale Erlebnisse real an“, sagt Felling. Aber es sei grundsätzlich gut, dass Familien gemeinsam aktiv würden und Anreize bekämen, in die Natur zu gehen.
Häufig seien Medien ein großes Streitthema. Eltern schimpften mit ihren Kindern, weil sie so viel Zeit am Handy verbrächten und verböten es bei jeder Gelegenheit. „Wenn Familien die Medien aber gemeinsam nutzen, bekommen alle wieder ein positiveres Bild und können offener über den Konsum sprechen“, sagt Felling. Für Kinder unter fünf Jahren empfiehlt er allerdings nicht mehr als eine halbe Stunde Bildschirmzeit, für Kinder bis neun Jahre eine Stunde.