eCapital sucht nach Deeptech-Start-ups Risikokapital aus dem Münsterland

Münster · Viele führende Risikokapitalgeber sitzen in Berlin oder München – eCapital zieht es vor, von Münster aus nach Start-ups zu suchen. Der Fokus ist dabei so klar definiert, dass man sogar einem der vielversprechendsten NRW-Unternehmen absagen musste.

 Willi Mannheims, Bernd Arkenau, Paul-Josef Patt, Michael Mayer, Hannes Schill und Dirk Seewald (von links nach rechts) sind Partner bei eCapital.

Willi Mannheims, Bernd Arkenau, Paul-Josef Patt, Michael Mayer, Hannes Schill und Dirk Seewald (von links nach rechts) sind Partner bei eCapital.

Foto: eCapital/Roman Mensing

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der Wechsel von Paul-Josef Patt in die Gründerszene möglich wurde, weil ein Unternehmer in seinem Traditionsbetrieb nicht loslassen konnte. Patt war Berater bei Roland Berger bevor er an der Firmenspitze des Textilhändlers Ernsting’s Family landete – inklusive eigener Firmenanteile.

1993 übernahm er die Geschäftsführung bei dem Coesfelder Unternehmen, nachdem sich der langjährige Firmenchef Kurt Ernsting auf die Suche nach einem Nachfolger gemacht hatte. Die beiden kannten sich gut, Patt hatte als Berater bereits die Wachstumsstrategie von Ernsting’s Family mit ausgearbeitet. Doch 1997 endet der gemeinsame Weg bereits wieder. Denn die Familie wollte die gesamten Firmenanteile in eine Stiftung einbringen. Patt sollte zwar Firmenchef bleiben, aber ohne Anteile. Er lehnte ab. „Ich wollte Unternehmer sein und nicht angestellter Geschäftsführer“, sagt er rückblickend. Also verkaufte er seine Anteile.

Paul-Josef Patt spricht gerne von seinem „ersten Leben“, wenn es um diese Zeit geht. Wer weiß, ob er nicht noch Jahre im Handel verbracht hätte, wenn es bei Ernsting’s anders gelaufen wäre. Doch so begann sein zweites Leben 1999 mit einem Investment in einen kleinen Start-up-Fonds namens eCapital. Aus Paul-Josef Patt dem Handelsexperten wurde Paul-Josef Patt der Deep-Tech-Investor.

Bis heute hat eCapital vier Fonds aufgelegt. Der bislang Letzte hatte ein Volumen von 100 Millionen Euro. Der Fokus liegt seit Beginn auf Technologie-Unternehmen, „die unsere Welt ein klein bisschen besser machen“, wie Patt es nennt. So investierte man als erster Investor in den bayerischen Batteriespeicher-Anbieter Sonnen, der für einen dreistelligen Millionenbetrag an den Energiekonzern Shell verkauft wurde. Zum Portfolio gehört auch Open Xchange aus Olpe, dessen Technologie täglich von Millionen Nutzern beim Versenden und Empfangen von E-Mails genutzt wurde. Der Gründer des Unternehmens, Rafael Laguna, leitet inzwischen die von der Bundesregierung ins Leben gerufene Agentur für Sprunginnovationen, mit der bahnbrechende Technologien gefördert werden sollen.

Umgekehrt führt der Fokus auch dazu, dass man manche Chance bewusst nicht nutzt. „Wir hätten in einer sehr frühen Phase in Flaschenpost investieren können und es gern getan“, sagt Paul-Josef Patt über den Getränke-Lieferdienst, der ebenso wie eCapital in Münster angesiedelt ist. Doch man musste absagen: „Das war einfach nicht unser Investitionsfokus.“

Das eCapital-Team will nicht einfach den xten Online-Händler finanzieren, sondern sucht gezielt nach Deeptech-Gründungen. „Wir sind zum Beispiel an der Ruhr-Universität Bochum sehr aktiv im Bereich Cybersicherheit“, sagt Patt. eCapital hat für diesen Bereich sogar extra ein Budget über 50 Millionen Euro reserviert und einen zusätzlichen Spezialfonds aufgelegt, weil man das Thema als großen Zukunftstrend identifiziert hat. „Es gibt in Deutschland unheimlich viel Potenzial“, sagt Patt: „Die Qualität der Start-ups hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen.“

Das Team um Paul-Josef Patt muss es wissen. Kaum ein Risikokapitalgeber ist so lange in Deutschland aktiv wie eCapital. Der erste Fonds wurde aufgelegt, bevor die berüchtigte Dotcom-Blase kurz nach der Jahrtausendwende platzte und den Markt für Risikokapital einige Zeit nahezu austrocknete. Die ursprünglichen Gründer von eCapital zogen sich zurück – Patt blieb. 2004 siedelte er eCapital in Münster an, wo er als junger Mann studiert hatte, und begann damit, Geld für den ersten eigenen Fonds einzuwerben. Er hatte Erfolg. Am Ende konnte das Team mit dem zweiten eCapital-Fonds 40 Millionen Euro investieren. Doch Patt sagt rückblickend: „Die ersten zehn Jahre waren nicht vergnügungssteuerpflichtig.“

Heute hat sich das Team längst einen Namen in der Szene gemacht – und darüber hinaus. Paul-Josef Patt sitzt im Beirat der landeseigenen Förderbank NRW.Bank, der eCapital-Partner Willi Mannheims berät den NRW-Wirtschaftsminister seit Jahren in dessen Digital-Beirat. Das Team genießt einen guten Ruf, viele waren vor ihrer Karriere als Risikokapitalgeber selbst unternehmerisch tätig und haben durch ihr Studium oder ihre Tätigkeit technologische Expertise. In den Reihen finden sich beispielsweise gleich mehrere Ingenieure.

Mehr als 2000 Start-ups sichtet das Team pro Jahr. Etwa 100 Firmen schaut man sich sehr intensiv an, doch ein Investment bekommen nicht mal zehn Prozent davon. Fünf Start-ups hat eCapital 2020 finanziert. Ein Jahr zuvor waren es acht, Rekord für den Risikokapitalgeber. Es ist viel Geld im Markt, in den vergangenen Jahren haben selbst aberwitzige Ideen oft noch Kapital bekommen. Sieht jemand wie Paul-Josef Patt, der den Zusammenbruch des Neuen Marktes live mitbekommen hat, die Gefahr, dass sich Geschichte knapp 20 Jahre später wiederholt? „Es ist derzeit schon viel Hype dabei, aber weniger im Deeptech-Bereich“, sagt Paul-Josef Patt. Es kann also weitergehen.

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