Berliner Start-up sichert sich Millionen-Finanzierung Rewe steigt beim Express-Lieferdienst Flink ein

Köln · Express-Lieferdienste wie Gorillas und Flink versprechen die Lieferung von Lebensmitteln in zehn Minuten. Profitabel lässt sich das Geschäft bislang nicht betreiben. Dennoch überschütten Investoren die Start-ups mit Millionen.

 Der eigene Lieferdienst von Rewe schreibt noch immer Verluste.

Der eigene Lieferdienst von Rewe schreibt noch immer Verluste.

Foto: Rewe Group

Die Kölner Rewe-Gruppe beteiligt sich am Express-Lieferdienst Flink. Das Berliner Start-up gab am Freitag eine Finanzierungsrunde in Höhe von 240 Millionen US-Dollar bekannt, in deren Rahmen Rewe eine Minderheitsbeteiligung erwarb. Gleichzeitig wurde eine strategische Partnerschaft vereinbart. Rewe wird damit künftig die lokalen Lager des Lieferdienstes mit Waren versorgen.

Express-Lieferdienste wie Flink oder der Konkurrent Gorillas versprechen die Lieferung von Lebensmitteln in zehn Minuten. Dazu setzen sie auf einen hyperlokalen Ansatz, eröffnen also Lager zentral in Stadtteilen, um schnell bei den Kunden zu sein. Mit rund 2400 Produkten ist das Angebot dabei deutlich kleiner als in einem Supermarkt, die Lieferdienste setzen gezielt auf Produkte des täglichen Bedarfs.

Zuletzt ist ein Wettlauf um die Marktführerschaft in Deutschland entbrannt, allein Flink hat innerhalb kürzester Zeit den Betrieb in 18 Städten aufgenommen, darunter auch acht in NRW. In Bonn, Düsseldorf und Köln konkurriert man dabei direkt mit dem Angebot von Gorillas.

In den USA gibt es ein Vorbild für Gorillas und Flink

In den USA ist mit Gopuff bereits 2013 ein Anbieter mit einem solchen Express-Liefermodell gestartet. In Deutschland hat der Anbieter Gorillas das Geschäftsmodell im vergangenen Jahr als erster kopiert und ausgerollt. Knapp ein Jahr nach dem Start wird das Start-up von Investoren bereits mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet. Die Bewertung von Flink dürfte durch die Finanzierungsrunde ähnlich hoch sein – obwohl beide Unternehmen noch hohe Verluste schreiben und nicht klar ist, ob sich das Geschäftsmodell dauerhaft profitabel betreiben lässt.

Dennoch bereiten offenbar weitere Konkurrenten ihren Start vor. Getir bereitet seinen Start in Deutschland vor und dürfte den Wettbewerb verschärfen. Erst im März hatte das türkische Start-up durch eine Finanzierungsrunde beim Firmenwert die Marke von einer Milliarde Dollar durchbrochen. Am Freitag gab das Unternehmen ein weiteres Investment bekannt. Nun soll Getir sogar 7,5 Milliarden Dollar wert sein. Auch der Dax-Konzern Delivery Hero kündigte zuletzt an, mit einem eigenen Angebot auf dem deutschen Markt starten zu wollen. „Egal, wie viele Warenhäuser unsere Wettbewerber haben werden, wir werden mehr bauen“, betonte der Delivery-Hero-Chef Niklas Östberg in einem Interview.

Der Hype erinnert an die Expansionsphase der E-Scooter

Der Chef der Lieferplattform sieht den Hype um die Express-Lieferdienste allerdings gleichzeitig kritisch. Ihn erinnere das an den Hype um Elektroscooter, sagte Östberg zuletzt dem „Manager Magazin“. Auch bei den E-Scootern war zunächst eine Vielzahl von Anbietern in verschiedenen Großstädten gestartet. Doch viele mussten auch schnell wieder aufgeben, gemessen an den hohen Firmenbewertungen hat sich Geschäftsmodell in Deutschland bislang noch nicht erfolgreich durchgesetzt.

Mit Blick auf Gorillas, Flink und Co. sieht Östberg ähnliche Übertreibungen: „Bislang haben diese Dienste kaum mehr als 50 vernetzte Spätis, also nachts geöffnete Kioske, dazu einige Kurierfahrer. Würden Sie 50 Spätis für eine Milliarde kaufen?“ Man brauche sehr viel Optimismus, um solche Bewertungen zu rechtfertigen. Doch den gibt es offenbar unter anderem auch unter den eigenen Investoren: Mit Prosus beteiligte sich nun der größte Anteilseigner von Delivery Hero an Flink.

Für Rewe macht das Investment strategisch Sinn

Auch aus Sicht von Lebensmittel-Riesen wie Rewe macht es natürlich Sinn, sich frühzeitig mit solchen Geschäftsmodellen zu beschäftigen – sofern die Kosten angesichts der hohen Bewertungen nicht zu hoch sind. „Der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland hat in der Corona-Krise eine Verdopplung des Liefer- und Abholservice-Geschäfts erlebt. Rewe ist in diesem Segment als Marktführer in Deutschland hervorragend positioniert“, sagt Rewe-Chef Lionel Souque. Man erkenne jedoch, dass sich das Liefergeschäft mit Lebensmitteln in Deutschland aktuell sehr stark ausdifferenziert. „Neben dem umfassenden Vollsortiments-Angebot bei Rewe.de mit bis zu 20.000 bestellbaren Artikeln treten Schnell-Lieferdienste in den Markt ein“, sagt Souque.

Er weiß: Sollten sich solche Sofort-Lieferdienste durchsetzen, hätte das direkte Auswirkungen auf das Geschäft vieler Rewe-Filialen, die aktuell speziell in Großstädten für viele Menschen Anlaufstelle für Spontan-Einkäufe sind. Der Investor Philipp Klöckner, der am Flink-Konkurrenten Gorillas beteiligt ist, ist überzeugt davon, dass solche Sofort-Lieferdienste langfristig den heimischen Kühlschrank bzw. die Speisekammer ersetzen könnten. Langfristig würden alle über einem Gorillas-Lager wohnen und in drei Minuten beliefert werden, schrieb Klöckner schon im Januar beim Kurznachrichtendienst Twitter.

Blauäugig geht das Kölner Unternehmen die Minderheitsbeteiligung übrigens nicht ein. Die Rewe-Gruppe hat vor ihrem Einstieg bei Flink bereits erste Erfahrungen in dem Segment gesammelt – bislang belieferte man den Flink-Konkurrenten Gorillas.

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