Reise-Start-ups schreiben Brandbrief Google missbraucht die Krise

Meinung | Düsseldorf · In einem Brief kritisieren die Chefs von deutschen Reise-Start-ups das Vorgehen der US-Suchmaschine in der Krise. Das ist zwar purer Lobbyismus – aber gerade in diesem Fall enorm wichtig.

 Das Google-Hauptquartier im kalifornischen Mountain View.

Das Google-Hauptquartier im kalifornischen Mountain View.

Foto: picture alliance/dpa/dpa

Die Start-up-Branche hat in den vergangenen Wochen einen rasanten Lernprozess durchgemacht. Öffentlichkeitswirksam wirbt sie erst für Hilfspakete. Nun kritisieren acht Start-ups flankiert von ihrem Bundesverband, dass vom deutschen Steuerzahler finanzierte Hilfsgelder in den Taschen von Google verschwinden würden, wenn der US-Konzern keine Kulanz bei der Begleichung von Rechnungen zeigt. Die Lobby-Maschine läuft.

Mal abgesehen davon, dass bislang keines der Unternehmen – abgesehen vom Kurzarbeitergeld – Staatshilfe bekommt, fragt man sich schon, wo das Problem ist: Die Unternehmen haben für knapp 75 Millionen Euro Werbeanzeigen bei Google geschaltet – und das Unternehmen hat für die Erbringung der Leistung eine Rechnung geschickt. Klar, in der Corona-Krise sind solche Forderungen schmerzhaft, speziell wenn man gleichzeitig kaum noch eigene Umsätze erzielt. Aber Vertrag ist Vertrag – zumal auch Google die Corona-Krise spürt. Im März sanken die Anzeigenerlöse um 15 Prozent, das laufende Quartal wird laut Finanzchefin Ruth Porat ebenfalls schwierig werden.

Die Krise ist für Google eine große Chance

Dennoch ist der Aufschrei der Branche wichtig. Denn natürlich könnte Google angesichts gewaltiger Finanzreserven kulanter sein – und man darf zu Recht fragen, warum das Unternehmen dies nicht ist? Und noch wichtiger: ob es nur bei bestimmten Firmen hart bleibt?

Die Krise ist für Google, aber auch für andere große US-Digitalkonzerne wie Amazon und Microsoft die große Chance, ihre Marktmacht auszubauen. Dass Google davor nicht zurückschreckt, zeigen zahlreiche Beispiele (und Strafen der EU) in der Vergangenheit. Und auch Tech-Riesen sind wenig zimperlich. In den USA soll Amazon-Chef Jeff Bezos demnächst vor dem Kongress aussagen. Laut einer Recherche des „Wall Street Journal“ sollen Mitarbeiter Daten von anderen Verkäufern auf der Plattform ausgewertet und für die Entwicklung eigener Produkte genutzt haben. Und auch für Google ist es natürlich praktisch, in der jetzigen Phase europäische Reise-Start-ups gezielt (und noch dazu ganz legal) zu schwächen.

Die Allmacht von Google und Co. ist bereits viel zu groß.

Gut, dass die Branche aufschreit. In der Vergangenheit waren europäische Start-ups viel zu zurückhaltend, wenn es darum ging, gründerfreundliche Politik durchzusetzen – und dazu gehört eben auch Chancengleichheit. Gründer wie Johannes Reck von Getyourguide nutzen die Öffentlichkeit heute stärker, auch der Start-up-Verband wirbt lauter für die eigene Branche. Nicht allen Argumenten muss man folgen, aber allein der Austausch ist wichtig.

Ebenso gut ist es, dass auch die Politik alarmiert ist. Die Allmacht von Google und Co. ist bereits jetzt viel zu groß. Wie gefährlich Google selbst für Krisengewinnler ist, zeigte sich erst in den vergangenen Tagen. Da kündigte das Unternehmen an, seine Konferenz-Software Meet kostenlos anzubieten. Der Börsenkurs des Videokonferenz-Anbieters Zoom fiel daraufhin um sieben Prozent.

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