Hunderte Mitarbeiter wohl bald ohne Job Flaschenpost schließt nach Übernahme Standorte
Bochum · Die von Oetker in den vergangenen Jahren aufgebaute Marke Durstexpress wird bald Vergangenheit sein. An etlichen Standorten will man statt zwei Lagern nur künftig nur noch eins betreiben – hunderte Mitarbeiter verlieren wohl ihre Jobs.
Anfang Dezember hatte das Bundeskartellamt die Übernahme des Getränke-Lieferdienstes Flaschenpost (Münster) durch die Oetker-Gruppe erlaubt – nun werden die ersten Folgen sichtbar: Die von Oetker in den vergangenen Jahren aufgebaute Marke Durstexpress soll verschwinden, einzelne Logistikzentren sollen geschlossen werden, das Sortiment soll sich aus den beliebtesten Artikeln beider Unternehmen zusammensetzen. Das teilte Flaschenpost am Mittwoch mit. Was das Unternehmen nicht sagte: Hunderte Mitarbeiter werden im Zuge der Umstrukturierungen wohl entlassen.
Das erfuhr unsere Redaktion von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). In Berlin, Leipzig und Bochum wurden demnach heute die Mitarbeiter der Durstexpress-Standorte über ihre Kündigung informiert. Ihnen wurde angeboten, sich neu bei der Flaschenpost zu bewerben. „Die Mitarbeiter sind stinksauer. Der Umgang ist eine Frechheit“, sagte Jörg Most, Geschäftsführer der NGG-Region Leipzig-Halle-Dessau. In Berlin sollen zwei Logistikzentren von Durstexpress geschlossen werden, in Berlin und Bochum jeweils eines. „An einem Standort in Berlin sind wir gerade dabei, eine Betriebsratswahl vorzubereiten. Nun soll er geschlossen werden. Wir gehen davon aus, dass so ein Betriebsrat verhindert werden soll“, sagte der Berliner NGG-Verantwortliche Sebastian Riesner. Flaschenpost bestreitet einen Zusammenhang. Es gebe für die Schließung des Berliner Standorts Teilestraße ausschließlich objektive Gründe wie die vergleichsweise schlechtere Lage und das geringere Potenzial der Infrastruktur gegenüber anderen Standorten.
Im Herbst 2020 hatte die Oetker-Gruppe angekündigt, Flaschenpost übernehmen zu wollen. Zuvor hatte man versucht, mit Durstexpress einen eigenen Konkurrenten aufzubauen. Doch das Tempo des Start-ups aus Münster war zu hoch. Zudem scheinen auch die Software und die Prozesse der Konkurrenz überlegen gewesen zu sein. Sie sollen künftig in allen Standorten genutzt werden. Mit der Übernahme, kolportiert wird ein Gesamtvolumen von rund einer Milliarde Euro, sicherte sich die Oetker-Gruppe einen direkten Zugang zum Endkunden und konsolidierte gleichzeitig den Markt für Getränke-Lieferdienste.
Flaschenpost war bislang in 22 Städten aktiv, ein Großteil davon befindet sich in NRW. Durstexpress wiederum hatte sich eher auf Ost- und Süddeutschland konzentriert. „Die Mehrzahl der Lager bleibt aufgrund der hohen Nachfrage bestehen. Teilweise werden aber auch Lagerstandorte zugunsten der vorteilhafteren Infrastruktur eines Nachbarstandortes weichen“, sagt eine Sprecherin. Die Mitarbeiter sollen, wenn möglich, im jeweiligen Nachbarlager übernommen werden. Bei Flaschenpost arbeiteten zuletzt mehr als 6000 Mitarbeiter, Durstexpress kommt nach eigenen Angaben auf mehr als 3500. Das Unternehmen bestätigt, dass sich die Mitarbeiter neu bewerben müssen. Klares Ziel sei jedoch, einem Großteil der Mitarbeiter Beschäftigungsangebote zu unterbreiten, wodurch es schlussendlich keinen wesentlichen Personalabbau geben werde.
In NRW sind Durstexpress und Flaschenpost nur in Bochum parallel unterwegs. Dort soll das Durstexpress-Lager geschlossen werden. Laut Flaschenpost ist dessen Lage und Infrastruktur im Vergleich zum eigenen Standort deutlich schlechter. In Summe soll Flaschenpost künftig über 29 Lager in 25 Städten verfügen. Gleichzeitig sehe man sich in weiteren Städten nach attraktiven Standorten um, so die Sprecherin. Details wollte sie noch nicht nennen. Die Umstellung bei den bisherigen Standorten soll nach Unternehmensangaben bereits im ersten Halbjahr 2021 abgeschlossen werden.
Flaschenpost hatte einige Fragen erst nach Redaktionsschluss beantwortet, unter anderem zum Thema Betriebsrat. Wir haben diese Antworten daher nachträglich ergänzt.