Ökonom Johann Eekhoff im Interview Staatsverschuldung ist "Dummen-Verführung"

(RP). Der Wirtschaftswissenschaftler Johann Eekhoff geißelt die Lust der Bürger an einem Staat in Spendierhosen und setzt auf weitere gerichtliche Stoppzeichen gegen Schuldenmacherei.

Vor 50 Jahren formulierte Präsident Kennedy seinen berühmten Appell: Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann, fragt, was ihr für euer Land tun könnt. Würde solch ein Satz in NRW fruchten, nachdem jetzt das höchste Gericht die öffentliche Schuldenmacherei hart gestoppt hat?

Eekhoff: Die Einsicht fehlt. Die Stimmung ist nach wie vor: Alles, was wir vom Staat kriegen, ist umsonst, und das zahlen die Besserverdiener. Und jeder kennt einen, der besser verdient.

Die Bürger sind unbelehrbar?

Eekhoff: Sie verstehen einfach nicht, dass alle Forderungen, die sie an den Staat richten, ob das im Gesundheitswesen oder bei Hartz IV ist, letztlich bei ihnen selbst landen, das heißt, von ihnen bezahlt werden müssen. Das ist ein Kernproblem in Deutschland und somit auch in NRW.

Der Staat ist nur beliebt, wenn er Spendierhosen trägt?

Eekhoff: Leider erwecken die Bürger diesen Eindruck. Und Rot-Grün in NRW ist der populistischen Forderung gerne gefolgt, die Studiengebühren abzuschaffen. Wenn man sieht, was Rot-Grün in NRW bei der Abschaffung der Studiengebühren für eine Dummheit gemacht hat... Es ist doch völlig klar, dass mit wenigen Ausnahmen diejenigen, die studiert haben, besser verdienen als diejenigen, die nicht studiert haben und die Hochschulausbildung finanzieren müssen. Daraus folgt später der Druck derjenigen mit geringeren Einkommen auf die Politik, doch bitte die höheren Einkommen zur Finanzierung aller möglichen Dinge heranzuziehen.

Könnte es passieren, dass sich erst unter dem Zwang, sparsam zu haushalten, den das NRW-Verfassungsgerichtshof-Donnerwetter auslösen wird, der Lernprozess weg von Schuldenmacherei einstellt?

Eekhoff: Rot-Grün wird sich zunächst bitter darüber beklagen, dass sie ja Gutes tun wollten, das Gericht sie aber gestoppt habe. Generell gilt: Die Mehrheit der Vernünftigen im Land muss nicht nur in Nordrhein-Westfalen wieder Vertrauen entwickeln in die Regierungen. Zur Zeit herrscht zu Recht Misstrauen, ob gegenüber dem Euro-Rettungsschirm, der zu einer massiven Belastung Deutschlands führen kann; ob gegenüber Rot-Grün in NRW, die glauben, sie könnten zwei Milliarden Euro neuer Schulden oben drauf packen. Letzteres lässt sich nur damit erklären, dass die verantwortlichen Politiker denken: Die Menschen wollen sofort zusätzliche Leistungen und sie glauben, dass die höheren Schulden sie nicht betreffen. Also können wir Geld ausgeben, das wir nicht haben.

Ministerpräsidentin Kraft erweckt den Eindruck, es gebe auch gute Schulden, und zwar solche, die gemacht werden, um bildungs- und sozialpolitisch Gutes zu bewirken.

Eekhoff: Das ist nichts anderes als die Verführung der Dummen. Die Verführung verfängt, solange der Bürger nicht bereit ist, ernsthaft darüber nachzudenken, was eigentlich mit seinem Geld passiert, wenn der Staat für alles Mögliche Mehrausgaben auf Kredit beschließt.

Ist nicht aber ein Staat, der sich radikal schlank macht, in der Gefahr, das Gemeinwesen kaputt zu sparen?

Eekhoff: Man könnte sehr viel mehr private Initiative in Gang setzen. Dazu gehört das Sparen für die Ausbildung der Kinder. Das können die meisten Familien selbst leisten, so dass die Politik sich auf Hilfen für die Personen beschränken kann, die das Geld nicht aufbringen können. Dazu gehört das Einfordern von Gegenleistungen der Hartz IV-Empfänger — gegebenenfalls ohne Zusatzentgelt.

Zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes NRW. Haben hier Richter Rechtsgeschichte geschrieben?

Eekhoff: Ja, und zwar als Vorgriff auf die Schuldenbremse für Bund und Länder. Die Landschaft hat sich dadurch dramatisch verändert, was die künftigen Haushalte von Bund und Ländern betrifft. Sie dürfen in Zukunft aus verfassungsrechtlichen Gründen kein Defizit mehr machen. Bund und Länder müssen jetzt schon alles eindämmen, was die öffentlichen Haushalte finanziell belastet. Diese Regel erleichtert den Gerichten die Arbeit. Die Justiz erhält jetzt nachvollziehbare und überprüfbare Kriterien zur Einhaltung des verfassungsgemäßen Handelns der Politik.

Manche geben Rot-Grün nach der Schlappe beim Verfassungsgerichtshof in Münster den Rat, vor möglichen Neuwahlen in NRW den Bürgern die Frage zu stellen: Wollt ihr wirklich, dass eure Städte verarmen, oder sollten wir das nicht doch besser mit ein paar Milliarden neuer Schulden zu verhindern versuchen. Eine pfiffige Wahlkampf-Strategie?

Eekhoff: Nein, das könnte schief gehen. Die Kommunen können wieder mit steigenden Gewerbesteuer-Einnahmen rechnen. In der letzten Aufschwungphase hatten die Kommunen Einnahme-Steigerungen um 30 bis 35 Prozent. Das Geld haben sie umgehend ausgegeben. Und wenn dann nach einer Hochkonjunktur eine Rezession kommt, versuchen sie die Länder und den Bund anzuzapfen. Besser wäre es, die Gewerbesteuer zu reformieren, um die starken Einnahmeschwankungen zu vermeiden.

Reinhold Michels führte das Interview.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort