Ende einer beispiellosen Karriere "Spiegel" sucht neuen Chef

Hamburg/Düsseldorf (RP). Stefan Aust hat den Machtkampf beim mächtigen Nachrichtenmagazin verloren. Verlagsspitze und Mitarbeiter verhindern seine Vertragsverlängerung. Es ist das Ende einer beispiellosen Karriere.

Wer ist Stefan Aust?
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Foto: ddp

Ein endloser Sandstrand, Palmen, 30 Grad, kaum Wolken trotz Regenzeit, mäßiger Wind - das fernöstliche Ferienparadies Bali präsentierte sich Stefan Aust und seinen Lieben gestern von der besten Seite. Bis zu dem Moment, als den Chefredakteur von Deutschlands wichtigstem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" ein Anruf auf seinem Handy erreichte. Es waren schlechte Nachrichten aus dem eisigen Hamburg: Stefan Aust muss gehen. Sein Vertrag als Redaktionschef wird nicht über den 31. Dezember 2008 verlängert. Ein vorzeitiger Abgang Austs gilt als wahrscheinlich.

Normalerweise wäre das eine Medienpersonalie, nur eine Nachricht für Nachrichtenmacher. Doch der 61 Jahre alte Aust ist nicht irgendein Journalist. Er gehört zu den bekanntesten Vertretern seiner Zunft. Sein Gesicht, die nölige norddeutsche Stimme des in Stade geborenen Medienmannes kennen Millionen aus dem Fernsehen. Aust erfand in den neunziger Jahren das bis heute erfolgreiche Magazin "Spiegel-TV", hatte sich schon zuvor als linker "Panorama"-Redakteur einen Namen gemacht. Sein Sachbuch "Der Baader-Meinhof-Komplex" gilt als Standardwerk über die Geschichte der RAF.

Seit 1994 an der Spitze

Seit 1994 steht Aust an der Spitze des "Spiegel". Rudolf Augstein, inzwischen verstorbener Gründer des Magazins, holte ihn an die Spitze der Redaktion. Aust entstaubte das "Sturmgeschütz der Demokratie" (Augstein). Er kopierte sogar Elemente des 1993 auf den Markt gekommenen Konkurrenten "Focus". Auch der "Spiegel" setzte fortan auf Infografiken und Farbfotos. Aust kürzte Textlängen, holte neue, bunte Themen ins Blatt. Damit stabilisierte er die Auflage des Montagsblattes bei mehr als einer Million verkaufter Exemplare.

Den Verdacht, dass seine Liebe aber dem TV und nicht dem Magazin gilt, wurde der leidenschaftliche Pferdezüchter in der Redaktion nie los. Der Chefredakteur moderierte weiter "Spiegel-TV", trat allein in diesem Jahr auch als Autor von Fernseh-Dokumentationen über die Globalisierung im ZDF und die RAF in der ARD auf. Das erfolgreiche Internet-Portal "Spiegel Online" ignorierte er. Den immer beliebiger werdenden "Spiegel" steuerten meist seine Stellvertreter. Als Aust dann das nach dem Willen seines Gründers Augstein im "Zweifelsfall linke" Magazin vor der Bundestagswahl 2005 auf Anti-Rot-Grün-Kurs lenkte, sorgte das für erheblichen Unmut im Verlag und bei den Augstein-Erben.

Genug von Aust

Vor allem die Redakteure, vertreten durch die Mitarbeiter KG, die 50,5 Prozent der Verlagsanteile hält, hatten da genug von Aust. Auch der neue Geschäftsführer Mario Frank, der 2006 den Aust-Vertrauten Karl Dietrich Seikel als Verlagsmanager ablöste, ist kein Aust-Fan. "Weder Mitarbeiter noch Frank trauen Aust noch zu, das Blatt in die neue Zeit zu lenken und wieder gewichtiger zu machen", so ein "Spiegel"-Insider. Die gestrige Pressemitteilung des Verlages klirrt vor Kälte: "Die Gesellschafter des Spiegel-Verlags haben einvernehmlich auf Initiative der Mitarbeiter-KG beschlossen, den Vertrag von Stefan Aust ... nicht zu verlängern." Dankesfloskeln? Fehlanzeige.

Erste Namen für die Nachfolge werden gehandelt: Favorit in Redaktion wie Verlag ist "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. Di Lorenzo dementiert - noch. Auch Ex-"Zeit"-Redakteur Thomas Kleine-Brockhoff, Vertreter des German Marshall Fund in den USA, wird genannt.

Ob es den Aust-Gegnern aber so einfach gelingen wird, ihren immer noch kämpferischen Gegner einfach abzuservieren, ist ungewiss: Der Noch-Chefredakteur, dessen Gehalt auf ca. 1,6 Millionen Euro pro Jahr geschätzt wird, charterte gestern auf Bali einen Privatjet. Reiseziel: Hamburg.

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