Interview mit Günther Oettinger "Sockel-Bergbau unrealistisch"

(RP). EU-Energiekommissar Günther Oettinger über seine Pläne, die Steinkohle-Subventionen bis 2018 durchzusetzen, den Bau einer Gaspipeline vom kaspischen Raum nach Deutschland und die Notwendigkeit eines europäischen Atommüll-Endlagers.

Interview mit Günther Oettinger: "Sockel-Bergbau unrealistisch"
Foto: AP, AP

Vor wenigen Wochen hat die EU überraschend das Ende der Steinkohle-Subventionen im Jahr 2014 verlangt. Bleibt es dabei?

Oettinger Die geltende EU-Verordnung hat die Subventionen nur bis Ende 2010 erlaubt. In den Kommissionsberatungen haben wir eine neue Verordnung bis 2018 angestrebt. Eine Mehrheit hat dann aber eine neue Laufzeit bis 2014 befürwortet. Dieser Vorschlag geht in den zuständigen Rat der Mitgliedsstaaten, und es bleibt unser Interesse, 2018 noch möglich zu machen.

Warum gibt es Verhandlungsbedarf, wenn der deutsche Kohlekompromiss aus dem Jahr 2007 doch sowieso eine Förderung bis 2018 vorsieht?

Oettinger Der deutsche Kohlekompromiss hat derzeit keine europäische Rechtsgrundlage. Laut EU-Recht sind Subventionen grundsätzlich verboten. Ausnahmen kann nur die EU selber erlauben. Und eine solche EU-weite Ausnahmeregelung galt für die Steinkohle nur bis Ende 2010. Die Regelung wurde 2002 beschlossen, war also lange vor dem deutschen Kompromiss bekannt.

Wer hat versäumt, den deutschen Kohlekompromiss mit dem EU-Recht abzugleichen?

Oettinger Es gab auf Arbeitsebene Kontakte zur EU. Der Kompromiss hätte aber von der EU nicht notifiziert werden können, weil es dafür keine europäische Rechtsgrundlage gab.

Was bedeutet es für die Kumpel, wenn der Ausstieg tatsächlich schon vor 2018 erfolgen muss?

Oettinger Es bleibt unser Ziel, den deutschen Kohlekompromiss mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen. In jedem Fall sind darüber hinaus soziale Maßnahmen wie Frührenten, Umschulungsmaßnahmen und Abfindungen noch bis 2026 möglich.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft will sogar einen Sockel-Bergbau über 2018 hinaus diskutieren...

Oettinger Ich habe am Donnerstag lange mit Frau Kraft telefoniert und verstehe auch ihre Sorgen um Massenentlassungen. Wir sollten aber nicht unrealistische Hoffnungen wecken. Man kann nicht auf Dauer eine Branche mit öffentlichen Geldern am Leben erhalten, die nicht wettbewerbsfähig ist. Wir müssen den Bergleuten direkt helfen. Nicht durch Subvention der Jobs, wohl aber durch Umschulung.

Deutschland ist massiv auf Gas aus dem Ausland angewiesen. Das hat Russland schon mehrfach als politisches Druckmittel eingesetzt. Ist unser Gas sicher?

Oettinger Genau wegen dieser Abhängigkeit dürfen wir nicht auf zu wenig Länder angewiesen sein. Deshalb ist die Nabucco-Pipeline so wichtig, die das weltgrößte Gasfeld im kaspischen Raum mit Deutschland verbindet, ohne russisches Territorium zu berühren.

Bis jetzt liegt noch nicht einmal ein Baubeschluss vor.

Oettinger Die Pipeline kann 2014 fertig werden. Wir bereiten gerade eine Nabucco-Konferenz vor, die bis Jahresende alle technischen und rechtlichen Fragen abschließend beantwortet.

Der Iran verfügt über das weltweit zweitgrößte Vorkommen. Auch ein potenzieller Lieferant?

Oettinger Bei der gegenwärtigen politischen Lage in diesem Land nicht.

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zeigt, dass der Zenit der Ölförderung überschritten ist. Brauchen wir ein EU-weites Energie-Konzept?

Oettinger Ich bin dabei, eine Strategie bis 2020 zu entwickeln. Vor allem die Netze müssen ausgebaut werden, um Versorgungssicherheit, Wettbewerb und die Einspeisung der meist dezentral gewonnenen erneuerbaren Energie zu gewährleisten.

Welche Rolle spielt die Atomkraft in Ihrem Konzept?

Oettinger Der Energiemix ist Sache der Mitgliedsstaaten, nicht der EU.

Brauchen wir ein europäisches Atommüll-Endlager?

Oettinger Ja. Ich will auf keinen Fall einen Export von nuklearen Abfällen in Drittländer.

Die EU-Mitgliedsstaaten wollen die Energieeffizienz bis 2020 um 20 Prozent steigern. Wie weit sind wir?

Oettinger Von allen Energie-Zielen der EU kommen wir auf diesem Gebiet am langsamsten voran. Ich werde Ende November einen Entwurf präsentieren, der aufzeigt, wie wir das schaffen können. Dabei spielt der private Gebäudebestand eine große Rolle. Es muss mehr in die energetische Gebäudesanierung investiert werden.

Wer bezahlt's?

Oettinger Deutschland steht schon gut da. In Ländern wie England ist man noch nicht so weit. Wir werden regionale und strukturelle Förderprogramme der EU stärker auf dieses Thema konzentrieren müssen.

Thomas Reisener führte das Gespräch.

(RP)
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