Regionaler Deutschland-Vergleich So groß ist die Armut in den Bundesländern

Berlin/Wiesbaden (RPO). Vor allem ostdeutsche Regionen drohen in einen Teufelskreis der Verarmung zu geraten. Das geht aus dem "Ersten Armutsatlas für Regionen in Deutschland" hervor, den der Paritätische Wohlfahrtsverband am Montag in Berlin vorgestellt hat. Die regionalen Armutsquoten reichen demnach von 7,4 Prozent im Schwarzwald bis zu 27 Prozent in Vorpommern.

So arm sind die deutschen Bundesländer
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Foto: AFP

Während in Mecklenburg-Vorpommern knapp ein Viertel (24,3 Prozent) und in Sachsen-Anhalt gut ein Fünftel (21,5 Prozent) der Bevölkerung weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland zur Verfügung hat, trifft dies in den südlichen Bundesländern Baden-Württemberg (10 Prozent) und Bayern (11 Prozent) nur auf rund ein Zehntel zu, wie auch das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden mitteilte.

Grundlage sind Berechnungen des Mikrozensus für das Jahr 2007 hervor, die die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder im Rahmen des Projekts "Sozialberichterstattung der amtlichen Statistik" erstmals erstellt haben. Gemäß einer Definition der Europäischen Union gilt als armutsgefährdet, wer mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Bevölkerung auskommen muss.

Durchschnittliches Armutsrisiko von 14,3 Prozent

Insgesamt betrug die Armutsgefährdungsquote in Deutschland im Jahr 2007 14,3 Prozent. Während in den neuen Ländern (einschließlich Berlin) 19,5 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet waren, lag die Quote im früheren Bundesgebiet mit 12,9 Prozent deutlich niedriger. Die Quote war im Osten in nahezu allen Altersgruppen höher als im Westen.

Besonders von Armut bedroht sind erwerbslose Personen sowie Alleinerziehende und deren Kinder. Auch hier sind im Ländervergleich erhebliche Unterschiede festzustellen: Während die Armutsgefährdungsquote der Erwerbslosen in Baden-Württemberg mit 40,3 Prozent im Jahr 2007 den niedrigsten Wert aufwies, waren in Sachsen-Anhalt zwei Drittel aller Erwerbslosen (66 Prozent) armutsgefährdet.

Bei den Personen in Alleinerziehenden-Haushalten waren die niedrigsten Quoten in den Stadtstaaten Berlin (28,6 Prozent) und Hamburg (29,6 Prozent) festzustellen; die höchste Quote wies auch hier Sachsen-Anhalt mit 53,7 Prozent auf.

Regional tief zerissen

"Die regionale Betrachtung der Armut führt uns erstmals vor Augen, dass Deutschland nicht nur sozial, sondern auch regional ein tief zerrissenes Land ist", sagt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Verbandes. "Wir haben uns viel zu lange durch bundesweite Durchschnittsquoten blenden lassen. Der Mensch lebt aber in der Region, nicht im Durchschnitt."

Dabei belege der Atlas, dass die gängige statistische Unterscheidung zwischen Ost- und Westdeutschland in der Realität viel zu kurz greife. "Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall ist Deutschland nicht länger zwei- sondern mindestens dreigeteilt und im Hinblick auf die Armutsbetroffenheit zerrissener als je zuvor", sagte Schneider. Wenn die ärmste Region eine viermal so hohe Armutsquote aufweise wie die reichste, habe das mit gleichwertigen Lebensverhältnissen nichts mehr zu tun.

Gezielte Förderung nötig

Ohne gezielte Maßnahmen der Armutsbekämpfung werde mittelfristig jede Grundlage für eine gute ökonomische Entwicklung in den betroffenen Regionen zerstört. "Was wir brauchen ist die nachhaltige Verknüpfung von Wirtschafts- und Sozialpolitik mit der gezielten Förderung von Regionen", forderte Schneider.

Scharfe Kritik übte der Verband in diesem Zusammenhang an dem Konjunkturpaket II. Die zehn Milliarden Bundesmittel für Investitionen in Bildung und kommunale Infrastruktur flössen zu einem Drittel in die drei Bundesländer, die mit Abstand die geringsten Armutsquoten aufweisen. Eine solche Mittelverteilung sei ökonomisch unvernünftig und sozial ungerecht. Maßnahmen wie die Abwrackprämie würden die Spaltung zwischen Arm und Reich noch vergrößern, anstatt sie zu schließen, kritisierte Schneider.

(AFP)
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