Mülheim/München Siemens droht Abbau von 7800 Stellen

Mülheim/München · In Deutschland sollen angeblich rund 3300 Jobs wegfallen. Damit endet die Unsicherheit für die Beschäftigten allerdings noch nicht. Zeitgleich lässt der Münchener Konzern die Wirtschaftlichkeit mehrerer Einheiten prüfen.

Siemens droht Abbau von 7800 Stellen
Foto: dpa

Wenn am Freitag Hunderte Mitglieder der IG Metall NRW durch die Straßen von Mülheim an der Ruhr ziehen, um mit Trillerpfeifen und Transparenten Druck bei den dritten Metall-Tarifverhandlungen zu machen, könnte bei den Demonstranten ein Thema die Lohnforderung noch überlagern: der geplante Stellenabbau bei Deutschlands größtem Technikkonzern Siemens.

Weltweit, so berichtete es am Donnerstag ein Insider der Nachrichtenagentur Bloomberg, sollen im Zuge des Konzernumbaus 7800 der 343.000 Jobs gestrichen werden. In Deutschland stünden rund 3300 der 115.000 Stellen vor dem Aus. Ein Siemens-Sprecher wollte die Zahlen auf Anfrage nicht kommentieren. Vorstandschef Joe Kaeser will am Freitag erst die Belegschaft und dann die Öffentlichkeit informieren.

 Siemens-Chef Joe Kaeser will den Elektrokonzern mit dem Umbau schlanker, effizienter und kundennäher machen.

Siemens-Chef Joe Kaeser will den Elektrokonzern mit dem Umbau schlanker, effizienter und kundennäher machen.

Foto: ap

Dass Stellen wegfallen, ist jedoch unumstritten. Denn Kaeser hat die Strukturen des hochkomplexen Siemens-Firmengeflechts entschlackt. Der 57-Jährige dreht die Uhren zurück auf die Zeit vor der Ära Peter Löscher, den er vor eineinhalb Jahren beerbte: zehn statt 16 Bereiche, ein Wegfall der Untergliederung nach Regionen, zudem eine Konzentration auf die Felder Energietechnik, Öl- und Gasförderungszubehör sowie Industrieausrüstung. Mit dem Umbauprogramm will Kaeser bis 2016 eine Milliarde Euro sparen. Durch die neue Struktur werden vor allem im Service- und Verwaltungsbereich Stellen überflüssig. Bezahlt werden sollen die Kosten für das Effizienzprogramm zum Teil durch Verkaufserlöse. So hatte Siemens nach eigenen Angaben mit der Veräußerung der Hörgerätesparte und seinen verbliebenen Anteilen an der Hausgerätesparte einen Buchgewinn von drei Milliarden Euro vor Steuern erzielt.

Verantwortlich für die Umsetzung des Effizienzpakets wird die frisch inthronisierte hauptamtliche Arbeitsdirektorin Janina Kugel sein. Die 45-Jährige ist am vergangenen Sonntag als jüngstes Mitglied in den Vorstand aufgerückt. Die Ökonomin gehört dem Vernehmen nach zu Kaesers innerem Führungskreis, ist seit 2001 im Konzern, war unter anderem drei Jahre lang Personalchefin bei der Siemens-Tochter in Italien und zuletzt in Kaesers Beraterkreis für die Führungskräfteentwicklung zuständig. Erfahrungen mit dem schwierigen Feld Stellenabbau dürfte sie haben, begann sie ihre Karriere doch 1997 bei der unter anderem auf Outsourcing spezialisierten Unternehmensberatung Accenture. Allerdings dürfte der Umbau kein leichter Job werden. Und die Zahlen, die gestern durchsickerten, sind womöglich noch nicht das Ende der Fahnenstange. Denn vor allem im Energie-Geschäft und zuletzt auch im Bereich der Medizintechnik knirscht es gewaltig. "Wir haben kein Geschäft im Hause mit vergleichbar großem Handlungsbedarf", hatte Kaeser bei der Vorstellung der jüngsten Quartalszahlen gesagt und als Ursache genannt, dass "die Zeichen der Zeit nicht erkannt worden sind" - sprich: der Ölpreisverfall und damit die Zurückhaltung bei Ersatzinvestitionen erdölexportierender Länder wurden nicht ausreichend eingeplant. Aber auch die teure Akquisition des US-Kompressorenherstellers Dresser-Rand für umgerechnet rund 6,7 Milliarden Euro könnte angesichts des Ölpreisverfalls zur Belastung werden.

Die neue Energie-Vorstandsfrau Lisa Davis muss deshalb handeln. Die Amerikanerin, die ihre Division von Houston aus steuert, hat die Untersuchung "PG 2020" in Auftrag gegeben. Noch bis Anfang März lässt Davis feststellen, welche Einheiten noch gewinnträchtig sind. Mit dabei: die nordrhein-westfälischen Werke in Duisburg (Turboverdichter) und Mülheim (Dampfturbinen und Generatoren). Sobald die Zahlen vorliegen, will das Management bis Mai über die Zukunft der Einheiten entscheiden.

Zur Siemens-Strategie sagte der IG-Metall-Chef von NRW, Knut Giesler, unserer Zeitung: "Siemens muss Beschäftigung in Deutschland sichern durch Innovationen, die hier Früchte tragen, statt sich darauf zu reduzieren, Unternehmensteile zu kaufen oder zu verkaufen."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort