Bestechungsskandal Athen ermittelt gegen deutsche Top-Manager

München/Athen · Die griechische Justiz geht gegen 64 Personen vor, die in einen Bestechungsskandal um einen Siemens-Auftrag für die Athener Telekom-Gesellschaft OTE verwickelt sein sollen – unter ihnen sind mindestens 13 Deutsche.

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Foto: ap

Die griechische Justiz geht gegen 64 Personen vor, die in einen Bestechungsskandal um einen Siemens-Auftrag für die Athener Telekom-Gesellschaft OTE verwickelt sein sollen — unter ihnen sind mindestens 13 Deutsche.

In ihrem Bestreben, stärker gegen Korruption und Steuerhinterziehung vorzugehen, will die Athener Staatsanwaltschaft den umstrittenen Vertragsabschluss von 1997 zwischen dem Münchner Elektronik-Konzern Siemens und der griechischen Telekommunikationsgesellschaft OTE aufrollen. In einem Zwischenbericht, den die Strafverfolger am Montag in Athen veröffentlichten, ist von 64 Personen aus dem Management beider Unternehmen die Rede, die angeblich in einen Bestechungs- und Geldwäscheskandal verwickelt waren. In dem Geschäft vor 18 Jahren unter dem Titel "Contract 8002" ging es um die Digitalisierung der griechischen Telefongesellschaft, die sich seit 2008 zu 40 Prozent in der Hand der Deutschen Telekom befindet.

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Der Bericht der Staatsanwaltschaft gilt als Grundlage für eine spätere Anklage. Es geht dabei um 62 Millionen Euro an Bestechungsgeldern. Athener Quellen zufolge soll der griechische Staat durch Geldwäsche und Steuerhinterziehung zusätzlich 80 Millionen Euro verloren haben. Angeblich wurden 50 Millionen Euro auf Schweizer Konten gelagert, ohne dass der griechische Fiskus Zugriff darauf hatte.

Untersuchungen begannen 2006

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Unter den Beschuldigten befinden sich mindestens 13 deutsche Staatsbürger, darunter der frühere Griechenland-Chef von Siemens, Michael Christoforakos, der auch einen griechischen Pass besitzt. Daneben ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den früheren Siemens-Chef Heinrich von Pierer sowie die Vorstände Volker Jung, Roland Koch, Thomas Ganswindt und Hans-Jörg Kutschenreuter, die alle an führender Stelle im Netzwerkgeschäft des Münchner Konzerns standen. Gegen von Pierer gibt es nach Informationen von "Focus-Online" offenbar keine substanziellen Vorwürfe.

Der frühere Finanzvorstand Hans-Joachim Neubürger, der auch auf der Liste stand, hatte sich vor wenigen Wochen das Leben genommen. Die Strafverfolger haben laut der griechischen Webseite "Greek Reporter" 19 Manager von Siemens und 13 von OTE im Visier. Bei den übrigen Personen handelt es sich unter anderem um den Berater des früheren griechischen Ministerpräsidenten Kostas Simitis, Theodoros Tsoukatos, und den Ex-Transportminister Tasos Mantelis. Vor allem Ch ristoforakos soll in einem umfangreichen System alle Verantwortlichen mit Zuwendungen bedacht haben. So erhielt Tsoukatos angeblich eine Million D-Mark, Minister Mantelis 450 000 D-Mark. Die Untersuchungen begannen 2006.

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Foto: dpa, el ase

Gegen Christoforakos, der in Deutschland lebt, hatte die griechische Justiz bereits im Jahr 2009 einen Auslieferungsantrag gestellt. Damals wurde erstmals das gesamte Ausmaß des Bestechungsskandals publik. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelte gegen Christoforakos, stellte aber das Verfahren ein. Die Auslieferungsanträge wurden mehrfach vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen. Nach dem Grundgesetz dürfen deutsche Gerichte keine deutschen Staatsbürger an das Ausland ausliefern. Ein neuer Auslieferungsantrag liegt laut Münchner Generalstaatsanwaltschaft nicht vor.

Siemens-Konzern äußert sich nicht

Für den griechischen Außenminister Nikos Kotzias ist der Fall Christoforakos ein Zeichen deutscher Doppelmoral. Er kritisierte Deutschland am Wochenende dafür, seiner Regierung "pseudo-moralische" Ratschläge gegen Korruption zu erteilen, "während sich Menschen, die Skandale ausgelöst haben, in Deutschland aufhalten". Griechenland fordert die Offenlegung der Konten des Beschuldigten. Christoforakos hatte Siemens 1,2 Millionen Euro in einem außergerichtlichen Vergleich gezahlt. Ob es in Athen zum größten Korruptionsprozess der griechischen Geschichte kommt, muss nun ein Richterkollegium entscheiden.

Der Siemens-Konzern, der mit dem Verfahren nichts zu tun hat, äußert sich nicht zu den Beschuldigungen gegen die früheren Manager. Im Jahr 2012 hatte sich der Elektronik-Anbieter mit Griechenland außergerichtlich verglichen. Das Abkommen hatte einen Wert von 270 Millionen Euro. Siemens verzichtete auf Forderungen von 80 Millionen Euro und versprach, Transparenzinitiativen der griechischen Regierung mit 90 Millionen Euro zu fördern. Zugleich sagte der Konzern zu, mit 100 Millionen Euro seine Aktivitäten in Griechenland auszubauen.

(kes)
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