Interview mit Dirk Lange „Schutzmasken dort, wo sie gebraucht werden“

Der Zentraleuropa-Chef von 3M über den Beitrag des Technologiekonzerns im Kampf gegen die Corona-Krise.

 Medizinisches Personal wie diese Mitarbeiterin einer Teststation verwendet Schutzmasken von 3M.

Medizinisches Personal wie diese Mitarbeiterin einer Teststation verwendet Schutzmasken von 3M.

Foto: dpa/Sven Hoppe

3M ist ein bedeutender Hersteller von Medizinprodukten. Welche sind derzeit vor allem gefragt?

Lange Momentan hat die Unterstützung des medizinischen Personals in der Akutversorgung und der Intensivmedizin absolute Priorität. Hier gilt es, mit 3M-Produkten wie FFP2-Schutzmasken, OP-Masken, OP-Kitteln oder Desinfektionsmitteln diese Hilfskräfte vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen. Wir müssen aber auch an den Schutz des Personals in strukturrelevanten Bereichen denken, die in der aktuellen Pandemie ebenfalls von zentraler Bedeutung sind. Zum Beispiel in der Energieversorgung, in Lebensmittel- oder in Pharmaunternehmen.

Viele Unternehmen klagen über gestörte Lieferketten und fehlende Vorprodukte. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Lange Das Fertigungsmodell von 3M ist lokal für lokal. Dieser Produktionsansatz ermöglicht es uns, Kunden in den verschiedenen Regionen bestmöglich zu bedienen. Persönliche Schutzausrüstung stellen wir an unterschiedlichen Standorten weltweit her, unter anderem in den USA, Lateinamerika, Asien und Europa. In Deutschland hat 3M keine Atemschutzmasken-Produktion, aber aus unserem europäischen Warenverteilzentrum in Jüchen werden 75 Länder mit mehr als 20.000 verschiedenen Produkten, unter anderem auch Schutzausrüstung, beliefert. Ausfuhrbeschränkungen einzelner Länder stellen eine Herausforderung für hochautomatisierte globale Lieferketten dar, die auch die zeitnahe Versorgung von Krankenhäusern und Arztpraxen in Europa gefährden.

Kliniken klagen über einen Mangel an Schutzausrüstung und OP-Masken. Was könnte die Politik tun, um 3M beim Hochfahren der Produktion medizinischer Produkte zu unterstützen?

Lange Wir haben bei 3M unsere Produktionskapazitäten weltweit inzwischen verdoppelt. Mittlerweile produzieren wir auf einem Niveau, das einer jährlichen Produktionsleistung von über einer Milliarde Atemschutzmasken entspricht. Unsere technischen Experten arbeiten mit Hochdruck daran, die weltweiten Kapazitäten in den nächsten zwölf Monaten noch einmal zu verdoppeln auf knapp zwei Milliarden Atemschutzmasken. Es ist gerade jetzt wichtig, dass der Staat koordiniert festlegt, mit welcher Priorität die Schutzprodukte dort hinkommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Wir können dabei auch mit unserer Logistik-Infrastruktur helfen. Der Staat kann jetzt mit dem Abbau von Bürokratie dazu beitragen, den schnellen und ungehinderten Warenfluss zu unterstützen.

 Dirk Lange ist seit Januar 2020 Managing Director für die Region Zentraleuropa und verantwortlich für über 8000 3M-Mitarbeiter.

Dirk Lange ist seit Januar 2020 Managing Director für die Region Zentraleuropa und verantwortlich für über 8000 3M-Mitarbeiter.

Foto: 3M

Sie kennen den globalen Markt gut: Wird es gelingen, die Versorgungslücken zu schließen und genug Schutzausrüstung herzustellen?

Lange Wir sehen momentan, wie die Infektionszahlen in vielen Ländern exponentiell steigen. Natürlich ist das eine große Herausforderung. Ich denke, wir brauchen innovative Technologien und branchenübergreifende Kooperationen, um diese Herausforderung langfristig zu meistern. Aber es geht auch darum, jetzt schnell Hilfe zu organisieren. So konnten wir beispielsweise in der letzten Woche 10.000 dringend benötigte Atemschutzmasken in den Kreis Heinsberg liefern. Darüber hinaus stellen wir dem deutschen Gesundheitssystem über 20 Millionen Schutzmasken bereit.

Welche Rolle spielt der deutsche Produktionsstandort von 3M für die Herstellung dieser Waren?

Lange Keinen. Wir produzieren in Deutschland keine Schutzmasken und medizinische Schutzprodukte, die nun zum Kampf gegen die Corona-Krise so dringend benötigt werden, sondern importieren diese aus dem europäischen Ausland und Asien nach Deutschland. Lediglich die Auslieferung wird dann über unser Warenverteilzentrum in Jüchen abgewickelt.

Wohin exportieren Sie diese?

Lange Nachdem die Schutzmasken nach Jüchen importiert wurden, verschicken wir sie von dort aus in alle Teile Deutschlands und Europas. Jüchen ist dabei als größter Logistik-Standort von 3M in Europa von zentraler Bedeutung. Lassen Sie mich hier einen wichtigen Punkt ansprechen. Uns hat die Berichterstattung Ihrer Redaktion und vor allem auch die Kommentierung sehr betroffen gemacht. Hier wurden nicht nur falsche Fakten vermittelt, sondern auch ein negatives Bild unseres Unternehmens gezeichnet, das für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter empörend und verletzend war. Gerade unsere Mitarbeiter, die im Kampf gegen Covid-19 ihr Möglichstes geben, haben das nicht verdient. Ich möchte erneut unterstreichen, dass wir unsere Schutzprodukte nicht in die USA exportieren, wie Sie zunächst berichtet haben, sondern im Gegenteil: Wir stellen über Produktionsstandorte im Ausland die Versorgung mit Schutzprodukten auch hier in Deutschland sicher.

Danke für Ihre offene Kritik. Lassen Sie uns hinzufügen, dass wir nach bestem Wissen und Gewissen unter Berufung auf einen hochrangigen Ermittler berichtet hatten. Die Information, dass Sie in die USA exportieren wollten, hat sich als falsch herausgestellt. Daraufhin haben wir uns korrigiert und den Kommentar zurückgezogen. Wir können uns nur bei Ihnen und Ihren Mitarbeitern aufrichtig entschuldigen. Wie geht es Ihren Mitarbeitern aktuell? Gibt es Infektionsfälle bei 3M in Deutschland, wie viele sind in Quarantäne?

Lange Unser Krisenstab trifft sich zweimal täglich per Videokonferenz. Wir sind mit internen und externen Experten in engmaschigem Austausch. Über die Zahl der bestätigten Infektionen können wir auch zum Schutz unserer Mitarbeiter keine Auskunft geben. Wir setzen aber alles daran, dass die Zahl der Infektionen gering bleibt. Wir haben Mitarbeiter entsprechend unserer Pandemiepläne umgehend in Quarantäne geschickt, wenn nur die geringste Möglichkeit einer Infektion bestand.

Wie schützen Sie Ihre Mitarbeiter und sichern die Produktion?

Lange Viele unserer Mitarbeiter arbeiten von zu Hause. Wir wollen den engen Dialog und Informationsaustausch auch vom Homeoffice sicherstellen. Mit regelmäßigen Frage- und Antwortformaten und intensiver Aufklärung zu geeigneten Schutzmaßnahmen. Uns ist sehr wichtig, dass unsere Mitarbeiter gut über Infektionswege informiert sind, um sich selbst schützen zu können. Im Mittelpunkt stehen für uns „Social Distancing“ zur Verhinderung von Tröpfcheninfektionen und zahlreiche Hygienemaßnahmen zur Reinigung und Desinfektion von Oberflächen. Ich selbst habe übrigens keine einzige Schutzmaske, weder im Büro noch zu Hause. Denn am sinnvollsten ist der Einsatz im direkten Patientenkontakt in den Krankenhäusern. Entscheidend sind aus meiner Sicht das „Social Distancing“ und das Achten auf zusätzliche Hygiene. In der Produktion und Logistik funktioniert das mit dem Homeoffice natürlich nicht. Hier haben wir zusätzliche Maßnahmen eingeleitet. Zum Beispiel eine zeitliche Entzerrung und bauliche Veränderungen, wie Abtrennungen oder Plexiglaswände.

(Antje Höning und Moritz Döbler stellten die Fragen.)
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