Merkel will Betroffenen helfen Schlecker-Kette wird zerschlagen

Berlin · Das Aus für die insolvente Drogeriekette Schlecker ist besiegelt: Der Gläubigerausschuss habe keine Perspektive für eine wirtschaftlich vertretbare Fortführung oder die Veräußerung des Gesamtkonzerns an einen Investor mehr gesehen, hieß es nach der entscheidenden Sitzung des Gremiums am Freitag in Berlin. Kanzlerin Angela Merkel hat Hilfe angekündigt.

Chronologie der Schlecker-Pleite
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Die fast 14.000 von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeiter der Schlecker-Märkte können auf Hilfe der Bundesregierung hoffen. "Wir werden über die Bundesagentur für Arbeit und natürlich vor allen Dingen auch über die regionalen Arbeitsämter sicherlich alles daran setzen, dass die Beschäftigten die Chance bekommen, schnell wieder eine Arbeit zu bekommen", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag in Berlin.

Es gehe vor allem um die Menschen und "insbesondere ja auch Frauen, die darauf hoffen, wieder eine Arbeit zu bekommen", betonte die CDU-Vorsitzende. Da sei im Augenblick "sicher vieles möglich". Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen werde sich in Absprache mit der Arbeitsagentur kundig machen "und dann alles versuchen, um hier Hilfe zu leisten".

Merkel erklärte, die Bundesregierung müsse die "Entscheidung zur Kenntnis nehmen, die die Gläubiger gefällt haben". Das zahlungsunfähige Unternehmen wird zerschlagen, weil die Verluste und die Risiken zu hoch waren und sich deswegen kein Investor finden ließ.

Zuvor hatte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs Hilfe für die betroffenen Schlecker-Mitarbeiter abgelehnt. "Wir brauchen auch dann keine zusätzlichen staatlichen Maßnahmen, wenn Schlecker jetzt zerschlagen wird", sagte Unionsfraktionsvize Fuchs unserer Redaktion. "Es gibt überall einen großen Bedarf an Arbeitskräften gerade im Handel. Ich bin deshalb sehr optimistisch, dass die Schlecker-Mitarbeiterinnen eine neue Stelle finden werden", sagte Fuchs. "Der deutsche Arbeitsmarkt ist dank der robusten Konjunktur derzeit sehr aufnahmefähig", sagte der CDU-Politiker.

Verdi fordert Hilfen

Verdi-Chef Frank Bsirske hat der FDP die Schuld für das Aus der Drogeriekette gegeben. "Die Verantwortung liegt bei Philipp Rösler und Rainer Brüderle", sagte Bsirske am Freitag in Berlin. Der FDP-Parteichef und der Fraktionschef hätten eine Transfergesellschaft verhindert und damit die größte Insolvenz in der Geschichte der Bundesrepublik besiegelt.

Jetzt müsse ein Sonderfonds für die Beschäftigten gebildet werden, vergleichbar mit einer Verlängerung des Insolvenzgeldes, forderte Bsirske. Mit mehr Zeit sei die Zukunft der Schlecker-Mitarbeiter noch zu retten. "Zwei bis drei Monate Zeitgewinn könnten bei der Investorensuche helfen." Bei der Abwicklung von Schlecker dürften mehr als 13.000 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren.

Auch der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Hubertus Heil, hat Wirtschaftsminister Philipp Rösler für das Aus verantwortlich gemacht. "Das ist das Ergebnis der Politik von Philipp Rösler. Wir wollen von der Bundesregierung wissen, wie sie mit dem von ihr mitverantworteten Schaden jetzt umgehen will", erklärte Heil am Freitag in Berlin.

Brüderle gibt Gewerkschaften die Schuld

FDP-Bundestagsfraktionschef Rainer Brüderle hat den Schlecker-Frauen sein Mitgefühl ausgesprochen und zugleich den Gewerkschaften eine Mitschuld für das Aus der insolventen Drogeriekette gegeben. Dass Schlecker jetzt pleite ist, liege zuallererst an unternehmerischen Fehlentscheidungen, sagte Brüderle dem "Tagesspiegel".

Aber auch die Gewerkschaften hätten mit wiederholten Aufrufen zum Käuferstreik bei Schlecker dazu beigetragen, dass die Marktposition von Schlecker geschwächt worden sei, sagte der frühere Bundeswirtschaftsminister. "Erst trommeln und dann Krokodilstränen über das Ergebnis vergießen, ist scheinheilig. Das hilft den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überhaupt nicht."

Mitarbeiter wirken gefasst

Die Mitarbeiter der insolventen Drogeriekette haben das Aus nach Angaben des Betriebsrats mit Fassung aufgenommen. Während der gesamten Rede von Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz in Berlin hätten die Arbeitnehmervertreter ruhig gestanden, sagte Betriebsrats-Chefin Christel Hoffmann am Freitag mit Tränen in den Augen. Geiwitz hatte die Abwicklung der Kette verkündet, nachdem Verhandlungen mit potenziellen Investoren gescheitert waren.

Hoffmann spricht von rund 13.500 Menschen, die ihre Arbeit verlieren. In den Zahlen der Insolvenzverwaltung sind es 13.200. "Wie es weitergeht muss jetzt die Politik beantworten", sagte die Chefin des Gesamtbetriebsrates. Sie warf der Politik "fehlende Qualifikation, unglaubliche Arroganz und Scheinheiligkeit" vor.

Insolvenzverwalter: Angebote waren nicht akzeptabel

Geiwitz hatte den verbliebenen Interessenten zuvor ein Ultimatum gesetzt: Sie sollten bis Freitagmorgen ein belastbares und für die Gläubiger akzeptables Angebot einreichen. "Die Angebote waren nicht akzeptabel, weil sie deutlich unter einer Zerschlagung lagen", sagte Geiwitz nach der Sitzung. Der Einstieg eines Investors galt als Grundvoraussetzung dafür, die schwer defizitäre Kette überhaupt weiterzuführen.

"Aus diesem Grund wurde die Zerschlagung des Konzerns beschlossen", sagte Geiwitz. Die Kündigungen an die 13.200 betroffenen Mitarbeiter von Schlecker Deutschland sollten bis Ende Juni verschickt werden. Schlecker starte nun zeitnah den Ausverkauf in seinen rund 2800 deutschen Märkten.

Gleichzeitig sollen die Gespräche zu einem Verkauf der Auslandstöchter fortgeführt und zu einem schnellen Abschluss gebracht werden. Auch den Verkauf der Vermögenswerte, etwa der Logistikstandorte und der Unternehmensimmobilien, will Geiwitz den Angaben zufolge zügig abschließen.

Zukunft für IhrPlatz und Schlecker XL

Der Insolvenzverwalter betonte aber, für die Tochtergesellschaften Ihr Platz mit 490 Filialen und rund 3.990 Mitarbeitern sowie Schlecker XL mit 342 Filialen und 1.110 Mitarbeitern gebe es eine eigenständige Zukunft.

Laut Top-Managern des Unternehmens war die Pleite schon lange absehbar. "Wenn wir ehrlich sind, dann funktionierten wir ab Mitte der 90er Jahre wie ein Schneeballsystem. Es ging nur weiter, weil wir es ständig erweiterten", zitierte das "Handelsblatt" einen sogenannten Altdirektor, angeblich einen der engsten Vertrauten von Firmenpatriarch Anton Schlecker.

Schlecker hatte auf dem Höhepunkt seines Wachstums mit über 8000 Filialen in Deutschland mehr als doppelt so viele Märkte wie die gesamte Konkurrenz. Allerdings erwirtschafteten Rossmann und dm in attraktiveren Lagen und mit einem größeren Sortiment mit der Zeit immer mehr Gewinn, während er bei Schlecker zurückging. "Das ist die eigentliche unternehmerische Leistung von Schlecker, dass er die Pleite so lange hinausgezögert hat", sagte der Altdirektor.

Die Gewerkschaft ver.di hat für den Nachmittag zu einer Kundgebung und Demonstration der Schlecker-Frauen vor dem Bundeskanzleramt in Berlin aufgerufen. Als Redner wird unter anderen der Bundesvorsitzende Frank Bsirske erwartet. In Berlin kamen zeitgleich zum Gläubigerausschuss auch Hunderte Arbeitnehmervertreter von Schlecker zu einer Betriebsrätekonferenz zusammen.

(apd)
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