Kündigung oder Transfergesellschaft Schlecker-Beschäftigte müssen sich entscheiden

Berlin/Ehingen · Die von Entlassung bedrohten Mitarbeiterinnen der Drogeriemarkt-Kette Schlecker müssen in diesen Tagen eine wichtige Entscheidung fällen: Bis Dienstagabend müssen sie sich nach Angaben der Gewerkschaft Verdi festlegen, ob sie in eine betriebsbedingte Kündigung zum Monatsende einwilligen oder für sechs Monate in eine der geplanten Transfergesellschaften wechseln. Dort soll ihnen bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz geholfen werden.

Chronologie der Schlecker-Pleite
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Bei einem Wechsel in die Transfergesellschaft erhalten die ehemaligen Schlecker-Mitarbeiter 80 Prozent des vorherigen Nettolohns. Dies sei am vergangenen Wochenende ausgehandelt worden, sagte eine Verdi-Sprecherin am Freitag. Normalerweise erhalten Mitarbeiter, die sich freiwillig bei einer Transfergesellschaft anstellen lassen, von der Bundesagentur für Arbeit (BA) das sogenannte Transfer-Kurzarbeiter-Geld in Höhe von 60 Prozent - wenn sie Kinder haben von 67 Prozent - ihres vorherigen Gehalts.

Bei der insolventen Drogeriekette Schlecker sollen rund 2200 Filialen geschlossen werden, wovon mehr als 11.000 Beschäftigte betroffen sind. Sie sollen in den geplanten Transfergesellschaften Weiterbildungsmaßnahmen und Hilfe bei Bewerbungen erhalten. In diesen Tagen finden nach Angaben der Verdi-Sprecherin bundesweit Betriebsversammlungen statt, auf denen die Träger von Transfermaßnahmen über ihre Angebote informieren.

Wie die Zeitungen der WAZ-Mediengruppe am Freitag unter Berufung auf Betriebsratskreise berichteten, könnte sich die Verweildauer in der Auffanggesellschaft für schwer zu vermittelnde Ex-Schlecker-Beschäftigte noch verlängern. Wenn es den Gesellschaften gelinge, einen Großteil der Mitarbeiterinnen kurzfristig in neue Beschäftigungsverhältnisse zu vermitteln, sei noch Geld übrig, um Härtefälle länger zu betreuen.

KfW stellt 70 Millionen bereit

Für die Auffanggesellschaften soll die staatliche Förderbank KfW einen Kredit von rund 70 Millionen Euro bereitstellen, weil das Unternehmen Schlecker die Summe nicht mehr selbst aufbringen kann. Bei einem Treffen der Bundesländer in Berlin konnte am Donnerstag allerdings noch keine endgültige Einigung über die notwendigen Bürgschaften erzielt werden. Baden-Württemberg prüft deshalb, ob es zunächst in Vorleistung geht.

Das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn warnte vor zu hohen Erwartungen an die geplanten Transfergesellschaften. Bisherige Erfahrungen ließen am Vermittlungserfolg solcher Gesellschaften erhebliche Zweifel aufkommen, sagte IZA-Arbeitsmarktexperte Hilmar Schneider der "Frankfurter Rundschau". Die Vermittlungstätigkeit der Transfergesellschaften sei im Durchschnitt nicht besser als die der Bundesagentur für Arbeit.

Die Gläubiger haben sich bereiterklärt, bis Mittwoch auf eine Entscheidung der Politik zu warten. Eigentlich hätte die staatliche Bürgschaft für eine Transfergesellschaft aus rechtlichen Gründen bis Freitagabend vorliegen müssen, sagte ein Sprecher des Insolvenzverwalters und bestätigte damit erstmals diese Deadline.
Doch der Gläubigerausschuss habe beschlossen, noch bis Mittwoch zu warten.

Das IZA habe dies in einer Studie 2006 festgestellt, und da sich seitdem die Grundlagen für die Transfergesellschaften nicht geändert hätten, dürfte dieses Ergebnis auch heute noch Bestand haben, sagte Schneider. Die Transfergesellschaften würden sich "nur in einen Verteilungspoker einmischen, und das mit großem Erfolg". Es werde Geld für eine Sache verbraucht, "die nicht mehr bringt, als Arbeitsagenturen ohnehin leisten".

Doch Transfergesellschaften hätten auch Vorteile, sagte Schneider: Arbeitgeber könnten mit ihrer Hilfe große Entlassungen geräuschlos vollziehen. Da die Beschäftigten noch lange versorgt seien, sei das Konfliktpotenzial begrenzt. Politiker könnten darauf verweisen, dass Massenentlassungen verhindert werden.

IhrPlatz baut weniger Stellen ab

Die insolvente Schlecker-Tochter IhrPlatz wird weniger Mitarbeiter abbauen und weniger Märkte schließen als zunächst geplant. Das Konzept sehe vor, 650 der insgesamt 5350 Arbeitsplätze zu streichen - ursprünglich war von 900 die Rede. 122 der bislang 612 Drogeriemärkte sollen am 7. April endgültig geschlossen werden, teilte der vorläufige Insolvenzverwalter Werner Schneider am Freitag in Osnabrück mit. Zuvor war die Zahl von 142 Filialen genannt worden, die geschlossen werden sollen.

Für die betroffenen Mitarbeiter werde eine Transfergesellschaft geschaffen, für die die Finanzierung anders als bei der Muttergesellschaft Schlecker bereits gesichert sei, hieß es. Im Internet veröffentliche der Insolvenzverwalter eine Liste der Filialen, die IhrPlatz aufgeben wird. Wie bei Schlecker verteilen sich die Schließungen auf viele Bundesländer.

Das Insolvenzverfahren solle am 28. März eröffnet werden, teilte der Schneider weiter mit. Die Investorensuche sei bereits angelaufen. "Wir machen hier ein attraktives Angebot und sind auf entsprechendes Interesse gestoßen", sagte er. "Nun müssen sorgfältig die Gespräche mit potenziellen Interessenten geführt werden." Ob dies unabhängig von Schlecker geschehe oder in einem gemeinsamen Deal, sei noch unklar.

Ihr Platz hatte am 26. Januar drei Tage nach der Muttergesellschaft ebenfalls Insolvenz angemeldet - zum zweiten Mal nach 2005. Schlecker hatte das Traditionsunternehmen 2007 übernommen. Damals hatte die Drogeriekette noch rund 7000 Mitarbeiter und rund 700 Filialen in Deutschland.

(dpa/AFP)
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