Standard & Poor's Ratingagentur stuft US-Kreditwürdigkeit herab

New York (RPO). Die USA haben erstmals ihre Spitzenbonitätsnote bei einer führenden Ratingagentur verloren. Die langfristige Kreditwürdigkeit der weltgrößten Volkswirtschaft wird nun mit AA+ anstatt wie zuvor mit der Spitzennote AAA eingestuft. Die Senkung um eine Stufe erfolgte am Abend (Ortszeit) nach Handelsschluss an der Wall Street.

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Foto: dapd

Mit dieser Entscheidung zog die Ratingagentur Standard & Poor's Konsequenzen aus dem langwierigen Schuldenstreit zwischen Republikanern und Demokraten. Den Ausblick bewertete die Agentur mit negativ. Damit droht den USA in den nächsten zwölf bis 18 Monaten eine weitere Herabstufung. Die bei der Anhebung der Schuldengrenze zwischen Regierung und Kongress verabredeten Sparziele reichten nicht aus, teilte S&P zur Begründung mit. Die beiden anderen großen Ratingagenturen Moody's und Fitch hatten nach der Einigung zwischen Demokraten und Republikanern am Dienstag vorerst an der Spitzennote AAA festgehalten.

Die US-Regierung kritisierte die S&P-Entscheidung. Ihre liege ein Rechenfehler zugrunde, sagte ein Sprecher der Finanzministeriums. Eine Beurteilung, die mit einem Fehler von zwei Billionen Dollar behaftet sei, spreche für sich. In Regierungskreisen hieß es, die Agentur habe die Zahl zwar aus ihrer Analyse gestrichen, der Fehler lasse aber an ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln. S&P hatte Mitte Juli angekündigt, die US-Bonitätsnote zu überprüfen und eine Herabstufung vom Ausgang des Schuldenstreits abhängig gemacht. Die Agentur mahnte damals einen Defizit von vier Billionen Dollar an. Der nach wochenlangem Ringen im Kongress am Dienstag besiegelte Kompromiss sieht dagegen nur Einsparungen von etwas mehr als zwei Billionen Dollar vor.

Haushaltsplan der US-Regierung nicht ausreichend

"Die Herabstufung spiegelt unsere Meinung wider, dass der Plan zur Haushaltskonsolidierung, den der Kongress und die Regierung kürzlich vereinbart haben, nicht ausreicht, um die mittelfristige Dynamik bei den Staatsschulden zu stabilisieren", erklärte S&P. Es sei zudem zweifelhaft, dass sich Demokraten und Republikaner auf zusätzliche Einsparungen einigen können.

Mit gesenkten Bonitätsnote dürften Kredite für die Regierung, aber auch für Unternehmen und Verbraucher in den USA teurer werden. Experten rechnen damit, dass sich die staatlichen Kreditkosten mit der Zeit um 100 Milliarden Dollar verteuern könnten. Die US-Notenbank erklärte, Auswirkungen auf die Konjunkturstützen der Federal Reserve wie das Notkreditprogramm und das Programm zum Aufkauf von Anleihen gebe es nicht. Auch gebe es keine Änderungen für die Banken im Umgang mit US-Bonds.

Herabstufung kam für Experten nicht unerwartet

Für die Finanzmärkte kann die Herabstufung kaum zu einem ungünstigeren Zeitpunkt kommen. Die Furcht vor einer erneuten Rezession in den USA und einer Ausweitung der europäischen Schuldenkrise hatten in dieser Woche weltweit zu Panikverkäufen an den Börsen geführt. Die S&P-Entscheidung komme aber nicht völlig unerwartet, sagte Analyst Vassili Serebriakov von Wells Fargo. "Sie dürfte bereits teilweise in den Dollar-Kurs eingepreist sein. Wir erwarten zwar weiter großen Druck auf den Dollar, aber ein großer Ausverkauf ist nach unserer Einschätzung unwahrscheinlich." Das liege wohl aber auch daran, das es nur wenige Alternativen zu US-Staatsanleihen gebe.

Die Herabstufung dürfte dennoch die internationalen Gläubiger der USA beunruhigen, allen voran China, das mit US-Anleihen von mehr als einer Billion Dollar größter Gläubiger der Vereinigten Staaten ist. Erst am Freitag hatte die Regierung in Peking die USA zum wiederholten mal aufgefordert, das Schuldenproblem anzugehen und die Dollar-Investitionen Chinas und anderer Länder zu schützen. Mit der Herabstufung werden US-Staatsanleihen, die einst als die weltweit unbestritten sicherste Geldanlage galten, nun niedriger bewertet als Anleihen von Ländern wie Deutschland, Großbritannien, Frankreich oder Kanada.

Obama mahnt zur Umsetzung der Euro-Gipfelbeschlüsse

US-Präsident Barack Obama hat auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über die jüngsten Entwicklungen in der europäischen Schuldenkrise gesprochen. Obama habe in dem Telefonat am Freitagabend betont, dass die Beschlüsse des Euro-Gipfels am 21. Juli umgesetzt werden müssten, teilte das US-Präsidialamt mit. Obama, der auch mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy telefonierte, begrüßte zudem, dass Merkel und Sarkozy weiterhin den Kampf gegen die wirtschaftlichen Herausforderungen in Europa anführten.

Zuvor hatte Merkel in Telefonaten mit Sarkozy, mit Italiens Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und dem britischen Premierminister David Cameron über die aktuellen Entwicklungen in der Eurozone und die Turbulenzen an den Finanzmärkten gesprochen. Einem Regierungssprecher zufolge herrschte dabei Einigkeit, dass die jüngsten Gipfelbeschlüsse zur Schuldenkrise schnell umgesetzt werden müssten, damit die Märkte wieder Vertrauen in die Politik fassen. Aus Sorge vor einer weltweiten Rezession und einer Ausweitung der europäischen Schuldenkrise waren Anleger in den vergangenen Tagen weltweit in Scharen aus den Aktienmärkten geflohen. Für große Unruhe hatte unter anderem EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso mit seiner Forderung nach einer Ausweitung des Euro-Rettungsschirms gesorgt.

Wall Street schließt uneinheitlich

Die Wall Street hat nach den Turbulenzen an den Börsen am Freitag uneinheitlich geschlossen. Der Dow-Jones-Index der 30 führenden Industriewerte stieg vorläufigen Berechnungen zufolge nach einer Achterbahnfahrt um 61 Punkte oder 0,5 Prozent. Der Index der Technologiebörse Nasdaq ging um 24 Punkte oder 0,9 Prozent zurück. Seit Wochenbeginn verzeichnete der Dow Jones insgesamt ein Minus von 5,8 Prozent.

Auslöser des Abwärtstrends an den Aktienmärkten am Freitag waren die Furcht vor einer Wachstumsdelle, einer Verschärfung der Eurokrise und der Herabstufung der US-Bonität. Selbst gute Arbeitsmarktzahlen aus den USA sorgten nur kurz für Beruhigung. Im Juli entstanden in den USA außerhalb der Landwirtschaft 117.000 Jobs. Volkswirte hatten einen Zuwachs um 75.000 erwartet. Die Arbeitslosenquote fiel von 9,2 auf 9,1 Prozent.

(RTR/DAPD/AFP)
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