Preis für Airline-Rettung Lufthansa muss Start- und Landerechte abgeben

Berlin/Brüssel/Frankfurt · Nach harten Verhandlungen zwischen Brüssel und Berlin hat das Rettungspaket für die Lufthansa eine wichtige Hürde genommen. Die Bundesregierung und die EU-Kommission einigten sich auf Auflagen für die Kapitalspritze, und der Lufthansa-Vorstand stimmte zu.

 Auf dem Flughafen Heringsdorf wird ein Flugzeug der Lufthansa aus Frankfurt/Main abgefertigt.

Auf dem Flughafen Heringsdorf wird ein Flugzeug der Lufthansa aus Frankfurt/Main abgefertigt.

Foto: dpa/Stefan Sauer

Demnach müsste die größte deutsche Airline an ihren wichtigsten Flughäfen Frankfurt und München Start- und Landerechte an Konkurrenten abgeben. Die Einigung ist nur ein Zwischenschritt. Aufsichtsrat und Aktionäre müssen beraten, und die förmliche Genehmigung aus Brüssel steht noch aus.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zeigte sich erfreut über „gute Nachrichten zu Pfingsten für über 100.000 Lufthansa-Beschäftige und ihre Familien“. Auf Twitter schrieb er: „Der heute erzielte Durchbruch in den Gesprächen mit Brüssel macht deutlich: Die Lufthansa wird eine große und weltweit erfolgreiche Airline bleiben!“

Andere Reaktionen fielen verhalten aus. Der Chef der CDU/CSU-Abgeordneten im Europaparlament, Daniel Caspary, kritisierte die Linie von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die die Auflagen für die Lufthansa verlangt hatte. „Wie schon bei der verhinderten Fusion der Zugsparte von Siemens und Alstom gilt bei den Lufthansa-Vorgaben: Die wesentlichen Wettbewerber sitzen außerhalb Europas, und die können sich jetzt ins Fäustchen lachen“, erklärte Caspary der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. „Sie schadet damit der europäischen Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig.“

Der Grünen-Europaabgeordnete Rasmus Andresen lobte hingegen, dass der Kompromiss fairen Wettbewerb zwischen den Fluggesellschaften sichere. „Wir würden uns aber sowohl von der Bundesregierung wie EU-Kommission verbindliche Klimaauflagen wünschen“, fügte Andresen hinzu.

Tagelang verhandelten Berlin und Brüssel. Ein Überblick:

DIE AUSGANGSLAGE

Lockdown, Reisewarnungen, Geldsorgen der Bürger: Die Corona-Krise hat kaum eine Branche so schwer getroffen wie die Luftfahrt. Wie viele Airlines weltweit ist auch die Lufthansa enorm unter Druck geraten. Die Geschäfte des Unternehmens mit Ausnahme der Fracht sind nahezu zum Erliegen gekommen. In dem Konzern mit rund 138 000 Beschäftigten stehen Zehntausende Arbeitsplätze auf der Kippe.

Deshalb will die Bundesregierung die Fluggesellschaft mit einem neun Milliarden Euro umfassenden Hilfspaket stützen. Der Lufthansa droht ansonsten das Geld auszugehen. Die EU-Kommission muss solche Hilfen genehmigen und achtet strikt darauf, ob sie dem Wettbewerb schaden könnten. Vestager argumentiert, sonst könnten letztlich die Preise für Flugtickets steigen und Verbraucher leiden.

DIE AUFLAGEN

Start- und Landerechte - sogenannte Slots - sind eine wichtige Größe in der Luftfahrt. Um den Wettbewerb im Markt nicht zu schwächen, soll Lufthansa im Gegenzug für die Staatshilfen Slots abgeben, erklärte Vestager. „Wenn jemand mit ihnen konkurrieren will, braucht er Slots an einem Flughafen“, sagte die Dänin.

Der Billigflieger Ryanair hatte bereits eine massive Wettbewerbsverzerrung beklagt. Die milliardenschweren Hilfen der Bundesregierung würden den monopolähnlichen Zugriff der Lufthansa auf den deutschen Luftverkehrsmarkt weiter stärken, kritisierte die irische Fluggesellschaft. Ryanair-Chef Michael O’Leary hatte angekündigt, gegen die staatliche Beihilfen vorgehen zu wollen.

Wie die Airline in der Nacht zum Samstag mitteilte, musste sie weniger Zugeständnisse machen als ursprünglich von der Kommission gefordert. Das Unternehmen wird demnach verpflichtet, an den Flughäfen Frankfurt und München je einem Wettbewerber die Stationierung von je bis zu vier Flugzeugen samt bis zu 24 Start- und Landerechten zu übertragen. Die EU-Kommission hatte zunächst laut „Handelsblatt“ die Abgabe von 20 Jets gefordert. Angeboten hatte Lufthansa die Abgabe von drei Flugzeugen, das hatte aber die EU-Kommission laut Bericht abgelehnt.

Die nun gefundene Option stehe für zumindest anderthalb Jahre nur neuen Wettbewerbern an den Flughäfen Frankfurt und München zur Verfügung, erklärte das Unternehmen weiter. Falls jeweils kein neuer Wettbewerber von der Option Gebrauch mache, werde die Option auch auf vorhandene Wettbewerber an den jeweiligen Flughäfen erweitert. Die Slots sollen per Bieterverfahren zugeteilt werden - nur an einen europäischen Wettbewerber, der selbst keine wesentliche staatliche Rekapitalisierung aufgrund der Corona-Pandemie erhalten habe.

DIE MÖGLICHEN PROFITEURE

„Von den Auflagen der EU-Kommission zur Abgabe von Flug- und Landerechten durch Lufthansa werden wahrscheinlich Ryanair und Easyjet profitieren“, sagte Linken-Fraktionsvize Fabio De Masi. Ein Blick auf die Flugpläne zeigt, dass das stimmt: Ryanair, die ohne Staatshilfe durch die Krise kommen wollen, fliegt bisher zwar Deutschlands größten Flughafen Frankfurt an, ist aber in München noch nicht vertreten. Umgekehrt bietet der britische Billigflieger Easyjet zwar Flüge ab München an, hat sich aus Frankfurt aber gerade erst zurückgezogen. De Masi kritisiert: „Die EU-Kommission fördert Dumping am Himmel“.

DIE NÄCHSTEN SCHRITTE

Der Aufsichtsrat der Lufthansa muss nun dem Rettungspaket inklusive der Auflagen der EU noch zustimmen. Das Unternehmen will dann im Anschluss zeitnah eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen, um die Zustimmung der Aktionäre zum Paket einzuholen. Für die förmliche Genehmigung durch die EU-Kommission muss das staatliche Hilfspaket zunächst offiziell in Brüssel angemeldet werden. Die Kommission will dies dann „mit Priorität“ prüfen, wie sie in der Nacht zum Samstag mitteilte. Die Zusagen der Airline lobte die Kommission als günstig für Wettbewerb und Verbraucher.

Auch das Wirtschaftsministerium weist darauf hin, dass die Einigung noch nicht in trockenen Tüchern ist: „Im Übrigen dauern die Gespräche mit der EU Kommission zur beihilferechtlichen Genehmigung an“, heißt es in einer Stellungnahme. Aber: „Mit dem jetzt erzielten Zwischenschritt ist der Weg für eine Befassung der Hauptversammlung geebnet.“

DER RETTUNGSPLAN

Der Rettungsplan für die Lufthansa sieht vor, dass der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds im Zuge einer Kapitalerhöhung Aktien zeichnet, um eine Beteiligung von 20 Prozent am Grundkapital der Fluggesellschaft aufzubauen. Zudem sind stille Einlagen von insgesamt bis zu 5,7 Milliarden Euro sowie ein Kredit in Höhe von bis zu drei Milliarden Euro geplant.

(felt/dpa)
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