Patienten testen Medikamente Pharmafirmen bezahlen Ärzte extra

Berlin (RP). Immer mehr Mediziner testen bei ihren Patienten zugelassene Arzneien. Dafür werden sie gut entlohnt. Die Patienten wissen häufig nichts von den Studien.

Bei der Verschreibung von Arzneien soll nach Forderungen von Verbraucherschützern und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) mehr Transparenz einziehen. In der Kritik stehen die so genannten Anwendungsbeobachtungen.

Das sind kleine Studien, die Ärzte im Auftrag von Pharma-Unternehmen gegen Bezahlung machen. Sie kommen immer mehr in Mode. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist die Zahl der Mini-Studien um 4,6 Prozent gestiegen. Allein 2008 hat die KBV mehr als 85.000 Fälle registriert.

Einzelne Pharma-Unternehmen fordern die Mediziner auf, für bestimmte Krankheitsbilder neue Medikamente zu verordnen und zu dokumentieren, wie die Arzneien bei den Patienten wirken. Dafür erhalten die Ärzte zwischen zehn Euro pro Dokumentationsbogen und 1000 Euro pro Patient und Jahr. Die Patienten selbst sind meistens ahnungslos.

Aus Sicht der Kritiker dienen die Studien häufig nicht Forschungszwecken, sondern sollen helfen, neue Arzneien am Markt zu platzieren. "Es handelt sich überwiegend um Marketing. Der wissenschaftliche Ertrag ist meistens gering", sagte Stefan Etgeton von der Verbraucherzentrale.

Einzelne Ärzte sollen ihren Praxisumsatz um bis zu 30 000 Euro jährlich durch die Anwendungsbeobachtungen steigern. "Viele Beobachtungen sind sinnvoll. Solche aber, die ausschließlich Marketing-Zwecken dienen, sind in keiner Weise akzeptabel", sagte KBV-Vorstand Carl-Heinz Müller unserer Redaktion. "Sie sind im Zweifelsfall geeignet, das Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient zu unterminieren."

KBV und Verbraucherschützer fordern gesetzliche Regelungen, die vorgeben, unter welchen Umständen Anwendungsbeobachtungen zulässig sind. "Solche Studien sollten nur zugelassen werden, wenn bestimmte methodische Mindestanforderungen erfüllt sind", betonte Etgeton. Zudem müssten die Zuwendungen an die Ärzte transparent gemacht und die Patienten in jedem Fall informiert werden.

Aus Sicht des Gesundheitsministeriums ist keine Gesetzesänderung notwendig. "Verordnungsprämien" seien nicht zulässig, heißt es in einer Mitteilung: "Bezahlt werden dürfen nur angemessene Vergütungen für den anfallenden Zeitaufwand." Aus Sicht des Ministeriums sind die Ärztekammern gefragt, standeswidriges Verhalten aufzudecken und zu ahnden.

(RP)
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