Interview mit Ärzte-Chef Köhler Patient muss Eigenverantwortung übernehmen"

Düsseldorf (RP). Kassenärzte-Chef Andreas Köhler fordert im Gespräch mit unserer Redaktion mehr Eigenbeteiligung von Patienten und mehr Wettbewerb für Ärzte. Seiner Ansicht nach wird allein Kostenerstattung die Zahl der Arztpraxen um 25 Prozent reduzieren. Das Interview im Wortlaut.

Was Ärzte an Honoraren bekommen
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Foto: AP

Sie drängen darauf, dass Kassenpatienten ihre Arzt-Rechnung künftig selbst begleichen und bei ihrer Kasse einreichen sollen, von der sie die Kosten erstattet bekommen. Warum?

Köhler Der Nachfrage nach ambulanten ärztlichen Leistungen steht eine begrenzte Menge an Geld für die Gesundheitsversorgung gegenüber. Bislang lastet die Kostensteuerung immer auf dem Arzt. Ich halte es für notwendig, dass auch der Versicherte Eigenverantwortung übernimmt. Das setzt voraus, dass er weiß, was er an Kosten verursacht. Zudem muss er einen gewissen Prozentsatz an Eigenbeteiligung übernehmen.

Wie hoch sollte die Eigenbeteiligung sein?

Köhler Wir wollen, dass der Versicherte einen prozentualen Eigenanteil an den Kosten trägt, die er verursacht. Über die Höhe muss die Politik entscheiden. Die Eigenbeteiligung muss zudem sozial abgefedert werden, damit kein Versicherter überfordert wird — ähnlich wie dies bei den Zusatzbeiträgen läuft.

Die wenigen Versicherten, die heute schon Kostenerstattung wählen, müssen die gleichen Sätze zahlen wie Privatpatienten und bleiben auf einem Großteil der Kosten sitzen. Wie soll das für die Mehrheit der Versicherten funktionieren?

Köhler Für die Kostenerstattung ist die Gebührenordnung der Ärzte die Grundlage. Der Versicherte müsste nur seinen gesetzlich festgelegten und sozial abgefederten Eigenanteil leisten.

Das würde aber zu gigantischen Mehrausgaben bei den Arzthonoraren für die Kassen führen.

Köhler Das sehe ich nicht so. Ich bin überzeugt, dass durch die Kostenerstattung, bei der die Versicherten mehr Eigenverantwortung übernehmen, sich die Zahl der Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte reduziert. Zurzeit geht jeder Versicherte im Durchschnitt 18 mal pro Jahr zum Arzt. Durch weniger Arztbesuche wird auch Geld eingespart.

Die Arztbesuche müssten um etwa 50 Prozent zurückgehen, damit sich das rechnet.

Köhler Nein. Ich gehe davon aus, dass sich mit der Kostenerstattung die Zahl der Arztbesuche um 20 bis 25 Prozent reduziert. Und das wird ausreichen. Wir müssen aber akzeptieren, dass die Gesundheitsversorgung in einer älter werdenden Gesellschaft grundsätzlich teurer wird.

Die Mehrheit der Ärzteschaft spricht sich gegen die Kostenerstattung aus. Wie erklären Sie das?

Köhler Die Einführung der Kostenerstattung bedeutet auch, dass es mehr Wettbewerb unter den Ärzten geben wird. Wenn sich die Zahl der Arztbesuche reduziert, müssen die Ärzte stärker um ihre Versicherten werben. Ich gehe davon aus, dass sich bei flächendeckender Kostenerstattung die Zahl der Arztpraxen um rund 25 Prozent reduzieren wird.

Der Gesundheitsminister will die Kostenerstattung nur auf freiwilliger Basis für die Versicherten einführen. Ist das der richtige Weg?

Köhler In einem ersten Schritt kann es nur freiwillig funktionieren. Wir benötigen eine Übergangsphase von mindestens fünf Jahren, bevor die Kostenerstattung für alle eingeführt werden kann.

Gerade wurde den Ärzten in Nordrhein mehr Honorar zugesprochen als den Kollegen in anderen Regionen. Dennoch werden die Honorare auch 2011 in Nordrhein relativ niedrig liegen. Muss da nochmals nachgesteuert werden?

Köhler Es ist vorgesehen, dass die Selbstverwaltung bis Ende April 2011 ein Modell vorlegen muss, wie die Honorare der Ärzte in Deutschland angeglichen werden. Es ist also sehr real, dass die nächsten Schritte für die Ärzte in Nordrhein eine weitere Angleichung bringen. Bis zur endgültigen Angleichung brauchen wir auch eine Übergangsphase von rund fünf Jahren.

Die Krankenkassen beklagen bei den niedergelassenen Ärzten Fehl-, Unter- und Überversorgung. Sehen Sie das auch?

Köhler Ich will nicht leugnen, dass wir in der ambulanten Versorgung auch Fehlversorgung haben. Das größere Problem ist aber die Unterversorgung, die in den nächsten Jahren dramatisch zunehmen wird.

Je nach dem in welcher Region man in Deutschland wohnt, wartet man vier bis acht Wochen auf einen Augenarzttermin. Ist das in Ordnung?

Köhler Nein. Das ist ein Problem. Die Zahl der Augenärzte pro Einwohner muss angepasst werden. Das liegt daran, dass die Menschen immer älter werden. Und je älter die Menschen werden, desto häufiger leiden sie an Augenkrankheiten. Der Änderung der Bedarfsplanung muss der Gesetzgeber noch zustimmen.

Welche Fachrichtung würden Sie einem angehenden Mediziner raten, der ein gutes Auskommen haben möchte?

Köhler Der Ökonom in mir würde ihm raten, Hausarzt zu werden oder in die fachärztliche Grundversorgung zu gehen als Augenarzt oder Gynäkologe. Wir werden zunehmend einen Versorgungsbedarf der chronisch kranken älteren Menschen haben. Das ist die Zukunft.

(pst/rm)
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