Sieben ehemalige Manager und Bilanzprüfer in Haft Parmalat-Skandal: Der Sumpf wird tiefer

Mailand/Rom (rpo). Immer weitere Kreise zieht der Bilanz-Skandal um den insolventen italienischen Nahrungsmittelkonzern Parmalat. An Silvester verhaftete die Polizei in Mailand, Parma und Como sieben weitere ehemalige Parmalat-Manager und -Mitarbeiter sowie externe Wirtschaftsprüfer.

Nach seiner Festnahme trat der Chef des italienischen Zweigs der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Grant Thornton, Lorenzo Penca, nach Angaben des Unternehmens zurück.

Pencas ebenfalls inhaftierter Partner Maurizio Bianchi sei auf unbestimmte Zeit seines Amtes enthoben worden, teilte Grant Thornton International in einer Erklärung am Mittwochabend mit. Grant Thornton war von 1990 bis 1999 für Parmalat und in den Folgejahren weiter für das Tochterunternehmen Bonlat tätig. Das Unternehmen hat die Vorwürfe zurückgewiesen, in den Fälschungsskandal von Parmalat verwickelt zu sein und seine Mitarbeiter als Opfer bezeichnet. Es kündigte eigene Untersuchungen an. Als Interimsgeschäftsführer übernehmen Carlo Anreis und Contardino Mangiarotti die Aufgaben Pencas und Bianchis.

Ermittlungen wurden ausgedehnt

Unter den am Mittwoch Festgenommenen sind nach Polizeiangaben weiter die ehemaligen Parmalat-Finanzchefs Fausto Tonna und Luciano Del Soldato. Gegen einen achten Verdächtigen, der sich in Venezuela aufhalten soll, wurde Haftbefehl erlassen. Firmengründer Calisto Tanzi sitzt bereits seit Samstag in Untersuchungshaft. Den Verdächtigen wird unter anderem Verwicklung in betrügerischen Bankrott und Bilanzfälschung vorgeworfen.

Die Justizbehörden dehnten die Ermittlungen mittlerweile offenbar auch nach Übersee aus. Sie untersuchen nach Berichten der italienischen Nachrichtenagenturen ANSA und APcom, ob Mitarbeiter der Bank of America in den Skandal verwickelt sein könnten. Parmalat hat eingeräumt, dass Angaben vom September, wonach ein Bonlat-Guthaben in Milliardenhöhe bei der Bank of America Corp. hinterlegt sei, falsch gewesen seien.

Tanzi weiter in Haft

Der Mailänder Richter Guido Salvini veröffentlichte unterdessen ein Dokument mit neuen Einzelheiten zum Ausmaß der Affäre. Laut dem Papier, das der Nachrichtenagentur AP vorlag, räumte Exfinanzchef Tonna vor seiner Festnahme ein, dass vier Mal jährlich "das System, falsche Dokumente zusammenzustellen" aktiviert worden sei. Del Soldato sagte demzufolge aus, dass Papiere auf einem Computer mit einem eingespeicherten nachgeahmten Bank-of-America-Logo gefälscht worden seien. Nach Angaben eines ebenfalls festgenommenen Parmalat-Mitarbeiters ordnete Del Soldato die Zerstörung des Computers mit einem Hammer an.

Den Antrag von Tanzis Verteidigern, ihren Mandanten unter Hausarrest zu stellen, hat Richter Salvini abgelehnt. Tanzis Teilgeständnis sei dafür nicht ausreichend. Den Unterlagen Salvinis zufolge bezifferte Tanzi das Finanzloch des Konzerns auf acht Milliarden Euro und räumte ein, 500 Millionen Euro in die Kassen von Reiseunternehmen verschoben zu haben, die von seiner Familie kontrolliert werden.

Nicht persönlich bereichert

Tanzis Anwalt Fabio Belloni erklärte am Mittwoch, sein Mandant habe das vermisste Geld nicht für sich persönlich veruntreut, sondern wieder in das Unternehmen investiert. Die italienische Regierung hat dem Großkonzern Unterstützung zugesichert und Tanzis Nachfolger Enrico Bondi mit der Erarbeitung eines Sanierungskonzepts beauftragt. Parmalat stellt vor allem Milchprodukte her und beschäftigt 36.000 Mitarbeiter in 29 Ländern.

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