Interview zum Erbschaftssteuer-Urteil Omas Häuschen bleibt verschont

Düsseldorf (RP). Steuergewerkschafts-Chef Dieter Ondracek erwartet, dass Erben in Zukunft häufiger Erbschaftssteuern zahlen müssen. Er erklärt das bevorstehende Erbschaftsteuer-Urteil des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts.

Das Bundesverfassungsgericht will diese Woche sein Urteil über die Neuregelung der Erbschaftsteuer sprechen. Was erwarten Sie?

Ondracek Ich erwarte, dass das Verfassungsgericht die heutige Erbschaftsteuer für verfassungswidrig erklärt. Immobilienwerte spiegeln im Erbfall höchstens 40 Prozent des realen Werts wider, Geldvermögen wird zu 100 Prozent angesetzt. Das kann so nicht bleiben.

Steigt ab Mittwoch die Erbschaftsteuer auf Immobilien drastisch?

Ondracek Nein, dann ist die Politik mit einer Umsetzung am Zug. Das wird zügig noch 2007 geschehen.

Aber dann wird "Oma ihr klein Häuschen" im Erbfall kräftig besteuert?

Ondracek "Oma ihr Häuschen" bleibt verschont. Denn auch künftig gilt: Bis etwa 500.000 Euro Geld- und Immobilienvermögen ist keine Erbschaftsteuer fällig. Die Politiker haben Freibeträge in dieser Höhe signalisiert.

Was ist, wenn das Häuschen in Düsseldorf-Kaiserswerth liegt?

Ondracek Dann wird sicherlich anders als heute häufiger eine Erbschaftsteuer fällig, abhängig von Lage, Größe, Zustand, Ausstattung.

Viele Bürger werden sich ärgern, wenn sie bald für etwas Steuern zahlen müssen, was derzeit steuerfrei ist.

Ondracek Für Erben ist der Nachlass leicht verdientes Geld. Wenn man auf das Ergebnis harter Arbeit Steuern zahlen muss - warum nicht auch auf das Erbe? So etwas gehört für mich zum Staatsverständnis.

Immerhin, bei Familienunternehmen soll die Erbschaftsteuer über zehn Jahre ganz entfallen, sofern der Betrieb fortgeführt wird.

Ondracek Damit reagiert die Politik bereits vorab auf das Erbschaftsteuer-Urteil. Für die Steuerverwaltung bedeutet das aber eine Hängepartie von zehn Jahren, in der wir jährlich überprüfen müssen, ob die Voraussetzungen für den Erlass der Erbschaftsteuer erfüllt sind. Hier drohen neue Bürokratie und schlimmstenfalls gerichtliche Auseinandersetzungen.

2009 kommt auf Sparer und Anleger eine weitere Veränderung zu: die Abgeltungssteuer von 25 Prozent auf Zinsen, Dividenden und Wertpapier-Verkaufsgewinne. Ist das ein Fortschritt?

Ondracek Nein, ein Irrweg. Die Abgeltungssteuer privilegiert Gutbetuchte, dafür sammelt der Staat das Geld bei den kleinen Leuten ein.

Das macht er nicht: Wer einen Einkommensteuersatz hat, der niedriger als 25 Prozent liegt, kann diesen in seiner Steuererklärung geltend machen.

Ondracek Das ist ein politisches Feigenblatt. Reiche mit 42 Prozent Spitzensteuersatz plus Reichensteuer kommen am besten weg. Kleinsparer müssen zum Finanzamt, um sich zu viel gezahlte Steuern zurückzuholen. Da stimmt doch was nicht.

Dafür ist die Abgeltungssteuer viel unkomplizierter als die heutige Zins- und Dividendenbesteuerung.

Ondracek Das scheint nur so. Die Erträgnisaufstellung, die die Bankkunden ja erhalten, müssten nur elektronisch ans Finanzamt übermittelt werden. Das würde Steuerzahler und Finanzämter entlasten. Aber das hat die Bankenlobby im Bundestag erfolgreich verhindert. Denn die Banken verstehen sich - zumindest teilweise - offenbar als Schutzpatrone der Steuerhinterzieher. Das kritisieren wir scharf.

(Rheinische Post)
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