Europa ringt um einheitliche Linie Ölpreis: Paris senkt Steuern und verärgert Europa

Paris (rpo). Wenn sein Volk murrt, fackelt der Pariser "Superminister" für Wirtschaft und Finanzen Nicolas Sarkozy nicht lange. Mit einer Serie von Abgabenerleichterungen will er in Frankreich dem hohen Ölpreis entgegensteuern und verärgert damit halb Europa.

Nach Fischern, Bauern und Spediteuren sollen nun französische Autofahrer und Besitzer von Ölheizungen weniger zur Kasse gebeten werden. Mit dem Alleingang sorgt Frankreich mal wieder für Ärger; beim Luxemburger EU-Finanzministertreffen bekam Sarkozy am Mittwoch und Donnerstag deutliche Worte zu hören. Dabei hat die EU keine einheitliche Linie.

Auf altbewährte Art erstritten sich einzelne Branchen im den vergangenen Wochen Vergünstigungen von der bürgerlichen Pariser Regierung. Zu Monatsbeginn blockierten Hochseefischer die Mittelmeerhäfen, bis ihnen Sarkozy und Premierminister Jean-Pierre Raffarin Steuer- und Abgabenerleichterungen zugestanden. Die Landwirte - ohnehin Lieblingskinder von Staatschef Jacques Chirac - handelten eine fast völlige Streichung der Agrardieselsteuer aus, die von 5,66 auf 1,66 Cent pro Liter sinkt. Die Speditionen sollen weniger Gewerbesteuer zahlen.

Allein diese Subventionen kosten den hochverschuldeten französischen Staat rund 230 Millionen Euro. Sarkozy sieht dies als Investition in die Wettbewerbsfähigkeit und die Binnenkonjunktur seines Landes. Die anderen EU-Minister klagen über "einseitige Schritte", die Frankreichs Wirtschaft begünstigten und zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führten. Alle Staaten hätten noch im Juni vereinbart, von derartigen "unilateralen Maßnahmen" abzusehen, bedauerte der Niederländer Gerrit Zalm, dessen Land derzeit den EU-Ratsvorsitz hat. Sarkozy will indes nicht klein beigeben: "Nur in Frankreich hält man mich für liberal", grinste der Konservative.

"Und was ist mit uns?"

Die Tageszeitung "Le Parisien" hatte angesichts der Ölpreis-Erleichterungen für verschiedene Berufsgruppen im Namen der Durchschnittsfranzosen gefragt: "Und was ist mit uns?". Auch für diese scheint Sarkozy nun eine Lösung gefunden zu haben, die auf den ersten Blick reichlich Eindruck macht, unter dem Strich aber wohl eher als Reförmchen daherkommt: Ab Dezember will die Pariser Regierung den Bürgern einen Teil der durch die hohen Ölpreise erzielten Steuer-Mehreinnahmen zurückgeben. Einzelheiten soll eine Kommission Mitte November festlegen.

Von dem vermeintlichen Geldsegen dürften die meisten Franzosen an den Zapfsäulen und beim Befüllen ihrer Heizöltanks für den Winter aber nur wenig spüren: Als Grundlage für die Absenkung der Mineralölsteuer (TIPP) sollen nämlich die jüngsten Entwicklungen bei Mehrwert- und Mineralölsteuer herangezogen werden. Und während die Mehrwertsteuer (TVA) von 19,6 Prozent durch die Verkaufe von Mineralölprodukten kräftig sprudelt - immerhin liegen die Rohölpreise fast doppelt so hoch wie die im Haushalt angesetzten 26 Dollar je Barrel -, dürften die steigenden Preise zu sinkenden Einnahmen aus der TIPP geführt haben. Für die TIPP gelten feste Sätze von bislang etwa 58,92 Cent je Liter bleifreies Super und 5,66 Cent je Liter Heizöl. Wegen der hohen Preise sind Bleifüße auch auf Frankreichs Straßen seltener geworden, Energiesparen ist angesagt.

Europa besorgt um einheitliche Linie

Auf EU-Ebene herrscht nun zunächst Ratlosigkeit. Angesichts des jüngsten Pariser Vorstoßes stellten die Wirtschafts- und Finanzminister in Luxemburg nur fest, dass sie keine gemeinsame Linie im Umgang mit den hohen Ölpreisen haben. Die Brüssseler Kommission soll im November mögliche Gegenmaßnahmen vorschlagen. Für Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) bleibt immerhin ein schwacher Trost: Sarkozy wird sich zwar am Montag in Berlin persönlich mit ihm auseinandersetzen, doch seinen Platz auf der französischen Regierungsbank bald räumen. Ende November dürfte er die Spitze der Pariser Mehrheitspartei UMP gewählt werden. Von diesem Sprungbrett aus will der ehrgeizige Sarkozy 2007 die französische Präsidentschaft erringen - um noch näher am Puls seines Volkes zu sein.

(afp)
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