Telekom-Chef kritisiert Politik in der NSA-Affäre Obermann: "Fahrlässig, dass so wenig geschieht"

Düsseldorf · Es ist erst wenige Tage her, da machten US-Berichte die Runde, dass die NSA täglich den Standort von weltweit fast fünf Milliarden Handys ortet. Das hat auch Deutschlands Telefonkonzerne nervös gemacht. Der scheidende Telekom-Vorstandschef Rene Obermann übt jetzt in einem Interview scharfe Kritik. Sein Eindruck: Die Politik tue zu wenig in der NSA-Affäre.

 Rene Obermann ist seit November 2006 Vorstandschef der Deutschen Telekom.

Rene Obermann ist seit November 2006 Vorstandschef der Deutschen Telekom.

Foto: dpa, obe pzi

16 Jahre lang ist Rene Obermann nun schon bei der Deutschen Telekom, sieben Jahre als Vorstandschef. Ende des Jahres ist für ihn Schluss bei dem Telekommunikationsunternehmen. "Der Abschiedsschmerz kommt wahrscheinlich erst, wenn man wirklich die Schlüssel abgegeben hat", sagte Obermann nun im Interview mit dem "Handelsblatt". In dem Gespräch geht es aber nicht nur um seine Zeit bei dem Unternehmen, sondern auch um die Spionage-Affäre rund um die NSA.

Denn immer wieder gibt es neue Meldungen darüber, wer oder was durch den US-Geheimdienst ausspioniert wurde. Zuletzt sorgten Berichte über die milliardenfache Ortung von Handys für Unmut — auch bei Deutschlands Telefonkonzernen. Und auch René Obermann macht nun in dem Interview deutlich, wie sehr er das Handeln der Politik in der Affäre nicht nachvollziehen kann. "Was da passiert ist, halte ich langfristig sogar für demokratiegefährdend", sagt er.

Ihn habe angesichts der Affäre vor allem geärgert, "dass das Vertrauen in zwei Grundpfeiler unserer Gesellschaft, freie Kommunikation und Privatsphäre, derart erschüttert worden ist". Es irritiere ihn, dass die EU-Kommission so wenig unternehme, um die transatlantische Partnerschaft auf neue Beine zu stellen, so der Telekom-Vorstandschef. "Es ist fahrlässig, dass da so wenig geschieht."

"Ich verstehe diese Leisetreterei nicht"

Obermann erinnert daran, dass es schon innerhalb Europas völlig unterschiedliche Standards in Bezug auf den Datenschutz gebe. Seiner Ansicht nach sollte man sich an den strengen deutschen Regeln orientieren und "das Ganze harmonisieren". Alle EU-Bürger sollten laut Obermann in der Lage sein, "ihren Anspruch auf eine geschützte Privatsphäre im Notfall auch einklagen zu können". Und Europa könne im nächsten Schritt "ruhig mal selbstbewusst seine gemeinsamen Regeln nach außen tragen". "Die sind nämlich exportfähig", so Obermann.

"Ich verstehe diese Leisetreterei nicht", sagt Obermann und dürfte damit manchem aus der Seele sprechen, der auch die deutsche Politik in Bezug auf die NSA-Affäre kritisiert. Denn oft genug hatten Kanzlerin Angela Merkel und die zuständigen Minister die USA für die Spionage-Aktivitäten kritisiert und Aufklärung gefordert. Doch wirkliche Ergebnisse gibt es noch immer nicht.

"Bis heute wissen wir nicht, welcher Geheimdienst nach welchen Kriterien welche Daten abgreift und was damit alles geschieht", sagt auch Obermann in dem Interview. Gegen Terrorbekämpfung an sich sei nichts einzuwenden. "Aber nach allem, was man bislang erfahren konnte, wird anlassfrei aus großen Quellen im Ausland alles an Daten abgesaugt, was man kriegen kann." Daher wünsche er sich als Unternehmenschef und als Bürger, "dass die Verantwortlichen Klartext reden, was sie tun und was nicht".

(das)
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