Frankreich stellt sich gegen Deutschland Gaspipeline Nord Stream 2 steht plötzlich auf der Kippe

Berlin/Brüssel · Frankreich will sich überraschend gegen das von Deutschland unterstützte Gasleitungsprojekt Nord Stream 2 stellen. Bundeskanzlerin Merkel und die Union beharren auf dem Weiterbau.

 Ziemlich beste Freunde: Russlands Präsident Wladimir Putin (links) und Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hatten die umstrittene Gaspipeline von Russland durch die Ostsee direkt nach Deutschland vereinbart.

Ziemlich beste Freunde: Russlands Präsident Wladimir Putin (links) und Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hatten die umstrittene Gaspipeline von Russland durch die Ostsee direkt nach Deutschland vereinbart.

Foto: dpa/Bernd Settnik

Nur zwei Wochen nach der Unterzeichnung des neuen deutsch-französischen Freundschaftsvertrages in Aachen bahnen sich zwischen beiden Partnern neue politische Spannungen an: Frankreich will nach Medienberichten am Freitag in Brüssel gegen das von Deutschland vorangetriebene Gas-Pipeline-Projekt Nord Stream 2 votieren. Bislang hatte die Bundesregierung fest auf Paris gesetzt, um eine Blockade der Pipeline zu verhindern. Vor allem in Osteuropa ist die Gasleitung von Russland durch die Ostsee bis nach Mecklenburg-Vorpommern höchst umstritten. Polen, die baltischen Länder und jetzt auch Frankreich befürchten eine zu große Abhängigkeit von Russland. Auch die USA machen Front gegen die Pipeline. In Berlin wird vermutet, Frankreich werde von der US-Regierung erpresst.

Nord Stream 2 basiert auf einer Vereinbarung zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin und dem früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der auch im Aufsichtsrat des Pipeline-Betreibers Gazprom sitzt. Ende 2018 waren bereits 370 der 1200 Kilometer langen Leitung gebaut, durch die schon ab Ende 2019 jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland direkt nach Deutschland an Polen und der Ukraine vorbei gepumpt werden sollen. Die Ukraine soll für den Verlust von bisherigen Durchleitungsgebühren entschädigt werden.

An diesem Freitag soll in der EU über eine Änderung der Gas-Richtlinie abgestimmt werden, die von Deutschland bislang blockiert wird. Sie würde es der EU ermöglichen, für Nord Stream 2 neue Bedingungen zu formulieren, die das gesamte Projekt unwirtschaftlich machen könnten. Schlägt sich Frankreich auf die Seite der Kritiker, verlöre Deutschland seine Sperrminorität. Eine Reform der Gasrichtlinie würde zwar nicht automatisch das Aus für die Pipeline bedeuten. Sie würde aber sehr wahrscheinlich dazu führen, dass die Pipeline unter EU-Recht fällt. Vermutlich wären dann Nachverhandlungen zwischen der EU-Kommission und dem russischen Konsortium über Nord Stream 2 nötig. EU-Recht sieht vor, dass der Betreiber einer Pipeline und der Verkäufer des transportierten Gases nicht identisch sein dürfen. Im Fall von Nord Stream 2 sollen beide Kompetenzen bei dem Betreiber Gazprom in einer Hand liegen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Donnerstag Warnungen vor einer zu großen Abhängigkeit von Russland durch Nord Stream 2 zurückgewiesen. „Wir wollen uns unter gar keinen Umständen allein von Russland abhängig machen“, sagte sie in Bratislava. Deutschland werde daher gleichzeitig Gas-Terminals für Flüssiggas bauen. Russland sei aber schon im Kalten Krieg verlässlicher Gaslieferant Europas gewesen und werde dies auch weiter bleiben. Auch die Unionsfraktion stellte sich hinter das Projekt. Nord Stream 2 „erhöht die Versorgungssicherheit und macht uns politisch unabhängiger, auch von Ramboattacken aus den USA“, sagte der wirtschaftspolitischer Sprecher Joachim Pfeiffer. Auch der Europasprecher der Fraktion, Gunther Krichbaum, sagte: „Die Argumentation der USA und Frankreichs, wir würden uns zu abhängig von Russland machen, teile ich nicht. Denn Russland braucht die EU als Abnehmermarkt viel mehr als wir den Gaslieferanten Russland.“ Deutschland steige aus der Atomkraft und aus der Kohle aus. „Allein mit Windrädern schaffen wir es auf absehbare Zeit aber nicht“, sagte Krichbaum.

Dagegen zeigte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), Verständnis für die Pariser Kehrtwende. Es sei „richtig, das Gut der europäischen Einheit und Handlungsfähigkeit über die Solidarität mit Deutschland zu stellen“, sagte Röttgen dem „Tagesspiegel“. Er stellte sich damit gegen Bundeskanzlerin Merkel. Auch die Grünen begrüßten die Abkehr Frankreichs von dem Projekt. „Deutschland hat ohne Rücksicht auf den EU-Zusammenhalt das North-Stream-2-Projekt bilateral vorangetrieben. Es muss sich jetzt nicht wundern, wenn Frankreich nun stärker die Interessen Osteuropas unterstützt“, sagte der Grünen-Spitzenkandidat für die Europawahl, Sven Giegold. „North Stream 2 macht industrie- und klimapolitisch keinen Sinn und beruht letzlich auf einer alten Zusage Gerhard Schröders an Wladimir Putin.“

Als eine mögliche Erklärung für den Kurswechsel Frankreichs gilt der enorme Druck der USA gegen Nord Stream 2. Die USA wollen in Europa ihr Flüssiggas verkaufen. In Washington wurden neue Russland-Sanktionen erwogen, die auch den in Russland aktiven französischen Ölkonzern Total treffen könnten.

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