Finnischer Konzern Nokias Kartendienst — Objekt der Begierde

Düsseldorf · Um Here entbrennt ein Bieterwettstreit. Es ist auch ein Kampf der Welten: hier die traditionsreichen Autokonzerne, dort die aufstrebenden Internetgiganten. Die Nokia-Karten sind der Schlüssel zum selbstfahrenden Auto.

Google Maps: Kuriose Fehler des Kartendienstes
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Kuriose Fehler auf Google Maps

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Foto: Screenshot Google

Im Mittelalter konnten Karten im Krieg über Sieg oder Niederlage entscheiden. Sie zeigten Transportwege für Nachschub und warnten vor Sumpflandschaften, in denen das schwere Kriegsgerät stecken bleiben könnte. Kurzum: Sie verschafften strategische Vorteile, die sich in der Schlacht als unbezahlbar erweisen konnten.

Heute steht wieder eine Schlacht bevor. Es geht um die Frage, wer in Zukunft auf dem Automarkt Herrscher und wer Untertan sein wird. Und wieder sind es Karten, die für den Ausgang entscheidend sein könnten. Die Bedrohung aus dem fernen Amerika schweißt dabei sogar alte Rivalen zu Bündnispartnern zusammen. BMW, Mercedes und Audi, die sich jahrelang um den Thron der Premiumhersteller stritten, sehen sich vom jungen Königreich Google bedroht. Mit seinen Karten ist es dabei, sie bei der Entwicklung von selbstfahrenden Autos abzuhängen. Sollten sie den Kampf verlieren, würden sie als Zulieferer eines Technikkonzerns enden. Also rüsten sie auf - mit Karten.

Die "New York Times" berichtet, dass die drei deutschen Autobauer ein Angebot für den Nokia-Kartendienst Here abgeben wollen. Angeblich wollen sie sich dafür mit dem chinesischen Suchmaschinen-Konzern Baidu, der Here-Karten bereits jetzt verwendet, verbünden. Denn die Konkurrenz ist groß: Auch der Fahrdienst-Vermittler Uber ist in den Poker mit eingestiegen. Drei Milliarden Dollar bietet das Unternehmen, an dem Google beteiligt ist, für den Kartendienst. Es wäre ungefähr die Summe, die Nokia bei einem Verkauf erzielen möchte. Doch möglicherweise gibt es noch mehr Konkurrenz: Auch das Soziale Netzwerk Facebook und ein Finanzinvestor wurden bereits als potenzielle Käufer genannt. Nokia soll außerdem den Technikkonzern Apple angesprochen haben.

Karten sind der Schlüssel zur Entwicklung selbstfahrender Autos. Kameras und Sensoren können zwar permanent die Umgebung vermessen, doch als Basis sind Karten unverzichtbar. Nur mit ihnen kann ein Auto wissen, was sich hinter der nächsten Kurve oder dem vor ihm liegenden Hügel verbirgt. Nokia hat das frühzeitig erkannt und Here deshalb stark auf die Autobranche zugeschnitten - um selbst mit den Autoherstellern ins Geschäft zu kommen. Dass die Finnen nun nach ihrer Handysparte, die von Microsoft übernommen wurde, auch noch dieses Geschäftsfeld abstoßen wollen, liegt daher allein daran, dass Nokia mit dem Here-Erlös einen Teil der Übernahme des Konkurrenten Alcatel-Lucent finanzieren möchte. Dadurch will der ehemals größte Handyhersteller der Welt zum größten Netzausrüster werden.

Bei der Bieterschlacht geht es nun darum, ob die Autokonzerne ihre Unabhängigkeit bewahren können. Denn bei der Entwicklung selbstfahrender Autos kommen ihre schärfsten Konkurrenten nicht aus der eigenen Branche, sondern aus dem Silicon Valley. Dort testet Google bereits seit einiger Zeit eine kleine Flotte selbstfahrender Autos. Sollte sich die Software durchsetzen und irgendwann so überlegen sein wie die Suchmaschine der Kalifornier, lieferten Autokonzerne wie Mercedes, BMW oder VW nur noch die schöne Hülle, während die Daten - und damit mögliche Zusatzeinnahmen - bei den Kaliforniern landen würden.

Darum ist Nokias Kartendienst, der schon jetzt einen hohen Marktanteil bei Navigationssystemen hat, für die deutschen Hersteller so wichtig. Dass Here so wertvoll ist, liegt allerdings auch an ihnen selbst: Über die Navigationssysteme in den Autos liefern sie seit Jahren Informationen an Here, das monatlich etwa 2,7 Milliarden Datenpunkte sammelt. Laut "Handelsblatt" sollen rund 80 Prozent der Daten von Nokia von der Autoindustrie stammen, 30 Prozent davon von den drei großen Autoherstellern Mercedes, BMW und Audi. Sie könnten, sollten sie gegenüber Diensten wie Uber und Co. beim Bieterwettstreit verlieren, ihre Datenübertragung an Here einstellen. Doch diese Option kann ihnen nicht recht sein.

Der Druck ist auch deshalb so groß, weil der Aufbau eines eingenen Kartendienstes teuer und langwierig wäre. Bis sie das geschafft hätten, könnte der Krieg verloren sein. Ihr Thron wackelt bereits.

(frin)
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