Foodora, Deliveroo und Co. Essenskuriere auf den Barrikaden

Köln · Die NGG ruft die sogenannten Rider zu einer Protestkundgebung nach Köln. Auslöser ist ein Streit mit der Lieferplattform Deliveroo. Die DGB-Chefin in NRW nennt die dortigen Vorgänge eine „Sauerei“. Doch auch andere Anbieter geraten in die Kritik.

Der Markt für online bestelltes Essen boomt. Laut einer Statista-Erhebung wird der Umsatz von 2,77 Milliarden Euro im vergangenen Jahr auf geschätzt 6,83 Milliarden Euro im Jahr 2022 steigen. Pizza, Pasta, Burger – die Deutschen bestellen zunehmend online. Doch geht das zulasten der Fahrer? So zumindest lautet der Vorwurf der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG). Sie befürchtet, dass dank der Lieferplattformen ein digitales Prekariat entsteht. Viele der sogenannten Rider arbeiten selbstständig, die wenigen festangestellten haben oft befristete Arbeitsverträge.

Die NGG rief die Rider am Dienstag zu einer Protestkundgebung nach Köln, an der auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil teilnahm. „Wer Digitalisierung mit Ausbeutung verwechselt, hat mich zum politischen Gegner“, sagte der SPD-Politiker nach einem Gespräch mit den Fahrern.

Auslöser ist ein Streit mit Deliveroo

Die Wahl fiel nicht zufällig auf Köln. Hier liefert sich die NGG mit Deliveroo seit Monaten eine erbitterte Auseinandersetzung. Auslöser war die Ankündigung mehrerer Rider, einen Betriebsrat zu gründen. Nach Darstellung der NGG habe das Unternehmen daraufhin zahlreiche befristete Verträge auslaufen lassen – offenbar zugunsten von selbstständigen Fahrern. Diese können sich nicht in einem Betriebsrat organisieren.

Die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes in NRW, Anja Weber, war selbst lange als Gewerkschafterin für die NGG aktiv. Sie kritisierte die Lieferplattform scharf: „Dass Deliveroo frischgewählte Betriebsräte in die Solo-Selbständigkeit entlassen hat, ist eine Sauerei. Damit wird das deutsche Mitbestimmungsrecht ausgehebelt.“ Hier sei auch die Bundesregierung gefragt. „Wir brauchen dringend Regelungen, damit auch in der Digitalisierung Mitbestimmung gesichert wird“, verlangte Weber.

Sie begrüßte, dass der Minister nach Köln gereist sei. „Wir brauchen hier ganz klar auch gesetzliche Lösungen: Die Politik muss Kettenbefristungen und sachgrundlosen Befristungen den Riegel vorschieben, damit in der Arbeitswelt 4.0 keine Bedingungen wie in der ersten industriellen Revolution herrschen.“

Deliveroo erklärte mit Blick auf die erhobenen Vorwürfe, die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten entscheide sich aufgrund der Flexibilität für die freiberufliche Variante. Zudem lasse sich auf diesem Weg mehr Geld verdienen: „Unsere freiberuflich tätigen Fahrer verdienen beispielsweise durchschnittlich 16 Euro pro Stunde, unsere festangestellten neun bis zehn Euro.“

Im Aufruf zur Aktion in Köln war nicht nur von dem britischen Unternehmen die Rede. Auch Fahrer von Lieferdiensten wie Foodora waren zur Teilnahme aufgerufen – ein Umstand, der bei Foodora für Verwunderung sorgt. Ein großer Teil der rund 3000 Foodora-Fahrer sei fest angestellt, sagte ein Sprecher. Er räumte ein, dass es viele Zeitverträge gebe. „Wir würden die Beschäftigten gerne länger an uns binden. Fakt ist aber, dass viele das nur saisonal machen. Die Durchschnittsbeschäftigungsdauer beträgt bei uns sechs bis zehn Monate.“ Bei Foodora gebe es inzwischen Betriebsräte in Köln und Hamburg. Er verwahrte sich dagegen, dass alle Lieferdienste in einen Topf geworfen würde.

Der NGG geht es bei dem Protest noch um etwas anderes: So hat sich in Berlin mit der FAU Deliverunion eine Spartengewerkschaft gegründet, die ebenfalls versucht, möglichst viele Rider zu organisieren. Das dürfte der NGG, die seit 2005 einen Mitgliederrückgang um mehr als 7,5 Prozent hinnehmen musste ein Dorn im Auge sein.

Der Gaststättenverband Dehoga ist mit Blick auf die Lieferdienste zwiegespalten. Grundsätzlich seien dadurch Umsatzsteigerungen realisierbar, gleichzeitig verwies er auf die vergleichsweise hohen Provisionen. Der Dehoga rät den Gastronomen unter anderem dazu, sich nicht von einem Anbieter abhängig zu machen.

(maxi)
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