„Vielen Dank Jack, ich fühle mich geehrt“ Parag Agrawal wird neuer Chef bei Twitter

San Francisco · Als Technologieexperte des Unternehmens war Agrawal bislang im Hintergrund geblieben. Maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz zählten zu seinen Schwerpunkten. Nun löst er den bisherigen Firmenchef Jack Dorsey ab.

 Parag Agrawal ist der neue CEO von Twitter.

Parag Agrawal ist der neue CEO von Twitter.

Foto: AP/Ellian Raffoul

Es ist das wohl wichtigste Merkmal zur Beurteilung eines Twitter-Profils: die Anzahl der Follower. Gemessen daran ist der neue Twitter-Chef ein kleines Licht - lediglich rund 24.000 Nutzerinnen und Nutzer folgten Parag Agrawal vor Ankündigung des Führungswechsels auf der Plattform. Beim bisherigen Firmenchef und Twitter-Gründer Jack Dorsey sind es fast sechs Millionen. Agrawal war als Technologieexperte des Unternehmens bisher im Hintergrund geblieben. Doch nun ist er die neue Nummer eins.

Agrawal (verschiedenen Angaben zufolge 37 oder 38 Jahre alt) reiht sich ein in die wachsende Liste der indischstämmigen Tech-Talente, die in US-Technologiefirmen Führungspositionen übernehmen. Bei Alphabet, dem Mutterkonzern von Google, übernahm der heute 49-jährige Sundar Pichai 2015 die Geschäftsführung, bei Microsoft im Jahr 2014 der heute 54-jährige Satya Nadella.

Agrawal übernahm die Führung bei Twitter - wie sollte es anders sein - per Tweet. "Vielen Dank Jack, ich fühle mich geehrt", schrieb er. Seine neue Position tritt der Technologieexperte in einer Zeit an, in der das Unternehmen sich von kontrovers geführten Diskussionen um die Grenzen der freien Meinungsäußerung weg- und auf stattlichere Gewinne zubewegen möchte.

Dorsey lobte seinen Nachfolger: "Er stand hinter jeder kritischen Entscheidung, die dabei geholfen hat, diese Firma auf den richtigen Weg zu bringen", schrieb er an die 5500 Angestellten von Twitter. "Er führt mit Herz und Seele und ich lerne jeden Tag von ihm. Mein Vertrauen in ihn ist tief."

Agrawal studierte Computer- und Ingenieurswissenschaft am Indischen Institut für Technologie in Mumbai und machte seinen Doktor anschließend an der Stanford University in Kalifornien. Zu Twitter kam er im Jahr 2011, sechs Jahre später übernahm er bereits die technische Geschäftsführung. In dieser Funktion beschäftigte sich Agrawal mit vielen Themen, die für Twitter auch weiterhin eine zentrale Rolle spielen werden: Maschinelles Lernen (ML) und Künstliche Intelligenz (KI) sowie der technischen Strategie des Konzerns.

Für die Unternehmensführung machten ihn seine Schwerpunkte zu einem naheliegenden Kandidaten, sagt Analystin Carolina Milanesi von Creative Strategies: "KI und ML werden künftig immer wichtiger werden, um die Plattform zu einem gesünderen und einnehmenderen Umfeld für die Nutzer zu machen und mehr Gewinn für die Firma abzuwerfen."

Im Vergleich zu den Nachbarn im Silicon Valley fielen die Gewinne von Twitter bisher mager aus. Auch verzeichnete die Firma wesentlich weniger Wachstum als Google oder Facebook. Aktuell beträgt die Marktbewertung des Unternehmens rund 36,6 Milliarden US-Dollar (rund 32,2 Milliarden Euro). Erstmals profitabel war das 2006 gegründete Unternehmen im Jahr 2017 - doch der Konzern rutschte seitdem immer wieder in die roten Zahlen.

Von sich reden machte Twitter auch in der Diskussion um freie Meinungsäußerung - personifiziert in dem wohl bekanntesten und umstrittensten Twitter-Nutzer, dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. In der Öffentlichkeit ist der bisherige Firmenchef Dorsey wohl am besten für seine umstrittene Entscheidung bekannt, den ehemaligen US-Präsidenten von der Plattform zu entfernen.

Der neue Firmenchef Agrawal will sich von solchen Kontroversen wohl eher fernhalten. In einem Interview mit der "MIT Technology Review" 2020 sagte er, Twitter solle sich künftig weniger auf die Diskussion um freie Meinungsäußerung konzentrieren. Die Rolle der Firma sehe er als "Dienstleister für eine gesunde öffentliche Diskussion" - entsprechend werde Twitter die Schritte gehen, die dorthin führten.

(mcv/AFP)
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