Übernahme-Spekulationen Nächster Akt im Hochtief-Drama

Essen · Beim Essener Bauunternehmen wird die Führung ausgetauscht und durch Personal aus den Reihen des Großaktionärs ACS ersetzt. Offenbar gibt es Streit um die Zukunft. Die Spanier brauchen wohl dringend Geld.

Ein Jahr lang ruhten die Arbeiten an der Hamburger Elbphilharmonie. Deutschlands berühmteste Baustelle erlebte in dieser Zeit keinen Fortschritt mehr, weil die Stadt Hamburg und der Baukonzern Hochtief um die Sicherheit des Saaldaches stritten. Das tun sie immer noch, aber immerhin wird wieder gebaut.

Hunderte Millionen Euro hat das Vorhaben den Steuerzahler bereits gekostet, aber ein verbindlicher Eröffnungstermin für das imageträchtige Projekt steht immer noch nicht fest. Ob und wann Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) dieses Problem dauerhaft aus der Welt bekommt, weiß derzeit niemand. Sein vorderster Ansprechpartner bei Hochtief, der Spanier Marcelino Fernandez Verdes, wird nämlich bald noch viel mehr Aufgaben am Hals haben als bisher. Er soll Nachfolger von Vorstandschef Frank Stieler werden.

Stieler, gerade mal eineinhalb Jahre im Amt, soll Platz machen. Offiziell ist noch nichts. In einer Pflichtmitteilung an die Börse hat Hochtief erklärt, dass der Noch-Chef sich mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Manfred Wennemer "vorbehaltlich der Zustimmung des Aufsichtsrats auf ein einvernehmliches Ausscheiden aus dem Vorstand verständigt" hat. Zustimmen soll das Kontrollgremium morgen, dann soll auch Nachfolger Verdes gekürt werden.

Auch der Chef der Tochter Hochtief Solutions, Rainer Eichholz, lege sein Amt aus persönlichen Gründen nieder. Dies sei "völlig unabhängig von den Veränderungen im Konzernvorstand", erklärte Hochtief. "Beide Vorgänge stehen zeitlich und inhaltlich in keinem Zusammenhang."

Aufregerthema Frank Stieler

Eichholz ist aber ohnehin nicht das Aufreger-Thema. Anders als Stieler. Man kann darüber spekulieren, warum ein Manager nach 18 Monaten schon wieder gehen sollte. Entweder er hat Besseres vor, aber dann hätte man bestimmt versucht, ihn zu halten, und er würde nicht im Einvernehmen gehen. Oder man will ihn nicht mehr und drängt ihn zum Abgang — womit wir unmittelbar zu der Frage kommen, warum ein Manager, der das Unternehmen sauber durch eine schwierige Zeit geführt hat (Hochtief verdient nach einem dreistelligen Millionenverlust im vergangenen Jahr jetzt wieder Geld), plötzlich in Ungnade gefallen sein könnte.

Die Vermutung, dass es Krach gegeben hat, liegt nahe. Wahrscheinlich ums Geld. Der spanische Hochtief-Aktionär ACS, aus dessen Reihen der neue Chef kommt, hat mehr als neun Milliarden Euro Schulden und meldete zuletzt für die ersten neun Monate des Jahres einen Milliardenverlust. Das ist kein Wunder bei einem Konzern, dessen Heimatmarkt eine Immobilienblase sondergleichen erlebt hat.

Die Krise bei ACS sitzt tief. Die Spanier haben sogar schon Hochtief-Anteile an die spanische Großbank BBVA verpfänden müssen, um Kredit zu bekommen. Und allen noch so vehementen Dementis zum Trotz halten sich stets Befürchtungen, ACS wolle seine deutsche Tochter in Einzelteile zerlegen, diese verkaufen und damit Kasse machen. Wenn das so wäre und Stieler da nicht mitmachen wollte, wäre die Motivlage für seinen Abgang klar.

Der nächste Akt ist eröffnet

So oder so ist durch die Personalie der nächste Akt im Hochtief-Drama eröffnet. Mancher Mitarbeiter im Essener Traditionsunternehmen, das immer noch der größte deutsche Baukonzern ist, erlebt seinen persönlichen Alptraum zum zweiten Mal. Denn als ACS Hochtief vor zwei Jahren übernahm, geschah das nach einem Abwehrkampf der Deutschen gegen den spanischen Konkurrenten.

Schon damals ging die Angst um, ACS wolle nur Geld machen mit Hochtief. "Wir tragen heute die Unabhängigkeit von Hochtief zu Grabe", sagte DSW-Aktionärsschützer Marc Tüngler im vergangenen Jahr bei der Hauptversammlung. Diese Furcht ist zurückgekehrt, seit die Spanier finanziell stärker mit dem Rücken zur Wand stehen denn je.

Wie berechtigt die Sorgen im Ruhrgebiet sind, lässt sich schwer einschätzen. Tatsache ist, dass nach dem großen Kampf von 2010 vorübergehend Ruhe eingekehrt schien. Als Hochtief im vergangenen Jahr keine Dividende zahlen wollte, zogen alle mit — auch der Großaktionär ACS, der sich 54 Prozent der Anteile zurechnet.

Und selbst die Tatsache, dass ein ACS-Intimus an die Spitze rücken soll, muss nicht zwangsläufig dazu führen, dass dieser Mann als Vasall seiner spanischen Herren deutsches Besitztum in Stückchen zerlegt und verkauft. Schließlich ist auch er allen Aktionären verpflichtet und müsste mit Einsprüchen anderer Anteilseigner von Hochtief rechnen, ja gar mit Sammelklagen rechnen, wenn er sich an ihrem Eigentum verginge.

Andererseits ist jede neue Führungsfigur aus dem Dunstkreis von ACS ein Indiz dafür, dass die Spanier noch mehr Einfluss bei Hochtief wollen. Das ungute Gefühl verstärkt sich, wenn im Moment von Stielers Entmachtung der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Manfred Wennemer, selbst plant, sein Aufsichtsratsmandat zum Jahresende aus persönlichen Gründen niederzulegen. Wennemer ist 65, er könnte sich also hinstellen und sagen, dass seine Lebensplanung anderes vorsehe als die Chefkontrolleurs-Rolle in einem Baukonzern.

Mitarbeiter verunsichert und wütend

Aber wenn alles friedlich wäre, könnte er sein Amt wenigstens bis zur Hauptversammlung weiterführen und dann ein geordnetes Feld übergeben. Jetzt wirkt es so, als werfe er die Brocken hin — vor dem übermächtigen Florentino Perez, ACS-Eigentümer und Präsident von Real Madrid. Einem Mann, dem nachgesagt wird, dass es für ihn keine Unterschiede gebe zwischen der Führungskultur in einem spanischen Fußball-Klub von Weltformat und der in einem börsennotierten deutschen Aktienkonzern.

All das lässt die Belegschaft bei Hochtief zurück in einer Mischung aus Angst und Zorn. Angst um den Job, die immer dann entsteht, wenn Spekulationen über die Zerschlagung eines Unternehmens die Runde machen; Zorn unter anderem auch deshalb, weil der Eigentümer nur deshalb so groß werden konnte, weil er sich (wie andere) an EU-Fördertöpfen bediente, die auch mit deutschen Mitteln gefüllt waren.

Muss jetzt also die Politik einschreiten, um ein deutsches Traditionsunternehmen vor dem Ausverkauf zu bewahren? Ein klares Nein. Selbst wenn ACS solche Pläne haben sollte, wäre es nicht die Aufgabe der deutschen Politiker, die Zerlegung zu vereiteln. Ein jeder Eigentümer hat das Recht, mit seinem Eigentum nach eigenem Gutdünken zu verfahren. Dies mag sich zynisch anhören, wenn es im Zweifel um Arbeitsplätze und Existenznöte geht, aber das ändert nichts an der Grundaussage.

(RP/jre/csi)
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