Krankenkasse will 3500 Stellen streichen Ministerin Steffens warnt Barmer vor Service-Abbau
Berlin · Die Zeit der vollen Kassen in der gesetzlichen Krankenversicherung geht vorbei. Die Krankenkasse Barmer GEK reduziert ihr Personal drastisch um 3500 Stellen. Die NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens reagiert prompt und warnt die Kasse vor einem Service-Abbau.
"Angesichts der immer älter werdenden Bevölkerung wäre es eine falsche Entwicklung, wenn die geplante Umstrukturierung bei der Barmer GEK zu einem Serviceabbau für ältere und weniger bewegliche Versicherte führen würde", sagte Barbara Steffens unserer Redaktion.
"Auch wenn die Entscheidung der Barmer GEK unternehmenspolitisch begründet sein mag, muss die damit einhergehende Entwicklung gesundheitspolitisch kritisch beobachtet werden. Gefordert ist hier auch die Bundespolitik: Um unser Gesundheitssystem menschlicher und patientenorientierter zu machen, sollte alles dafür getan werden, dass der Kassenwettbewerb nicht hauptsächlich über den Preis, sondern vor allem über Qualität und Service geführt wird."
Verschlankung von Arbeitsprozessen
Die Barmer GEK will einen drastischen Sparkurs einleiten und streicht rund 3500 Stellen. Das hatte ein Unternehmenssprecher am Sonntagabend der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin mitgeteilt. Er bestätigte damit Berichte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) und des Senders WDR. Der Personalbedarf reduziere sich aufgrund einer Neuausrichtung der Organisation und der Verschlankung von Arbeitsprozessen.
Laut FAZ fällt damit mehr als jede fünfte Stelle weg. Sie sollen demnach bis 2018 gestrichen werden. Zudem werde die Zahl der Geschäftsstellen mehr als halbiert. "Nach Abschluss des Umbaus werden wir noch 400 Geschäftsstellen haben", sagte Kassenchef Christoph Straub der Zeitung. Mit den Reformen wolle die Kasse jedes Jahr Kosten im Umfang von 250 bis 300 Millionen Euro sparen. Der Wettbewerb werde in den kommenden Jahren härter.
Der gesetzlichen Krankenversicherung drohen Finanzprobleme. Wegen steigender Ausgaben rechnen Experten mit Zusatzbeiträgen von mindestens 1,5 Prozent des Einkommens in wenigen Jahren. Vom kommenden Jahr an sollen die Kassen vom Einkommen abhängige Aufschläge verlangen können. Ein heute fälliger Sonderbeitrag von 0,9 Punkten zulasten der Versicherten entfällt dagegen.
Experten erwarten Zusatzbeitrag
Ein Großteil der Kassen wird nach Einschätzung von Experten zunächst einen Zusatzbeitrag in etwa dieser Höhe erheben müssen. Doch wenn bei einer Versicherung mehr fällig wird, dürfte dies ein spürbarer Wettbewerbsnachteil werden. Straub sagte, er gehe nicht davon aus, dass seine Kasse einen Zusatzbeitrag über dem Durchschnitt verlangen wird.
Sprecher Athanasios Drougias nannte auch Qualitätssteigerung als Ziel. Spezialisierte Telefon- und Online-Geschäftsstellen würden aufgebaut. In den Geschäftsstellen vor Ort würden mehr Mitarbeiter konzentriert, um einen Rund-um-Service ohne lange Wartezeiten zu gewährleisten. "Analysen zeigen, dass die Versicherten immer häufiger über das Telefon und das Internet mit uns kommunizieren, weniger in die Geschäftsstellen kommen." Der Personalabbau werde sozialverträglich umgesetzt.
Den Rang als größte Krankenkasse gab die Barmer GEK im Januar an die Techniker Krankenkasse (TK) ab, die mit 8,7 Millionen Versicherten an ihr vorbeizog. Sie hat mit 6,7 Millionen aber immer noch die meisten zahlenden Mitgliedern.