Interview mit Chef von Telefonica Deutschland "Ab 2020 gibt es keine Funklöcher mehr"

Düsseldorf · Der Chef von Telefonica Deutschland (O2), Markus Haas möchte die Mobilfunknetze auf dem Land ausbauen - wenn die Politik ihm entgegenkommt. Mit der künftigen Handytechnik 5G will er superschnelle Webzugänge für Hunderttausende Häuser schalten.

 Markus Haas, Chef von Telefonica Deutschland.

Markus Haas, Chef von Telefonica Deutschland.

Foto: dpa, mbk bsc

Markus Haas führt Telefonica Deutschland seit Januar 2017 - wir sehen uns am Düsseldorfer Standort mit direktem Blick auf die sehr nahe Landebahn des Flughafens Düsseldorf. "Zweimal pro Monat bin ich hier", sagt er.

Herr Haas, die neue Koalition plant 10 bis 12 Milliarden Euro aus dem Erlös neuer Handyfrequenzen ein, damit massenhaft Haushalte Glasfaseranschlüsse erhalten. Gute Idee?

Haas Nein, so wird nur eine Zukunftstechnik zu Gunsten der anderen geschwächt. Wir brauchen schnell eine starke Infrastruktur für den Mobilfunkstandard 5G, um Kapazitäten und Qualität zu erhöhen und das Tor für neue Anwendungen aufzustoßen. Und wenn die Politik zusätzlich Glasfaseranschlüsse für fast jedes Haus will, ist das auch legitim. Aber das darf nicht über Quersubventionen auf Kosten der Mobilfunker geschehen. Mit 45 Millionen Mobilfunkkunden wissen wir als Marktführer, wovon wir reden.

Was sollte geschehen?

Haas Erstens: Der Großteil der bald auslaufenden Mobilfunknutzungsrechte sollte umfassend verlängert bzw. den Netzbetreibern direkt zugeteilt werden. Als Gegenleistung könnte die Branche die Versorgung gerade auf dem Land deutlich verbessern - es sollte dann ab 2020 fast keine relevanten Funklöcher mehr geben. Zweitens brauchen wir eine zurückhaltende Regulierung. Und drittens sollten die Frequenzen für 5G nicht zu teuer werden. Das gibt Freiraum für die Investitionen.

Und dann stellen die Mobilfunker an Straßen alle 100 Meter Funkstationen hin, damit autonomes Fahren mit Mobilfunkhilfe möglich wird?

Haas Keine Frage, Deutschland muss bei der Zukunftstechnik 5G vorne sein. Aber bevor wir eine extrem engmaschige Versorgung von Straßen erhalten, muss geklärt werden, wer das finanziert und später für die Nutzung zahlen wird: Es gibt bisher kein Geschäftsmodell, wie die hohen Milliardeninvestitionen für dieses sehr spezielle Anwendungsgebiet eines per 5G unterstützten autonomen Fahrens bezahlt werden.

Braucht die Branche mehr Kooperationen für 5G?

Haas Ja, wohin die Reise geht, zeigt unser angekündigtes Abkommen mit Vodafone: Wir teilen uns zuerst an 100 gemeinsam genutzten Standorten das Legen von Glasfaseranschlüssen. Wenn das klappt, sollten wir das für alle gemeinsam genutzten Standorte angehen.

Mit welchem Ziel?

Haas Die mobile Datennutzung in Deutschland legt jedes Jahr um über 50 Prozent zu. Um diesen Verkehr weiterzuleiten, wollen wir bis 2022 rund 70 Prozent unserer 26.000 Funkstationen mit Glasfaser anschließen. 5G kann uns dann erlauben, immer mehr Haushalten extrem schnelles Internet per Mobilfunk mit mehr als einem Gigabit/Sekunde anzubieten. Ich kann mir vorstellen, perspektivisch viele hunderttausend Kunden mit 5G zu Hause zu versorgen.

Gegen die geplanten Glasfaseranschlüsse hat ein solches Angebot doch keine Chance.

Haas Warten wir es ab - dem Mobilfunk gehört die Zukunft. Ich halte es jedenfalls für eine Illusion, dass alle Haushalte direkt mit Glasfaser in die Wohnung versorgt werden können. Viele Vermieter würden solche Bauarbeiten nicht hinnehmen. Als Test mit Netzwerkausrüstern wollen wir dieses Jahr in München und Hamburg jeweils bis zu 50 Haushalte per 5G-Mobilfunk mit Internet im Pilotbetrieb versorgen. Dafür bauen wir in den Straßen entlang der vorhandenen Glasfasertrassen kleine Mobilfunkstationen, die dann W-Lan-Router in den Wohnungen versorgen. So ähnlich plant es der US-Mobilfunkgigant Verizon in mehreren Städten.

Die Telekom möchte ein Glasfasernetz nur flächendeckend für alle Haushalte ausbauen, wenn sie bei deren Ausbau nicht reguliert wird. Wie sehen Sie das?

Haas Der Aufbau der neuen Glasfasernetze sollte nicht wie bisher reguliert werden, um Investitionen anzuregen. Wir setzen wie in der Vergangenheit im Mobilfunk auf freiwillige Vereinbarungen und nicht auf Regulierung. Das Interesse der Telekom und anderer regionaler Anbieter an einer hohen Auslastung und schnellen Refinanzierung des Netzes wird sehr groß sein. Wie das gehen kann, zeigt auch unser Bündnis mit der Telekom im Festnetz: Wir haben bereits über zwei Millionen DSL-Kunden, die die Telekom komplett für uns schaltet.

Reinhard Kowalewsky führte das Interview.

(rky)
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