Langer Abwärtstrend Märklin droht Aus im 150. Jahr

Göppingen (RP). Ausgerechnet im Jubiläumsjahr steckt die Göppinger Traditionsfirma erneut tief in der Krise. Erst vor drei Jahren war sie von einem Finanzinvestor übernommen worden, der damals die Pleite abwendete.

 Märklin schließt sein Werk in Nürnberg.

Märklin schließt sein Werk in Nürnberg.

Foto: AP, AP

Märklin, das ist mehr als propere württembergische Feinmechanik zu recht ansehnlichen Preisen. Märklin ist für große Jungs die Erinnerung an glückliche Kindertage — und für viele Männer ein Kult-Objekt, das mit großer Leidenschaft gesammelt und wohl auch gelegentlich in Fahrt gesetzt wird. Diese heile Welt, in der das deutsche Wirtschaftswunder meist im HO-Maßstab für ewig jung bleibt, sie ist in Gefahr.

Der Nachwuchs, der sich dauerhaft für die Modellbahn begeistert, fehlt schon lange. Und die erwachsenen Käufer springen nicht mehr so bereitwillig in die Bresche. Märklin bekam das bei den Umsatzzahlen zu spüren. Von den 170 Millionen Euro des Jahres 2003 sind mehr als 40 Millionen weggebrochen.

Im Mai 2006 waren den Eigentümerfamilien die Probleme zu groß geworden. Sie zogen sich zurück und — mit Rückendeckung der Belegschaft — übernahm der Finanzinvestor Kingsbridge Capital das Ruder. In der Folge wurde das Werk in Sonneberg geschlossen, die Belegschaft halbiert, aber auch der wankende Gartenbahn-Hersteller LGB übernommen. Im April vergangenen Jahres meldete Märklin steigende Umsatzzahlen und kündigte eine Kapitalerhöhung durch Kingsbridge an. — Doch dieser Aufwärtstrend trug wohl nicht. Nach nicht einmal drei Jahren setzte Kingsbridge Anfang Februar das dritte Geschäftsführerteam ein.

Wie aus Unternehmenskreisen verlautete, wird jetzt über eine erneute Kapitalaufstockung verhandelt. Die Banken, die mit Märklin zusammenarbeiten, darunter die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), sollen sich gegen weitere Kredite sperren. Vielleicht hilft es, dass der seit Anfang des Monats amtierende neue Märklin-Finanzchef Rainer Nothwang seine Karriere bei der LBBW begonnen hat.

Im Übrigen ruhen die Hoffnungen aller Märklinisten auf der Spielwarenmesse in Nürnberg, die am Donnerstag startet. Die 1859 gegründete württembergische Firma präsentiert dort im Jubiläumsjahr ein Neuheiten-Paket, das alle Vorgänger in den Schatten stellt.

Kenner wissen, dass ein Großteil des Umsatzes auf dem Modellbahnbahnmarkt mit frischen Produkten gemacht wird. Wenn die Händler kräftig bestellen, würde das die Finanzprobleme deutlich entschärfen.

Wie immer sind die komplett neu konstruierten Modelle in der Minderzahl. Die Entwicklung einer HO-Dampflok wie der neuen Baureihe 23 (Preisempfehlung laut Prospekt: 369,95 Euro) kostet mindestens eine Million Euro. Finanziell weniger aufwändig für Märklin sind Wiederauflagen historischer Produkte (Metallbaukasten, Schraubendampfer "Jolanda") oder farbliche Varianten bewährter Modelle.

Eins steht fest: Eine Abwrackprämie des Staates würde den Absatz nicht ankurbeln — wer trennt sich schon von "seiner Märklin"?

(RP)
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